Jede zweite Abschiebung scheitert. Was unternimmt die Landesregierung dagegen?

Kleine Anfrage
vom 02.07.2018

Kleine Anfrage 1230der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 29.06.2018

 

Jede zweite Abschiebung scheitert. Was unternimmt die Landesregierung dagegen?

Laut einem Bericht von RTL-Aktuell 1 vom 24.05.18 scheitert derzeit bundesweit jede zweite  Abschiebung. Demnach konnten im ersten Quartal 2018 5.548 Personen abgeschoben werden. In 4.752 Fällen scheiterte die Abschiebung aus unterschiedlichen Gründen.

In 75  Fällen haben dabei Piloten eines Linienfluges die Beförderung verweigert. Da der Pilot für die  Sicherheit seiner Fluggäste verantwortlich ist, lässt sich dieses Vorgehen nachvollziehen.  Die Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage 984 (Drucksache 17/2646) 2 hat  ergeben, dass sich zum Stichtag 31.03.18 70.865 ausreisepflichtige Personen in NRW  aufhielten.

Der Bericht an den Integrationsausschuss über den Sachstand des staatlichen  Asylsystems (Vorlage: 17/796) hat ergeben, dass im ersten Quartal 2018 1.631 Personen  abgeschoben wurden. 2017 waren es insgesamt 6308 Personen. Auch wenn NRW im  Vergleich der Bundesländer bei der Abschiebequote besser abschneidet, besteht hier noch  Verbesserungsbedarf. Laut zahlreichen Zeitungsberichten kommt es zu Warnungen über bevorstehende  Abschiebungen durch verschiedene Organisationen. Genannt werden kann hier beispielhaft  Pro Asyl.

Aus anderen Bundesländern sind Fälle bekannt, die bei der Verhinderung der  Abschiebung auf eine Unterstützung des Flüchtlingsrates hinweisen.Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, äußerte sich am 12.05.18  gegenüber der Tageszeitung „Bild“ wie folgt über die „Anti-Abschiebe-Industrie3 “: „Eine  unsägliche Allianz von Zwangsideologen und Partikularinteressen [versucht durch]  Klagewellen Abschiebungen zu verhindern und die Durchsetzung des Rechtsstaates zu  sabotieren.

Diese Allianz arbeitet nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den  gesellschaftlichen Frieden. […] Die Anti-Abschiebe-Industrie nutzt die Mittel des  Rechtsstaates, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu  bekämpfen. […] Es wird in Kauf genommen, dass jede nicht vollziehbare Abschiebung die  Integrationsfähigkeit unseres Landes weiter gefährdet – und im Falle von kriminellen  Asylbewerbern auch unsere Bevölkerung direkt beeinträchtigt. Wer die Abschiebung von  kriminellen Flüchtlingen mit Klagen verhindern will, stellt den Schutz der Täter über den Schutz  der Bürger. […] Wir brauchen die im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen Stellen in der  Justiz und außerdem ein Schnellverfahren für die Abschiebung von kriminellen  Asylbewerbern.“

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie viele geplante Abschiebungen konnten seit 2015 in Nordrhein-Westfalen nicht  durchgeführt werden? (bitte auflisten je Jahr und 2018 für das erste Quartal)

2. Welche Gründe (z.B. kurzfristig erteilte ärztliche Atteste) waren dafür verantwortlich?  (bitte auflisten nach Jahr und Anzahl der jeweiligen Fälle)

3. Welche Organisationen sind der Landesregierung bekannt, die vor bevorstehenden  Abschiebungen gewarnt haben, somit also den Vollzug geltenden Rechts verhindert  haben? (Bitte Organisationen und Anzahl der bekannten Fälle auflisten.)

4. Mit welchen Maßnahmen geht die Landesregierung gegen die unterschiedlichen Formen der Abschiebeverhinderung vor?

Gabriele Walger-Demolsky

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 30.07.2018

 

Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1230 mit Schreiben vom 30. Juli 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Mi­nister der Justiz beantwortet.

1. Wie viele geplante Abschiebungen konnten seit 2015 in Nordrhein-Westfalen nicht durchgeführt werden? (bitte auflisten je Jahr und 2018 für das erste Quartal)

2. Welche Gründe (z.B. kurzfristig erteilte ärztliche Atteste) waren dafür verantwort­lich? (bitte auflisten nach Jahr und Anzahl der jeweiligen Fälle)

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet.

Zu geplanten Abschiebungen liegen der Landesregierung keine statistischen Zahlen vor. Für die Aussetzung von Abschiebungen kann es im Übrigen die unterschiedlichsten Gründe geben (z.B. gesundheitliche Gründe, Flugausfall, gerichtliche Verfügungen, Widerstandshandlungen, Transportverweigerung durch den Flugzeugführer etc.). Eine Erfassung derartiger Sachver­halte durch die Ausländerbehörden findet nicht statt und würde zum Teil subjektiven Bewer­tungen unterliegen. Eine Antwort im Sinne der Fragestellung ist der Landesregierung vor die­sem Hintergrund nicht möglich.

3. Welche Organisationen sind der Landesregierung bekannt, die vor bestehenden Abschiebungen gewarnt haben, somit also den Vollzug geltenden Rechts verhin­dert haben? (Bitte Organisationen und Anzahl der jeweiligen Fälle auflisten.)

4. Mit welchen Maßnahmen geht die Landesregierung gegen die unterschiedlichen Formen der Abschiebeverhinderung vor?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet.

Abschiebungstermine dürfen den Betroffenen vorab nicht benannt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG). Insbesondere bei der Vorbereitung von Chartermaßnahmen ist jedoch eine Viel­zahl von Akteuren in die Planungen eingebunden, so dass es immer wieder vorkommt, dass

Termine bereits im Vorfeld bekannt werden. Die Verbreitung einer einmal öffentlich geworde­nen Chartermaßnahme – sei es über soziale Medien oder auf anderen Wegen – ist dann nicht zu verhindern. So werden Rückführungsmaßnahmen nach Afghanistan häufig von Flüchtlings-unterstützerinitiativen im Vorfeld bekannt gemacht; diese Information aber auch von überregi­onalen Medien verbreitet. Soweit die rechtlichen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, kann der Vollzug der Abschiebung auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung im Wege der Abschiebungshaft oder des Ausreisegewahrsams gesichert werden.

 

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