Rheinbrücken – Notfallpläne für Sperrungen bereithalten

Antrag
vom 30.03.2022

Antragder AfD-Fraktion vom 30.03.2022

 

Rheinbrücken Notfallpläne für Sperrungen bereithalten

I. Ausgangslage

Zwischen Emmerich und Bonn queren 28 Brücken den Rhein, davon zwölf Brücken in der Baulast des Bundes, elf in kommunaler Baulast und fünf Eisenbahnbrücken.

Die IHK bewertete den Zustand der Rheinbrücken im Durchschnitt mit „nicht ausreichend“ und demnach einer Note von 3,0. Auf einzelne Brückenbauwerke heruntergebrochen sieht die Lage noch desaströser aus. Es stellt sich der Landesregierung längst nicht mehr nur die Frage, „ob“ eine Brücke gesperrt und ersetzt werden muss, sondern „wann“.

Der Zustand der Brücken in kommunaler Baulast ist ein sehr bedenkliches und zu priorisieren-des Thema. Das Alter dieser Brücken beträgt durchschnittlich 63 Jahre1. Sowohl die höheren zulässigen Gewichte der Fahrzeuge als auch die fehlende Aufmerksamkeit von Seiten der Regierung sowie die geringen Investitionen und das wachsende Verkehrsaufkommen, vor al­lem durch den Ausweichverkehr durch gesperrte Autobahnbrücken bedingt, führen derweil zu einer drastischen Verschlechterung des Zustands kommunaler Brücken.

Für den Güter- und Personenverkehr zwischen den ZARA-Häfen Zeebrügge, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen stellt der Rhein ein starkes verbindendes Element, aber auch eine natürliche Barriere für den Verkehr zu den Wirtschaftsstandorten östlich des Rheins dar2.

Nordrhein-Westfalen als bundesweites Transitland Nr.1 muss sich seiner geografischen Lage im Herzen Europas bewusst werden und sich der damit steigenden Anforderungen an die Ver­kehrsinfrastruktur annehmen.

Unsere Brücken fallen derzeit auf Grund mangelnder Vorsorge bei vorhersehbaren und anzu­nehmenden Entwicklungen der Güterverkehrsleistungen aus. Dies, weil Brücken jahrzehnte­lang nicht ausreichend und nicht richtig überprüft oder nicht zeitnah instandgesetzt wurden. Vollsperrungen sind die letzten zu ergreifenden Maßnahmen, wenn der Schaden längst vor­handen ist, und führen zu Staus und Umwegen.

Der Ausweichverkehr, der durch eine abgelastete oder gesperrte Rheinbrücke entsteht, be­lastet die teils ähnlich maroden Alternativbrücken zusätzlich. Zudem würde der Verkehr in vie­len Fällen von Fernstraßen auf innerstädtische Brücken ausweichen und somit auch die Infra­struktur der umliegenden Kommunen und das Wohl der Anwohner strapazieren.

Zur Gewährleistung der Standsicherheit und Dauerhaftigkeit von Ingenieurbauwerken und da­mit auch zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit sollten in regelmäßigen Abständen Bau­werksprüfungen durchgeführt werden. So sollte gemäß der DIN Norm 1076 „Ingenieurbau­werke im Zuge von Straßen und Wegen – Überwachung und Prüfung“ eine Brücke alle sechs Jahre einer Hauptprüfung, alle drei Jahre einer einfachen Prüfung und jährlich einer Besichti­gung unterzogen werden.

Demnach sollten bei der Hauptprüfung alle Bauteile des zu prüfenden Bauwerks sehr intensiv, mit allen technisch zur Verfügung stehenden Mitteln auf Mängel und Schäden hin untersucht und bewertet werden.

Die alle drei Jahre durchzuführende Einfache Prüfung findet „ohne Verwendung von Besichtigungsgeräten oder -einrichtungen“ ausschließlich als eine „erweiterte Sicht-prüfung“ statt. Auch die regelmäßige jährliche Besichtigung geschieht ohne größere Hilfsmittel wie Besichtigungsfahrzeuge, Rüstung usw., in der man ausschließlich Ausschau nach „offensichtliche[n] Schäden und Mängel[n]“ hält.

Bereits eine Zustandsnote von 3,0 bedeutet einen „nicht ausreichenden Zustand“, also dass die Stand- und/oder Verkehrssicherheit beeinträchtigt und die Dauerhaftigkeit der Brücke nicht mehr gegeben ist. In der DIN-Norm wird auch deutlich festgehalten, dass eine „umgehende“ Instandsetzung bereits bei 3,0 erforderlich ist. Eine Zustandsnote von 3,5 und mehr entspricht einem „ungenügenden Zustand“ mit erheblich beeinträchtigter Stand- und/oder Verkehrssi­cherheit.

Die Geschehnisse an der Rahmede-Talbrücke waren nur ein weiterer Beweis für die nicht mehr zeitgemäßen Verfahrensweisen der DIN Norm 1076 in der Prüfung von Ingenieursbau-werken.

Denn bereits im November 2020, nachdem eine fünf Tonnen schwere Betonplatte einer Lärm­schutzwand an der A3 sich auf Grund einer fehlerhaften Verankerung von der Wand löste und den Tod einer 66-jährigen Frau verursachte, stellten wir Mängel an der DIN-Norm 1076 fest. Bei der zuletzt stattgefundenen Hauptprüfung im Jahre 2013 bekam die Konstruktion die Zu­standsnote 1. Auch ist hier festzuhalten, dass bedingt durch Personalmangel und den gewal­tigen Prüfungsstau die nächste turnusmäßige Prüfung der Lärmschutzwand (vorgesehen für das Jahr 2019) verschoben wurde.

Die DIN-Norm 1076 sehen wir seither als offenkundig unzureichend an und fordern seit über zwei Jahren ihre Überarbeitung auf Grund Ihres Alters und ihrer nicht ausreichenden Spezifi­kation.

Der Landesregierung muss bewusst werden, dass man sich vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse nicht mehr auf die Benotung der Hauptprüfungen verlassen kann.

Bereits die Fleher Brücke der A46 deutet auf die Unzuverlässigkeit der Prüfverfahren hin. Die zwischen 1976 und 1979 entstandene Brücke wurde von 2006 bis 2013 saniert. Eine weitere Instandsetzung begann im Mai 2016 und sollte bis 2024 andauern. Doch im November 2020 wurde bekanntgegeben, dass die Fleher Brücke trotz bereits erfolgter erheblicher Sanierungs­maßnahmen auf Grund irreparabler struktureller Schäden nicht dauerhaft erhalten werden kann, sondern durch einen Neubau ersetzt werden muss, was aber erst nach Fertigstellung der Leverkusener Brücke angegangen werden soll.3 Es stellt sich hier die Frage, inwiefern diese Erkenntnisse durch erweiterte oder andere Prüfverfahren im Rahmen der DIN-Norm 1076 hätten früher gezogen werden können.

Die Fleher Brücke und die Flughafenbrücke im Norden stellen im Raum Düsseldorf die einzi­gen beiden für Fahrzeuge mit mehr als 30 Tonnen Gewicht befahrbaren Rheinbrücken dar4, und der plötzliche Ausfall einer dieser Brücken würde den gesamten Schwerlastverkehr auf die übrige lenken. Mit einem Baubeginn ist dennoch nicht vor dem Jahre 2029 zu rechnen.5 Laut Angaben der Landesregierung in der Beantwortung einer neulich gestellten Kleinen An­frage gibt es im Verlauf der A 44 – die Flughafenbrücke demnach mit inbegriffen – keine Brü­cken, mit deren Ablastung bzw. Vollsperrung in nächster Zeit gerechnet werden muss. Wie sehen die Entwicklungen der Flughafenbrücke und des Ausweichsverkehrs aus, wenn die Fle-her Brücke abrupt vollgesperrt werden muss?

Einen weiteren Risikofaktor stellt auch die Rheinbrücke Rodenkirchen der A4 im Raum Köln dar. Diese mit ihren teils 81 Jahre alten Pylonen6 ist bereits heute dem gestiegenen Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen.7 Die Autobahn GmbH rechnet zudem bis zum Jahre 2030 mit einem Anstieg auf 158.700 Kraftfahrzeuge pro Tag.8 Doch auch hier befindet sich das Projekt seit dem Jahre 2019 in der Vorplanung, und weder die Landesregierung noch die Autobahn GmbH liefern fest geplante Bautermine. Auch hier wird laut Angaben der Landesregierung und des Bundesministerium der Baubeginn frühestens am Ende des Jahrzehnts sein, nachdem die neue Leverkusener Brücke fertiggestellt ist.9

Im Raum Bonn wartete die Rheinbrücke Bonn-Nord, auch Friedrich-Ebert-Brücke genannt, seit ihrer Hauptprüfung im Jahre 2007 seit über vierzehn Jahren auf ihre Generalinstandsetzung, die notwendig war und zeitnah hätte stattfinden sollen. Die Instandsetzung wurde für das Jahr 2012 geplant, auf 2014 und dann auf 2018 verschoben.

In der Zwischenzeit wurde im Jahr 2016 entschieden, dass genehmigungspflichtige Schwertransporte – ab 44 Tonnen – auf Grund festgestellter statischer Defizite die Brücke nicht mehr passieren dürfen und diese durch einen Neubau ersetzt werden sollte.1011 Im Verlauf der A565 sind weitere Brücken für die „genehmigungspflichtigen Schwertransporte“ gesperrt, sodass betroffene Fahrzeuge seither auf die Rheinbrücken Fleher Brücke im Verlauf der A46, die Flughafenbrücke der A44 und die Rodenkirchener der Brücke A4 ausweichen müssen.12 Nun sollen die lang-geplanten Sanierungsarbeiten 2021 begonnen haben und bis 2024 dauern.

Nach heutigem Kenntnisstand ist nicht vor dem Jahre 203013 mit einem Baubeginn des Ersatzneubaus zu rechnen, der längst unter der Führung des ehemaligen Verkehrsministers Hendrik Wüst beginnen sollte Er kann nun erst im Jahr 2034 fertiggestellt werden.14

II. Der Landtag stellt fest,

  1. dass die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Rheinbrücken einen planerischen Vorrangcharakter hat,
  2. dass einheitliche, vollständige, zuverlässige und vergleichbare Bestands- und Zustandsdaten sowie deren fortlaufende Aktualisierung im Rahmen der Bauwerksprüfung wichtige Grundlagen für jedes Bauwerk-Management darstellen,
  3. dass bei einer unvorhergesehenen Brückensperrung die umliegenden Kommunen und Kreise, welche von den Ausweichverkehren betroffen sind, völlig unvorbereitet und überlastet sind und
  4. dass die Vollsperrung einer Rheinbrücke eine zusätzliche Belastung und Abnutzung für Alternativbrücken und enorme Abnutzung der Verkehrsinfrastruktur der umliegenden Kommunen und Kreise darstellt,
  5. dass die Vollsperrung einer Rheinbrücke letztlich zu einem volkswirtschaftlichen Schaden des Wirtschaftsstandorts NRW führt und
  6. dass Umwege, bedingt durch eine Vollsperrung, neben erhöhtem Sprit- und Zeitverlust für die betroffenen Verkehrsteilnehmer auch eine Erhöhung von Emissionen wie CO2 und Lärm bedeuten.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. die Kommunen als Baulastträger unverzüglich mit der Überprüfung der in ihrer Verantwortung befindlichen elf Rheinbrücken zu beauftragen, um sich einen Überblick über den Zustand der betroffenen Brücken zu verschaffen,
  2. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die zuletzt 1999 novellierte DIN Norm 1076 in ihrer Aktualität gegenüber den Anforderungen und Belastungen des heutigen Verkehrsaufkommens zu überprüfen,
  3. klare Notfallpläne für jede Rheinbrücke mit einer Zustandsnote von 3,0 und schlechter mit den umliegenden Kommunen zu erstellen, in denen der zu erwartende Ausweichverkehr großräumig gesteuert wird, um die Verkehrs-belastung gleichmäßig zu verteilen, und diese dem Landtag vorzulegen und
  4. die im Rahmen der zu erstellenden Notfallpläne hierfür in Betracht kommende Verkehrsinfrastruktur zu ertüchtigen.

Nic Vogel
Christian Loose
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 Vgl. https://ihk-koeln.de/blueprint/servlet/re-source/blob/5107676/f24cf059e7dfa702a030e3a63a90d22f/r-h-ein-ueberbruecken-data.pdf, S. 2, ab­gerufen am 08.03.2022 um 14:01 Uhr

2 Vgl. http://www.rheinland.ihk.de/upload/Haefen_2016_52051.pdf, S.2, abgerufen am 08.03.2022 um 14:04 Uhr

3 Vgl. https://www.strassen.nrw.de/de/presse/meldungen/meldung/a46-fleher-bruecke-verkehr-rollt-ab-januar-wieder-zweispurig-in-beide-richtungen-nordrhein-westfalen-stoesst-planungen-fuer-neub.html, abgerufen am 08.03.2022 um 14:12 Uhr

4 Vgl. https://www.duesseldorf.de/medienportal/pressedienst-einzelansicht/pld/hochstrasse-benedik-tusstrasse-belastung-wird-ende-maerz-auf-30-tonnen-reduziert.html, abgerufen am 08.03.2022 um 14:20 Uhr

5 Vgl. https://www.autobahn.de/die-autobahn/projekte/detail/a46-ersatzneubau-der-fleher-bruecke#uebersicht, abgerufen am 08.03.2022 um 14:18 Uhr

6 Vgl. https://www.stadt-koeln.de/artikel/03429/index.html, abgerufen am 08.03.2022 um 14:23 Uhr

7 Vgl. https://www.autobahn.de/die-autobahn/projekte/detail/a4plus-ausbau-im-koelner-sueden#ueber-sicht, abgerufen am 08.03.2022 um 14:26 Uhr

8 Vgl. https://www.autobahn.de/die-autobahn/projekte/detail/a4plus-ausbau-im-koelner-sueden#ueber-sicht, abgerufen am 08.03.2022 um 14:27 Uhr

9 Vgl. https://www.adac.de/der-adac/regionalclubs/nrw/rheinbruecken-nrw/, abgerufen am 08.03.2022 um 14:29 Uhr

10 Vgl. https://web.archive.org/web/20161008040654/https://www.strassen.nrw.de/presse/meldun-gen/2016/pi2016-1-902.html, abgerufen am 08.03.2022 um 14:33 Uhr

11 Vgl. https://www.bonnbewegt.de/node/1324, abgerufen am 09.03.2022 um 10:38 Uhr

12 Vgl. https://www.strassen.nrw.de/de/presse/meldungen/2016/pi2016-1-902.html, abgerufen am 09.03.2022 um 10:47 Uhr

13 Vgl. https://www.adac.de/der-adac/regionalclubs/nrw/rheinbruecken-nrw/, abgerufen am 08.03.2022 um 14:30 Uhr

14 Vgl. https://www.bonnbewegt.de/node/1403, abgerufen am 09.03.2022 um 10:36 Uhr