Bilanz der Öffentlichkeitskampagne „EXIT.NRW – Schutz vereint – Nordrhein-Westfalen gegen Zwangsheirat“

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 243
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias vom 01.08.2022

 

Bilanz der Öffentlichkeitskampagne „EXIT.NRW – Schutz vereint – Nordrhein-Westfalen gegen Zwangsheirat“

Zu Beginn der Sommerferien am 15. Juni 2021 startete die Landesregierung die Aufklärungs­kampagne „EXIT.NRW Schutz vereint – Nordrhein-Westfalen gegen Zwangsheirat“. Ziel war es, auf das Problem von Zwangsheiraten und das Schließen von Kinderehen während der Sommerferien aufmerksam zu machen. Gerade in den Sommerferien kommt es immer wieder zu zahlreichen Fällen von Zwangsverheiratungen. Die Betroffenen werden von Familienange­hörigen in andere Länder gebracht, wo diese Art der Verheiratung nicht rechtlich sanktioniert wird. Auch mit den jetzt beginnenden Sommerferien wird es wieder zu zahlreichen Fällen kommen.

Gemäß § 237 StGB sind solche Eheschließungen in Deutschland verboten und werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet. Auch die Verbringung eines Menschen ins Ausland durch Gewalt oder List, um dort die Eheschließung durchzuführen, steht unter Strafe. Es sind insbesondere junge Mädchen, die von beiden Formen der illegalen Verhei­ratung betroffen sind.1 Darüber hinaus weisen fast alle Betroffenen einen Migrationshinter-grund auf.2 Das unterstrich auch das Ministerium in seiner Pressemitteilung zum Start der Kampagne: „Die drei häufigsten Herkunftsländer der Familien der Mädchen und Frauen und jungen Männer, die Kontakt zur Fachberatungsstelle in Bielefeld aufgenommen haben, sind Syrien, die Türkei und der Irak. Darüber hinaus gibt es jedoch zahlreiche weitere Herkunftsländer, aus denen Anfragen erfolgten.“3

In 23 Städten in NRW sollten im Rahmen der Kampagne Plakate in Bussen und Bahnen angebracht werden, auf 1.000 Monitoren ein Kampagnenspot laufen. Daneben wurden eine Telefon-Hotline sowie eine Online-Beratung für Betroffene, Angehörige und Freunde angeboten. Dabei sollte die anonyme Beratung in 17 Sprachen angeboten werden.4 Im Nachgang der Kampagne wurden vom Ministerium keine weiteren Informationen zu Ablauf und Erfolg des Vorhabens veröffentlicht.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Kontaktaufnahmen gab es seit Beginn der Kampagne über die aufgeführten Meldewege? (Bitte um Angabe des Alters und der Staatsangehörigkeit der Klienten und der Art des Meldewegs)
  2. Wie viele Ermittlungsverfahren haben sich aus diesen Hinweisen bzw. auf anderem Wege seit Beginn der Kampagne ergeben? (Bitte nach Art der Ermittlungsverfahren und Zahl der eingeleiteten Verfahren aufschlüsseln)
  3. Wie ermittelt die Landesregierung den Straftatbestand dieser verbotenen Eheschlie­ßungen? (Mit der Bitte um Angabe hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Behörden, auch kommunalen Behörden wie z.B. Standesämtern)
  4. Wie viele Personen, die in NRW wohnhaft sind, sind in den Jahren 2020–2022 zwangsverheiratet worden? (Bitte um Angabe des Zeitpunkts, des Alters und der kulturellen Herkunft der Personen, dem Ort der Eheschließung (Land, Stadt, Standesamt), der Angabe der Staatsbürgerschaft und Aufschlüsselung nach Jahren)
  5. Wie hoch sind die Kosten, die im Zusammenhang mit der EXIT-Kampagne entstanden sind?

Enxhi Seli-Zacharias

 

Anfrage als PDF

 

1 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Zwangsverheiratung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen, Berlin 22011, 26.

2 Ebd., 28.

3 https://www.m hkbg.nrw/ministerin-scharrenbach-aufklaeren-und-informieren-landesregierung-nordrhein-westfalen-startet (abgerufen am 23.06.2022).

4 https://www.m hkbg.nrw/themen/gleichstellung/exitnrw/nordrhein-westfalen-gegen-zwangsheirat (abgerufen am 23.06.2022).


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 243 mit Schreiben vom 8. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie viele Kontaktaufnahmen gab es seit Beginn der Kampagne über die aufgeführ­ten Meldewege? (Bitte um Angabe des Alters und der Staatsangehörigkeit der Kli­enten und der Art des Meldewegs)

Es wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5969 vom 10. September 2021 der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Helmut Seifen der Fraktion der AfD (Drucksache 17/15175), insbesondere auf den dort erwähnten Bericht der Fachberatungsstel­len gegen Zwangsheirat Mädchenhaus Bielefeld e.V. und agisra e.V. Köln am 26. August 2021 vor dem Ausschuss für Gleichstellung und Frauen des Landtags Nordrhein-Westfalen verwie­sen.

Andere Erkenntnisse liegen der Landesregierung nicht vor.

  1. Wie viele Ermittlungsverfahren haben sich aus diesen Hinweisen bzw. auf ande­rem Wege seit Beginn der Kampagne ergeben? (Bitte nach Art der Ermittlungsver­fahren und Zahl der eingeleiteten Verfahren aufschlüsseln)

Die Generalstaatsanwältin und die Generalstaatsanwälte haben dem Ministerium der Justiz berichtet, dass in der Zeit vom 15. Juni 2021 bis zum 15. August 2022 bei den Staatsanwalt­schaften des Landes 53 Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs des § 237 StGB anhän­gig geworden sind. Davon richten sich neun Verfahren gegen „Unbekannt“. Ob die diesen Ver­fahren zugrundeliegenden Verdachtsmomente unter Beteiligung der „Meldewege“ der Kam­pagne oder auf anderem Wege den Ermittlungsbehörden zur Kenntnis gelangt sind, wird in den justiziellen Datenbanken nicht erfasst.

  1. Wie ermittelt die Landesregierung den Straftatbestand dieser verbotenen Ehe­schließungen? (Mit der Bitte um Angabe hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Be­hörden, auch kommunalen Behörden wie z.B. Standesämtern)

Die Landesregierung führt keine Ermittlungen im Hinblick auf Straftaten. Für Ermittlungen we­gen des Verdachts einer Straftat sind im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz aus­schließlich die Staatsanwaltschaften zuständig.

  1. Wie viele Personen, die in NRW wohnhaft sind, sind in den Jahren 20202022 zwangsverheiratet worden? (Bitte um Angabe des Zeitpunkts, des Alters und der kulturellen Herkunft der Personen, dem Ort der Eheschließung (Land, Stadt, Stan­desamt), der Angabe der Staatsbürgerschaft und Aufschlüsselung nach Jahren)

Der Landesregierung liegen keine vollständigen Daten dazu vor, wie viele Personen, die in Nordrhein-Westfalen wohnhaft sind, zwangsverheiratet worden sind. Es handelt sich um ein Delikt, bei dem davon auszugehen ist, dass es überwiegend im Dunkelfeld stattfindet.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2021 (Stand: 31. Dezember 2021) bildet für den Straftatbe­stand der Zwangsheirat (§ 237 StGB) das sogenannte „Hellfeld“ ab. Danach wurden in den Jahren 2020 (26) und 2021 (27) in Nordrhein-Westfalen insgesamt 53 Fälle polizeilich bear­beitet. Die Zahlen für 2022 stehen noch nicht zur Verfügung.

  1. Wie hoch sind die Kosten, die im Zusammenhang mit der EXIT-Kampagne entstan­den sind?

Die Gesamtkosten der Öffentlichkeitskampagne „EXIT.NRW – Schutz vereint – Nordrhein-Westfalen gegen Zwangsheirat“ beliefen sich auf rd.103.000 €.

 

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