Genitalverstümmelungen in NRW – Wo bleibt die Hilfe?

Antrag
vom 08.06.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 08.06.2021

 

Genitalverstümmelungen in NRW Wo bleibt die Hilfe?

I. Ausgangslage

Bereits im Februar 2019 wurde das Thema der weiblichen Genitalverstümmelung im Landtag Nordrhein-Westfalen thematisiert.1,2

Es wird davon ausgegangen, dass weltweit ca. 200 Millionen Frauen von der Genitalverstümmelung betroffen sind. Vor allem in Afrika sowie in Südostasien und im Nahen Osten wird diese Tradition praktiziert. Sie wird auch von vielen immigrierten und geflüchteten Familien in Deutschland gelebt, häufig als sogenannte „Ferienbeschneidung“ im Herkunfts-oder Ausland.

Die Dunkelzifferstatistik von Terre des Femmes vom Mai 2020 geht für Deutschland von rund 75.000 durch diese Art der Verstümmelung betroffenen Frauen aus; für Nordrhein-Westfalen liegen die Zahlen bei 15.217 betroffenen Frauen ab 18 Jahren und bei 4.682 für gefährdete Mädchen unter 18 Jahren.3

Großbritannien und Schweden haben mittlerweile auf die Problematik der Ferienbeschneidungen und der ansteigenden Zahlen in diesem Bereich reagiert. So wurde die Aktion „Löffel“ ins Leben gerufen, bei der sich Mädchen am Flughafen beim Check-In einen Löffel in die Unterwäsche stecken sollen, falls ihnen eine Ferienbeschneidung droht. Das Personal ist entsprechend geschult, dieses Warnsignal zu erkennen, die Mädchen zur Seite zu nehmen und entsprechende Hilfe- und Unterstützungsstellen zu benachrichtigen.4

Mit der Kleinen Anfrage 4636 vom 28. Oktober 2020 und der Antwort des MHKBG vom 01. Dezember 2020 wurde angezeigt, dass kein belastbares Datenmaterial bzgl. der weiblichen Genitalverstümmelung vorliegt und dass im Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis zum 30. September 2020 in der Polizeilichen Kriminalstatistik auch keine derartigen Straftaten erfasst worden sind. In der Strafverfolgungsstatistik wird lediglich im Jahre 2017 eine einzige Verurteilung gemäß § 226a StGB für den Zeitraum von 2014 bis 2019 aufgeführt.

Und dies, obwohl der § 226a StGB mit dem 47. Strafrechtsänderungsgesetz vom 24. September 2013 neu eingefügte wurde und eine Qualifikation zum § 223 StGB darstellt. Schutzzweck ist hierbei nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische Unversehrtheit des Opfers.

Seit 2012 normiert § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG), dass Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer und andere mit dem Kindeswohl beauftragte Geheimnisträger berechtigt sind, eventuelle Kindeswohlgefährdungen dem Jugendamt zu melden. Da diese Regelung nur wenig genutzt wird und bzgl. der Genitalverstümmelungen bis heute keine derartigen Meldungen vorliegen, wird schon seit 2012 über eine Pflicht zur Meldung bei dem Verdacht von Genitalverstümmelungen diskutiert.

II. Der Landtag stellt daher fest:

– Die Genitalverstümmelung stellt einen Sorgerechtsmissbrauch und einen eklatanten Menschenrechtsverstoß dar und ist als Akt der physischen und psychischen Gewalt – insbesondere gegenüber Kindern – zu ächten.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. im Bundesrat eine Gesetzesinitiative einzubringen, um in den Fällen der Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen durch Genitalverstümmelung § 226a StGB eine Meldepflicht in § 4 Absatz 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz für die in Absatz 1 aufgeführten Geheimnisträger einzuführen;
  2. in den Staatsanwaltschaften landesweit Abteilungen einzurichten, um Verfahren nach § 226a StGB voranzutreiben und das Dunkelfeld auszuleuchten;
  3. lokale Meldestellen einzurichten, die anonym bei (drohenden) Genitalverstümmelungen kontaktiert werden können.

Thomas Röckemann
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-5071.pdf (abgerufen am 28.05.2021).

2 http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-5067.pdf (abgerufen am 28.05.2021).

3 http://www.stop-mutilation.org/informationen.asp (abgerufen am 28.05.2021); https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/weibliche-genitalverstuemmelung/unser-engagement/aktivitaeten/1787-dunkelzifferstatistik-zu-weiblicher-genitalverstuemmelung (abgerufen am 09.06.2021).

4 https://www.kutairi.de/grid/flughafen/ (abgerufen am 28.05.2021).