Invasive Tierarten endlich wirksam bekämpfen – heimische Ökosysteme schützen – Auswirkungen auf Natur, Mensch und Wirtschaft ganzheitlich erfassen

Antrag
vom 15.08.2023

Antrag

der Fraktion der AfD

Invasive Tierarten endlich wirksam bekämpfen heimische Ökosysteme schützen Auswirkungen auf Natur, Mensch und Wirtschaft ganzheitlich erfassen

I. Ausgangslage

Im Gefolge des weltweiten Warenverkehrs dringen gebietsfremde Arten in unsere heimischen Ökosysteme vor und destabilisieren sie.

Selbst aus Sicht der EU-Kommission ist die Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten, so­wohl Tiere als auch Pflanzen, einer der Hauptfaktoren für den Verlust an biologischer Vielfalt. Nordrhein-Westfalen ist verpflichtet, die auf einer sog. Unionsliste aufgeführten Arten zu be­kämpfen, d. h. die bereits weit verbreiteten Arten zu „managen“ und die naturschutzfachlichen Auswirkungen invasiver Arten im Gebiet der Europäischen Union zu verhindern, zu minimieren oder wenigstens abzuschwächen und die Ausbreitung noch nicht etablierter Arten zu verhin­dern.

Diese Unionsliste enthält 88 invasive Tier- und Pflanzenarten von unionsweiter Bedeutung.1

In Nordrhein-Westfalen listet das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz 115 invasive Arten auf.2

Invasive Neobiota verdrängen heimische Arten und schleppen Krankheiten ein, gegen die es in den lokalen Populationen keine Resistenzen gibt. In Ermangelung von Fressfeinden breiten sie sich ungebremst aus oder sind selbst Fressfeinde heimischer Arten, die keine Anpassung an diese neue Bedrohung haben. Dabei verursachen invasive Pflanzen- und Tierarten neben den hohen ökologischen Schäden auch immer mehr wirtschaftliche und gesundheitliche Schä­den für den Menschen.

Die erfolgreiche Einbürgerung und Ausbreitung invasiver Arten geschieht meist auf Kosten der angestammten Flora und Fauna.

So sind die heimischen Wasserfrösche für den eingeschleppten afrikanischen Ochsenfrosch eine leichte Beute. Der amerikanische Flusskrebs bringt durch die von ihm übertragene Krebs­pest den heimischen europäischen Flusskrebs an den Rand des Aussterbens.

Waschbären fressen kleine Amphibien und Vögel, wo ihnen signifikante Bestandsrückgänge zugeschrieben werden. Besonders dramatisch sind die Gelegeverluste, die der Waschbär bei bedrohten Greifvögeln oder dem seltenen Schwarzstorch verursacht.

Neben negativen Auswirkungen auf die heimischen Ökosysteme können invasive Tierarten auch wirtschaftliche Schäden verursachen.

So verursachen Nutria und Bisamratten wiederholt Schäden an Deichen, die nicht nur den Hochwasserschutz verschlechtern, sondern auch mit Kosten verbunden sind.

Eine Studiengruppe des Senckenberg Forschungsinstituts hat 2021 detailliert die erfassten wirtschaftlichen Schäden durch gebietsfremde Arten in der EU für die vergangenen 60 Jahre ausgewertet und beziffert die finanziellen Schäden im Zeitraum von 1960 bis 2020 auf über 116 Milliarden Euro. Deutschland gehört zu den besonders betroffenen Ländern, wobei die berechneten Mindestzahlen der erfassten Schäden bei gut 8,21 Milliarden Euro liegen.

Indirekte Kosten, wie Gesundheitsschäden durch Kot und eingeschleppte Krankheiten oder ökologische Schäden, sind hierbei nicht einmal einbezogen.3

Laut einer Studie der Universität Wien übersteigen die Kosten im Zusammenhang mit invasi-ven Arten jene, die durch andere Umweltkatastrophen entstehen und lediglich von Stürmen übertroffen werden. Zudem sind die Schäden invasiver Arten für den Zeitraum seit der Jahr­tausendwende im Vergleich zu den Schäden für den Zeitraum 1980-1999 rasant um 700 Pro­zent gestiegen.4

Wissenschaftliche Studien betonen, dass nur für 2 Prozent der in der EU bekannten invasiven Arten die verursachten Kosten ermittelt werden. So sind in Deutschland nur 28 der knapp 200 als invasiv geführten Arten als wirtschaftlich schädigend anerkannt.5

In Anbetracht der Prognose der Studien, dass es bis 2040 zu einem erheblichen Anstieg der besonders kostspieligen Arten kommen wird, stellt dies eine massive Unterschätzung der Ge­fahr durch invasive Neobiota dar.6

Viele der als invasiv gelisteten Arten in Nordrhein-Westfalen breiten sich weiterhin stark aus und erhöhen ihre Bestände.

Die Nilgans hat ihren Bestand seit der ersten Erhebung Anfang der 1990er Jahre mit geschätz­ten 200 Tieren auf ca. 7000 ausgeweitet bei einer gleichzeitigen enormen Arealausweitung von 50 Kilometer pro Jahr.

Auch der Waschbär hat NRW vollständig besiedelt, wobei allein die ohnehin unvollständige Jagdstrecke einen massiven Populationszuwachs in kurzer Zeit impliziert. So betrug diese im Jahr 2017/2018 über 17.000 Exemplare, während sich diese für 2021/2022 auf über 25.000 steigerte.

Der Kamberkrebs ist in allen großen Gewässern und den Kanalsystemen Nordrhein-Westfa­lens zu finden. Hier wurde er vereinzelt in Talsperren und Teichen ausgesetzt.

Der Kamberkrebs wurde zuerst vor rund 100 Jahren von einer Einzelperson ausgesetzt, wobei man ihn sogar für eine „Bereicherung der heimischen Artenvielfalt“ hielt.

Dies führte dazu, dass es heute zwei heimische Krebsarten in NRW gibt – und sechs nicht­heimische.

Nutria gelten als etablierte Art, die ebenfalls einen starken Populationsanstieg verzeichnet. So wurden im Jagdjahr 2017/2018 rund 16.759 getötete Tiere gemeldet, während es im Jagdjahr 2021/2022 schon 27.614 Tiere waren.

Die Populationsentwicklung und geografische Ausbreitung der invasiven Tierarten zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung invasiver Tierarten wirkungslos waren.

So sind zur Reduktion der Nilgans-Population lokale Entnahmen zum Schutz gefährdeter Po­pulationen heimischer Arten weder bekannt noch geplant.

Der Waschbär wird neben der zwar landesweiten, aber für Jäger eigentlich unattraktiven Bejagung lediglich in einem Naturschutzgebiet mittels intensiver Fallenjagd in seinem Bestand reduziert. Andere konkrete Maßnahmen fanden lediglich punktuell statt oder hatten keine Re­duktion der Bestände zum Ziel.

Für beide invasive Arten zieht die Landesregierung keinerlei jagdrechtliche Maßnahmen auch nur in Betracht.

In Bezug auf den Kamberkrebs hat das LANUV zwar den Handel verboten, bekämpft invasive Krebse aber lediglich lokal.

Die tatsächliche Entfernung invasiver Arten aus den heimischen Ökosystemen gelang in der Vergangenheit lediglich lokal und singulär.

So wird die Entfernung des Ochsenfroschs aus einem Gewässer, in dem er bereits mehrere Jahre überwintert und sich erfolgreich fortgepflanzt hatte, als einziger konkreter Fall einer er­folgreichen Entfernung im Jahr 2018 angeführt.7

In Bezug auf die Bekämpfung invasiver Arten bedarf es eines völligen Umdenkens. Da die Einwanderung invasiver Arten in die heimischen Ökosysteme eine beständig hohe Dynamik aufweist, zugleich aber die Aufnahme weiterer invasiver Arten in die Unionsliste nur langsam erfolgt, muss der Fokus im hierarchischen Dreistufenkonzept zur Bekämpfung invasiver Arten viel stärker auf Präventions- und Sofortmaßnahmen sowie schnelle Tilgung gesetzt werden. Dazu wäre weitaus stärker auch auf die Warnliste des Bundesamtes für Naturschutz zu rekur­rieren, in der noch nicht vorkommende, aber potenziell invasive Arten bewertet werden.8 Insbesondere ist die Ausbreitung invasiver Arten in städtische Siedlungsräume zu unterbin­den, da sie dort besonders schwierig rückgängig zu machen ist.

Mithilfe der Erforschung potentiell invasiver Arten anhand ihrer ursprünglichen Lebensräume kann bereits jetzt eine vorbeugende Strategie zur Vermeidung oder, sofern nötig, eine reaktive Strategie zur Entfernung invasiver Tierarten aus unseren heimischen Ökosystemen erarbeitet werden. Dies empfiehlt auch ein Invasionsbiologe des Senckenberg Forschungsinstituts in Gelnhausen.9

Nichtsdestotrotz bedarf es des politischen Willens, unsere heimischen Ökosysteme zu schüt­zen und in ihrer natürlich gewachsenen Zusammensetzung zu erhalten. Wie zahlreiche Stu­dien implizieren, kann die Vernachlässigung der Bekämpfung zu weit höheren, nicht nur öko­logischen Schäden führen.

Um die Sensibilität für die wirtschaftliche Notwendigkeit der Bekämpfung invasiver Tierarten zu erhöhen, sollte daher für alle invasiven Neozoen auch ein Monitoring in Bezug auf deren Kosten eingeführt werden.

So werden die wirtschaftlichen Schäden, die bspw. Nutria an Deichen und Gewässern anrich­ten, nicht einmal artspezifisch erfasst, wenngleich die Landesregierung erklärt: „Bei der Be­kämpfung der Nutria steht in erster Linie die Verringerung wasser- oder landwirtschaftlicher Schäden im Fokus.“10 Doch wie sollen die Schäden verringert werden, wenn man nicht einmal deren Höhe beziffern kann?

Um invasive Arten endlich wirksam zu bekämpfen und auch dauerhaft aus unseren heimi­schen Ökosystemen zu entfernen, müssen neben jagdrechtlichen Anpassungen und Anreizen auch die Bestimmungen des Tierwohls und Tierschutzes angepasst werden, damit invasive Arten nicht von den Schutzmaßnahmen für heimische Arten profitieren, die sie bedrohen.

Eine tatsächliche Zurückdrängung invasiver Arten ist möglich, wie das Beispiel der Nutria in den Niederlanden zeigt, wo die einzigen Populationen aus dem deutschen Grenzgebiet ein­wandern.

II. Der Landtag stellt fest,

  • dass invasive Arten eine der größten Bedrohungen für die heimische Artenvielfalt dar­stellen;
  • dass das Land Nordrhein-Westfalen seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen zur Be­kämpfung invasiver Arten bisher unzureichend nachgekommen ist;
  • dass bisher keine einzige invasive Art dauerhaft wieder aus unseren heimischen Öko­systemen entfernt wurde;
  • dass die bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung invasiver Neobiota wirkungslos wa­ren.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. bei der Bekämpfung invasiver Arten als Ziel die dauerhafte Entfernung aus unseren hei­mischen Ökosystemen zu verfolgen.
  2. ein artspezifisches Monitoring für die durch in NRW lebende invasive Neozoen verur­sachten wirtschaftlichen Schäden und finanziellen Aufwendungen zu deren Bekämpfung durchzuführen.
  3. eine Potentialanalyse für die nordrhein-westfälischen Lebensräume durchzuführen, um zu erkennen, welche invasiven Arten in unsere heimischen Ökosysteme eindringen könnten.
  4. die finanziellen Mittel zur Bekämpfung invasiver Tierarten zu erhöhen.
  5. Bestimmungen des Jagdrechts und Vorgaben des Tierschutzes, die die Bekämpfung invasiver Tierarten hemmen, zu beseitigen.

Zacharias Schalley

Andreas Keith

Dr. Martin Vincentz

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://neobiota.bfn.de/unionsliste/art-4-die-unionsliste.html

2 https://neobiota.naturschutzinformationen-nrw.de/neobiota/de/arten

3 https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/invasive-arten-verursachen-mehr-116-milliarden-euro-schaeden-584066

4 https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/invasive-ar-ten-richten-so-viel-schaden-an-wie-naturkatastrophen/?mtm_campaign=presse&mtm_kwd=idw

5 https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/invasive-arten-verursachen-mehr-116-milliarden-euro-schaeden-584066

6 https://www.laborpraxis.vogel.de/wirtschaftlicher-schaden-durch-invasive-arten-deutlich-hoeher-als-angenommen-a-e9c2658ba01511f6aa1759440df422ea/

7 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Doku-ment?Id=MMD17/1646|00000|00000

8 https://www.bfn.de/sites/default/files/BfN/service/Dokumente/skripten/skript331.pdf

9 https://www.welt.de/wissenschaft/plus245684532/Jagd-auf-Pythons-Kann-vorkommen-dass-wir-buchstaeblich-auf-der-Schlange-stehen.html

10 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV18-1297.pdf 4