Kleine Anfrage 4292
der Abgeordneten Enxhi Seli-Zacharias AfD
Ist das umstrittene „Chancen-Aufenthaltsrecht“ bereits gescheitert?
Wie aus einer Kleinen Anfrage der Bundestagsabgeordneten Curio, Dr. Baumann und Hess der AfD-Fraktion an die Bundesregierung hervorgeht, sind die bisherigen Erfolge des sogenannten Chancen-Aufenthaltsrechts bundesweit mehr als bescheiden.1
Grundsätzlich waren zum Stichtag 31. Oktober 2022 bundesweit 137.373 ausreisepflichtige Personen im Besitz einer Duldung, verbunden mit einer Aufenthaltsdauer von mindestens 5 Jahren. Davon haben mit Stichtag 31. Mai 2024 – also in den ersten 17 Monaten seit der Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts – zwar 69.751 Personen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c Absatz 1 AufenthG erhalten, lediglich 2.894 Personen war allerdings bis zum besagten Stichtag der Übergang zu einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a oder § 25b des AufenthG gelungen.
Von den 69.751 Personen erhielten 33.628 ihren Aufenthaltstitel erstmals im ersten Halbjahr 2023, 27.188 im zweiten Halbjahr 2023 und lediglich noch 8.928 von Januar bis Mai 2024. Von daher ist bereits jetzt absehbar, dass der weit überwiegende Teil der Antragsteller auch nach 18 Monaten nicht die geringen Voraussetzungen gemäß § 25a oder § 25b des AufenthG erfüllen wird und somit in den Status der Duldung zurückfallen wird, um in der Folgezeit – trotz erneut bestehender Ausreisepflicht – voraussichtlich trotzdem überwiegend nicht abgeschoben zu werden.
Auffällig bei der Verteilung der befristeten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 104c Absatz 1 AufenthG ist der Umstand, dass 19.550 dieser Aufenthaltserlaubnisse – oder 28 % – auf NRW entfallen.
Bei der Frage nach der Anzahl zurückgezogener Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 104c Absatz 1 bzw. §§ 25a und b AufenthG verwies die Bundesregierung auf die Zuständigkeit der Länder.
Auffällig ist zudem auch die Anzahl der erteilten Aufenthaltserlaubnisse gemäß §§ 25a und b AufenthG im Zeitraum 2020 bis 2022 (vor Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts) sowie im Zeitraum 2023 bis 31.05.2024 (ohne vorherige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c Absatz 1 AufenthG). Während die Anzahl vor der Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts bei durchschnittlich ca. 11.000 pro Jahr lag, erhöhte sich der Wert danach auf ca. 18.000 pro Jahr.
Aus der Kleinen Anfrage 4102 geht in Bezug auf das Chancen-Aufenthaltsrecht zusätzlich hervor, dass mit Stand 2024 in NRW bisher 24.659 Anträge gestellt wurden, zugleich aber lediglich 18.972 Aufenthaltserlaubnisse erfasst waren. Von daher ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Anteil der Anträge abgelehnt wird. Aus der Antwort der Landesregierung auf Frage 11 der Großen Anfrage 14 ging schließlich die Anzahl der erteilten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 104 c, Absatz 1 AufenthG differenziert nach den 81 kommunalen Ausländerbehörden hervor.2
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Aufenthaltserlaubnisse nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht haben die 81 kommunalen Ausländerbehörden in NRW bisher erteilt? (Bitte analog zur Tabelle 8 der Großen Anfrage 14 listen und neben den Top-8-Hauptherkunftsländern auch in einer Zahl die weiteren Aufenthaltserlaubnisse für andere Herkunftsländer listen)
- Wie viele Aufenthaltserlaubnisse nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht haben die 81 kommunalen Ausländerbehörden in NRW bisher – nach erfolgter Beantragung – nicht erteilt? (Bitte auch möglichst differenziert nach den 81 kommunalen Ausländerbehörden listen)
- Wie vielen Personen ist in NRW bisher der Übergang von einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c Absatz 1 AufenthG zu einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a oder § 25b AufenthG gelungen? (Bitte auch möglichst differenziert nach den 81 Kommunalen Ausländerbehörden listen)
- Wie viele Personen konnten bisher nach Ablauf der 18-monatigen Frist zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine dauerhaften Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a oder § 25b AufenthG diese Voraussetzungen nicht erfüllen und sind somit in den Status der Duldung zurückgefallen? (Bitte auch möglichst differenziert nach den 81 Kommunalen Ausländerbehörden listen)
- Aus der Antwort der Bundesregierung geht eine erhebliche Abflachung der erteilten temporären Aufenthaltserlaubnisse gemäß 104c Absatz 1 AufenthG im Jahr 2024 hervor. Wie viele entsprechende Aufenthaltserlaubnisse wurden in NRW im ersten Halbjahr 2023, im zweiten Halbjahr 2023, im ersten Halbjahr 2024 sowie seit dem 1. Juli 2024 erteilt?
Enxhi Seli-Zacharias
1 Vgl. Deutscher Bundestag Drucksache 20/12397
2 Vgl. Große Anfrage 14; Lt.-Drucksache 18/8284; Tabelle 8 zu Frage 1
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4292 mit Schreiben vom 16. September 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie viele Aufenthaltserlaubnisse nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht haben die 81 kommunalen Ausländerbehörden in NRW bisher erteilt? (Bitte analog zur Tabelle 8 der Großen Anfrage 14 listen und neben den Top-8-Hauptherkunftsländern auch in einer Zahl die weiteren Aufenthaltserlaubnisse für andere Herkunftsländer listen)
Im Ausländerzentralregister waren für Nordrhein-Westfalen zum Stichtag 31.07.2024 insgesamt 19.431 Personen mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 104c AufenthG erfasst.
- Wie viele Aufenthaltserlaubnisse nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht haben die 81 kommunalen Ausländerbehörden in NRW bisher – nach erfolgter Beantragung – nicht erteilt? (Bitte auch möglichst differenziert nach den 81 kommunalen Ausländerbehörden listen)
- Wie vielen Personen ist in NRW bisher der Übergang von einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c Absatz 1 AufenthG zu einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a oder § 25b AufenthG gelungen? (Bitte auch möglichst differenziert nach den 81 Kommunalen Ausländerbehörden listen)
- Wie viele Personen konnten bisher nach Ablauf der 18-monatigen Frist zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine dauerhaften Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a oder § 25b AufenthG diese Voraussetzungen nicht erfüllen und sind somit in den Status der Duldung zurückgefallen? (Bitte auch möglichst differenziert nach den 81 Kommunalen Ausländerbehörden listen)
Die Fragen 2 bis 4 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Daten können dem Ausländerzentralregister nicht entnommen werden, da hier lediglich erteilte Aufenthaltstitel erfasst werden. Die Landesregierung hat noch während des Gesetzgebungsverfahrens damit begonnen, Daten zum Chancen-Aufenthaltsrecht zu erfassen und seither fortgesetzt. Mit Stand von Mai 2024 (aktuellste Daten) sind in Nordrhein-Westfalen 2.240 abgelehnte Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG von den Ausländerbehörden gemeldet worden, während zu diesem Datum bereits 172 Übergänge aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht in einen Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG und 788 Übergänge in einen Aufenthaltstitel nach § 25b AufenthG registriert sind. Hinzukommen 13 Ablehnungen eines Antrags auf eine Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 25a, 25b AufenthG von früheren Begünstigten des §104c AufenthG.
- Aus der Antwort der Bundesregierung geht eine erhebliche Abflachung der erteilten temporären Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 104c Absatz 1 AufenthG im Jahr 2024 hervor. Wie viele entsprechende Aufenthaltserlaubnisse wurden in NRW im ersten Halbjahr 2023, im zweiten Halbjahr 2023, im ersten Halbjahr 2024 sowie seit dem 1. Juli 2024 erteilt?
Im Ausländerzentralregister waren für Nordrhein-Westfalen zum Stichtag 30.06.2023 insgesamt 6.395, zum Stichtag 31.12.2023 insgesamt 14.746, zum Stichtag 30.06.2024 insgesamt 18.972 sowie zum Stichtag 31.07.2024 insgesamt 19.431 Personen mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 104c AufenthG erfasst.