Klage als letztes Mittel auf einen Kitaplatz

Kleine Anfrage
vom 15.02.2024

Kleine Anfrage 3322

des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD

Klage als letztes Mittel auf einen Kitaplatz

Seit mehr als zehn Jahren besteht der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr. In der Praxis gestaltet sich die Durchsetzung jedoch als problematisch. Der Fachkräftemangel stellt hierbei das Hauptproblem dar. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass in Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 400.000 Kita-Plätze fehlten.1 Somit wird deutlich, dass selbst nach mehr als zehn Jahren seit der Einführung des Rechtsanspruchs die Erfüllung für alle noch immer nicht gewährleistet ist.

Diejenigen, die keinen Kita-Platz erhalten, können sich aufgrund des bestehenden Rechtsanspruchs zumindest theoretisch vor Gericht durchsetzen. Rechtswissenschaftler Prof. Reinhard Wiesner, der seinerzeit den Rechtsanspruch als Referatsleiter im Bundesfamilienministerium mit auf den Weg gebracht hatte, meint:

„Wir haben jetzt – und da gibt’s immer mehr Entscheidungen – die Fälle, wo die Eltern vor Gericht Recht bekommen haben, aber sie faktisch letztlich den Platz nicht bekommen haben.“2

Das Hindernis liegt erneut im Personalmangel. Betroffene Eltern sehen sich häufig gezwungen, erneut zu klagen, dieses Mal auf Schadensersatz, weil sie ihr Kind beispielsweise in einer kostspieligen Privatbetreuung unterbringen mussten, oder zur Geltendmachung von Einkommenseinbußen, da sie aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten nicht arbeiten konnten.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Klagen auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung gab es in Nordrhein-Westfalen seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz am 1. August 2013? (Bitte nach Anzahl der Anträge, Kommune und Jahr aufschlüsseln)
  2. Wie vielen Eltern wurde nach einer Klage auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung seit dem 1. August 2023 ein Kita-Platz angeboten? (Bitte nach Anzahl der angebotenen Kita-Plätze, Kommune und Jahr aufschlüsseln)
  3. Worauf haben die klagenden Eltern Anspruch, wenn die Kommune trotz erfolgreicher Klage keinen Betreuungsplatz anbieten kann?
  4. Wie hoch ist bei einer erfolgreichen Klage am Landgericht der jeweilige Schadensersatz für die Eltern ausgefallen? (Bitte nach Klage und Höhe des Schadensersatzes aufschlüsseln)
  5. Aus welchen Gründen wurde der Schadensersatz eingeklagt? (Bitte nach Verdienstausfall und Mehrkosten durch private Betreuungsangebote aufschlüsseln)

Zacharias Schalley

 

MMD18-8030

 

1 https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/kitaplaetze-studie-100.html (abgerufen am 02.02.2024)

2 https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/kita-platz-rechtsanspruch-praxis-100.html (abgerufen am 02.02.2024)

3 Ebd.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 3322 mit Schreiben vom 13. März 2024 namens der Landesregierung im Ein­vernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.

  1. Wie viele Klagen auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung gab es in Nordrhein-Westfalen seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz am 1. August 2013? (Bitte nach Anzahl der Anträge, Kommune und Jahr aufschlüsseln)

Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bereits seit 1996 gilt. Zum 1. August 2013 wurde ergänzend der Rechtsanspruch für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ein­geführt.

Der Anspruch nach § 24 Absatz 2 und 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) auf Förde­rung in einem Angebot der Kindertagesbetreuung richtet sich gegen den Träger der öffentli­chen Jugendhilfe, d.h. gegen das örtlich zuständige Jugendamt. Dieses ist im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung für die Planung und Realisie­rung eines bedarfsgerechten Angebotes in der Kindertagesbetreuung und damit für eine um­fassende Jugendhilfeplanung verantwortlich. Es ist verpflichtet, die individuelle Bedarfslage der jeweiligen Familien zu berücksichtigen und angemessene Betreuungsplätze in zumutbarer Entfernung zum Wohnbereich anzubieten.

Bei der Erfüllung der Rechtsansprüche unterstützt das Land die Jugendämter durch Investiti­onsprogramme zur Schaffung zusätzlicher Plätze und durch die Förderung der Betriebskosten mit Mitteln nach dem KiBiz.

Da die Gewährleistung der Rechtsansprüche und der Ausbau des Platzangebots entspre­chend dem Bedarf aber Aufgabe der örtlichen Ebene bleibt, liegen der Landesregierung keine Daten zu Klageverfahren auf einen Betreuungsplatz vor.

  1. Wie vielen Eltern wurde nach einer Klage auf einen Betreuungsplatz in einer Kin­dertageseinrichtung seit dem 1. August 2023 ein Kita-Platz angeboten? (Bitte nach Anzahl der angebotenen Kita-Plätze, Kommune und Jahr aufschlüsseln)

Siehe Antwort auf Frage 1.

  1. Worauf haben die klagenden Eltern Anspruch, wenn die Kommune trotz erfolgrei­cher Klage keinen Betreuungsplatz anbieten kann?

Wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe den Rechtsanspruch nicht erfüllt und die Eltern deshalb einen Betreuungsplatz für ihr Kind selbst beschaffen, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in analoger Anwendung von § 36a Absatz 3 Satz 1 SGB VIII ein Anspruch auf Ersatz der damit verbundenen Aufwendungen bestehen (BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 5 C 19/16). Der Anspruch auf Aufwendungsersatz setzt unter anderem voraus, dass der Jugendhilfeträger rechtzeitig über den Betreuungsbedarf in Kenntnis gesetzt wurde.

Der Anspruch auf Aufwendungsersatz erlischt, wenn der Jugendhilfeträger nachträglich einen geeigneten Betreuungsplatz anbietet und dem anspruchsberechtigten Kind unter Berücksich­tigung des Kindeswohls und der Verpflichtung zu wirtschaftlichem Handeln ein Einrichtungs­wechsel zumutbar ist.

Erleidet ein Elternteil infolge der Nichtbereitstellung eines Betreuungsplatzes einen Verdienst-ausfallschaden, weil auf dem freien Markt keine alternative Betreuungsmöglichkeit für das Kind gefunden wird und der Elternteil zur Sicherstellung der Betreuung seine Erwerbstätigkeit unterbrechen muss oder diese nicht (wieder) aufnehmen kann, kann ihm je nach Lage des Einzelfalls unter Umständen ein Anspruch auf Schadensersatz aus Amtshaftung gemäß § 839 Absatz 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2016 – III ZR 278/15).

  1. Wie hoch ist bei einer erfolgreichen Klage am Landgericht der jeweilige Schadens­ersatz für die Eltern ausgefallen? (Bitte nach Klage und Höhe des Schadensersat­zes aufschlüsseln)

Siehe Antwort auf Frage 1.

  1. Aus welchen Gründen wurde der Schadensersatz eingeklagt? (Bitte nach Ver­dienstausfall und Mehrkosten durch private Betreuungsangebote aufschlüsseln)

Siehe Antwort auf Frage 1.

 

MMD18-8477