Kleine Anfrage 10.08.2017
des Abgeordneten Sven W. Tritschler AfD
Finanzminister Lutz Lienenkämper erklärte in seinem Interview mit der Rheinischen Post vom 28. Juli 2017, dass die Landesregierung weiterhin den Ankauf rechtswidrig erworbener Daten (sogenannter „Steuer-CDs“) beabsichtige.
Der stellvertretende Ministerpräsident Joachim Stamp erklärte dagegen derselben Zeitung, dass man „mafiöse Strukturen“ durch solche Ankäufe jedenfalls nicht unterstützen wolle.
Der Kauf gestohlener Daten ist umstritten und wurde in der Vergangenheit von anderen Bundesländern abgelehnt. Derweil ist das Land Nordrhein-Westfalen Spitzenreiter bei dieser staatlich sanktionierten Form der Hehlerei.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Ankäufe von Datenträgern mit gestohlenen Inhalten („Steuer-CDs“) haben inzwischen stattgefunden?
- Wie hoch ist die Gesamtsumme der dafür an die Datendiebe und/oder Mittelsmänner bezahlten Entgelte?
- Von wie vielen Bürgern Nordrhein-Westfalens waren auf den oben genannten Datenträgern Informationen gespeichert?
- In wie vielen Fällen konnte ausschließlich aufgrund der wie oben beschrieben erworbenen Daten ein rechtswidriges Verhalten von Bürgern nachgewiesen werden und falls es sich in diesen Fällen um Steuerhinterziehung oder -verkürzung handelte, wie hoch ist die Summe der Steuern, die hierdurch nachträglich eingenommen werden konnten?
- Wie genau unterscheiden sich einfache Datendiebe von den von Minister Stamp angesprochenen „mafiösen Strukturen“ und welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um diese Unterscheidung vornehmen zu können?
Sven W. Tritschler
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 178 im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen wie folgt:
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Finanzverwaltung ist von Amts wegen dazu verpflichtet, alle Anhaltspunkte auf Straftaten — also auch Hinweise auf Datenträgern — zu überprüfen. Mit dem Gesetz zur Wiedereinführung der Vorratsdaten-speicherung vom 10.12.2015 wurde eine Regelung in das Strafgesetzbuch eingefügt, nach der der Erwerb von Daten, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, nicht strafbar ist, sofern der Erwerb ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher Pflichten dient. Hierzu gehört insbesondere die Verwertung der Daten in einem Besteu-erungs- oder Strafverfahren.
Frage 1 Wie viele Ankäufe von Datenträgern mit gestohlenen Inhalten („Steuer-CDs“) haben inzwischen stattgefunden?
Frage 2 Wie hoch ist die Gesamtsumme der dafür an die Datendiebe und/oder Mittelsmänner bezahlten Entgelte?
Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet.
Insgesamt wurden durch die nordrhein-westfälischen Landesregierungen seit dem Jahr 2010 elf Datenträger beschafft. Daraus und aus den dadurch ausgelösten Selbstanzeigen und deren Nutzbarmachung sind Mehreinnahmen von schätzungsweise rund 2,4 Milliarden Euro erwachsen. Für den Erwerb wurden netto rund 19,4 Millionen Euro gezahlt. Diese Informationen stehen auch auf der Internetseite des Ministeriums der Finanzen zur Verfügung.
Frage 3 Von wie vielen Bürgern Nordrhein-Westfalens waren auf den oben genannten Datenträgern Informationen gespeichert?
Die bisherige Auswertung der erworbenen Informationen ergab, dass bislang insgesamt 3.989 nordrhein-westfälische Anleger namentlich auf den Datenträgern aufgeführt sind.
Frage 4 In wie vielen Fällen konnte ausschließlich aufgrund der wie oben beschrieben erworbenen Daten ein rechtswidriges Verhalten von Bürgern nachgewiesen werden und falls es sich in diesen Fällen um Steuerhinterziehung oder- verkürzung handelte, wie hoch ist die Summe der Steuern, die hierdurch nachträglich eingenommen werden konnten?
Eine Angabe über die Anzahl der Fälle, in denen der Nachweis einer Steuerstraftat ausschließlich aufgrund der angeschafften Daten erbracht wurde, kann aufgrund fehlender statistischer Daten nicht gemacht werden.
Frage 5 Wie genau unterscheiden sich einfache Datendiebe von den von Minister Stamp angesprochenen „mafiösen Strukturen“ und welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um diese Unterscheidung vornehmen zu können?
Die Äußerungen des Ministers sind so zu verstehen, dass der Finanzverwaltung zugehende Erkenntnisse zu Steuersachverhalten grundsätzlich überprüft werden sollen. Es muss dabei sichergestellt werden, dass der Staat keine Anreize für organisierte kriminelle Handlungen setzt. Die Landesregierung wird daher – wie bisher – werthaltige Informationen, die ihr als Hinweise zugehen, dienstlich sachgerecht für ihre Arbeit verwenden. Dies setzt auch voraus, sich mit der Herkunft von Daten und den damit im Zusammenhang stehenden Personenkreisen näher zu befassen. Allen bislang erfolgten Erwerben so genannter Steuer-CDs ist gemein, dass die Anbieter anonym an das Land Nordrhein-Westfalen herantraten und die Personen, die hinter den Verkäufen standen, der jeweiligen Landeregierung unbekannt waren. Bei den bisherigen Anbietern handelte es sich aufgrund der im Vorfeld der Ankäufe durchgeführten Überprüfungen erkennbar immer um einzelne, unabhängig voneinander handelnde Akteure. Anzeichen für das Vorliegen organisierter Strukturen gab es bislang nicht. Sollten sich bei der genauen Überprüfung der Angebote Hinweise auf bandenmäßig agierende Anbieter ergeben, wäre das Angebot zu verwerfen.
Mit freundlichen Grüßen,
Lutz Lienenkämper