Nutzen und Kosten der NRW-Vertretungen in Berlin und Brüssel

Kleine Anfrage
vom 25.08.2017

Kleine Anfrage vom 25.08.2017
des Abgeordneten Herbert Strotebeck AfD

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Prolog: Das Land NRW unterhält in Berlin und Brüssel jeweils eine Vertretung.

Die NRW-Vertretung in Berlin bezeichnet sich als „Botschaft des Westens“.1 In der Vertretung auf einem 5500 m2 Grundstück würde die „gesamte Vielfalt Nordrhein-Westfalens“ gezeigt. Das Haus sei zudem „eine der wichtigen kommunikativen Bühnen Berlins“. Für die Monate September und Oktober sind drei Termine angekündigt.2 Die letzte Pressemeldung stammt vom 7. Juli 2017.

Schon vor einem Jahr war folgendes Urteil über die NRW-Vertretung in der Presse zu lesen: „Die NRW-Landesvertretung in der Hauptstadt Berlin sei nicht mehr der Ort, von dem wichtige Anregungen für die Bundespolitik ausgehen, beklagen Forscher. Es fehle an Ideen und Inte-resse.“3

Die Landesvertretung in Brüssel bezeichnet ihre Kernaufgaben als „informieren, artikulieren, repräsentieren“.4 30 Mitarbeiter „beobachten und analysieren die Politik auf der europäischen Ebene“ in der Vertretung. Für die Monate September und Oktober sind zwei Termine ange­kündigt: „Fußball-Fan-Kultur zwischen Emotion und Kommerz“ und „Von der Kälte- und Wärme-Strategie zum EU-Winterpaket“.

Die AfD forderte in ihrem Programm zur NRW-Landtagswahl eine „deutliche Verschlankung“ der Landesvertretung in Brüssel.

Daher frage ich die Landesregierung:

  1. Wie entwickeln sich die jährlichen Kosten für die NRW-Vertretung in Berlin (bitte auf­schlüsseln nach Gesamtkosten, Veranstaltungskosten, Personalkosten und Anzahl Stel­len gesamt, Anzahl Beamte für die Jahre 2013 bis 2016)?
  2. Wie entwickeln sich die jährlichen Kosten für die NRW-Vertretung in Brüssel (bitte auf­schlüsseln nach Gesamtkosten, Veranstaltungskosten, Personalkosten und Anzahl Stel­len gesamt, Anzahl Beamte für die Jahre 2013 bis 2016)?
  3. Welche Arbeit führt die NRW-Vertretung in Berlin aus, welche nicht mehrheitlich von Büros bzw. Mitarbeitern in Düsseldorf und im Bundesrat wahrgenommen werden könnte?
  4. Welche Arbeit führt die NRW-Vertretung in Brüssel aus, welche nicht mehrheitlich von der deutschen Botschaft in Brüssel und Büros bzw. Mitarbeitern in Düsseldorf wahrge­nommen werden könnte?
  5. In welchen Bereichen sieht die Landesregierung Sparpotential bei den Vertretungen in Berlin und Brüssel?

Herbert Strotebeck

1 https://www.mbem.nrw/de/lv-bund

2 https://www.m bem.nrw/de/term invorschau-berlin

3 https://www.derwesten.de/politik/politikwissenschaftler-nrw-verliert-einfluss-in-berlin-id12215184.html

4 https://mbem.nrw/de/landesvertretung-bruessel

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 235 wie folgt:

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Landesvertretungen in Berlin und Brüssel haben sich seit ihrem Bestehen als aktive Instrumente der Interessenvertretung des Landes in der Bundeshauptstadt und in Brüssel erwiesen.

Insbesondere für die Landesvertretung Nordrhein-Westfalen in Berlin gilt, dass ein Schwerpunkt ihrer Arbeit im Bereich der Mitwirkung des Landes im Bundesrat als einem der Verfassungsorgane liegt. Gemäß Art. 50 GG wirken die Länder im föderalen System der Bundesrepublik bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und nach Art 23 GG auch in Angelegenheiten der Europäischen Union über den Bund mit. Die Ausgestaltung dieser Mitwirkung wird von der jeweiligen Landes­regierung geprägt und ist daher originärer Bestandteil ihres aktiven politischen Gestaltungswillens. Nordrhein-Westfalen nimmt diesen verfassungsmäßigen Auftrag als Schnittstelle zwischen Bundes- und Landespolitik — wie alle anderen Länder — auch über die Landesvertre­tung wahr. Die ständige Präsenz aller Länder in der Bundeshauptstadt über ihre Landesvertretungen stellt eine spezifische Ausprägung des deutschen Föderalismus dar.

Dabei gehen die Aufgaben der Landesvertretungen weit über die Mitwir­kungen im Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene bzw. bei der In­teressenvertretung auf europäischer Ebene hinaus. Weiterhin ist ein Schwerpunkt der Arbeit der NRW-Vertretungen die Außendarstellung des Landes durch eine Vielzahl von Veranstaltungen.

Die vom Fragesteller festgestellte geringe Anzahl an Veranstaltungen in den Vertretungen ist durch die Landtagswahl 2017 begründet, in deren Vorfeld — wie vor jeder Landtagswahl — aus Gründen der gebotenen Zu­rückhaltung in Wahlkampfzeiten weniger Veranstaltungen stattfanden. Zudem hatte die bisherige Landesregierung für die Zeit nach der Land­tagswahl nur einige wenige Veranstaltungen geplant, um einer neuen Landesregierung Gelegenheit zu geben, das Veranstaltungshandeln nach deren Vorstellungen zu gestalten. Des Weiteren ist darauf hinzu­weisen, dass interne Besprechungen und andere nicht-öffentliche Ver­anstaltungen auf den Webseiten der Landesvertretungen nicht veröf­fentlicht werden. Dass die letzte Pressemitteilung der Vertretung beim Bund von Anfang Juli 2017 datierte, war durch die inzwischen beendete parlamentarische Sommerpause auf Bundesebene bedingt.

Es ist der Wille der Landesregierung, das Gewicht Nordrhein-Westfalens in Berlin und Brüssel stärker einzubringen. Eine Schwä­chung der Landesvertretungen würde diesem Ziel entgegenstehen. Vielmehr hat die Landesregierung mit der Ernennung des Staatssekre­tärs für Bundesangelegenheiten, Europa sowie Internationales mit Dienstsitz in Berlin ein klares Bekenntnis zur Aufwertung der Vertretung des Landes beim Bund gesetzt. Auch die Vertretung bei der Europäi­schen Union soll einen wesentlichen Bedeutungszuwachs erfahren.

  1. Wie entwickeln sich die jährlichen Kosten für die NRW-Vertretung in Berlin (bitte aufschlüsseln nach Gesamtkosten, Veranstaltungskosten, Personalkosten und Anzahl Stellen gesamt, Anzahl Beamte für die Jahre 2013 bis 2016)?
Jahr Gesamtkosten Veranstaltungskosten
2013 7.652.274,89 € 317.847,03 €
2014 7.005.470,40 E 142.744,86 E
2015 7.176.819,72 E 274.458,00 E
2016 7.706.972,83 E 278.419,79 E

 

Jahr

Stellen

Personalkosten
Planstellen Stellen Abordnungsstellen
2013 9 28 10 2.996.352.77 €
2014 9 29 10 3.111.764,29 E
2015 9 29 10 2.951.218,03 E
2016 10 27 9 3.177.018,35 €

 

  1. Wie entwickeln sich die jährlichen Kosten für die NRW-Vertretung in Brüssel (bitte aufschlüsseln nach Gesamtkosten, Veranstaltungskosten, Personalkosten und Anzahl Stellen gesamt, Anzahl Beamte für die Jahre 2013 bis 2016)?
Jahr Gesamtkosten Veranstaltungskosten
2013 4.012.626,21 E 132.210,62 E
2014 3.816.748,35 E 47.677,26 E
2015 3.928.374,33 € 133.555,33 €
2016 4.432.875,40 E 248.100,55 €

 

Jahr

Stellen

Personalkosten
Planstellen Stellen Abordnungs-
stellen
Stellen für
Ortskräfte
2013 8 2 10 10 2.289.999,13 E
2014 7 1 10 10 2.248.992,54 E
2015 5 1 10 10 2.158.320,29 E
2016 5 0 10 10 2.185.651,86 €

 

  1. Welche Arbeit führt die NRW-Vertretung in Berlin aus, welche nicht mehrheitlich von Büros bzw. Mitarbeitern in Düsseldorf und im Bundesrat wahrgenommen werden könnte?

Die Vielzahl und das Qualitätsniveau der Veranstaltungen der Landes­vertretung bedingen die Beschäftigung der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, die ständig für Kooperationspartner und Fremd­firmen für die organisatorische und technische Durchführung vor Ort ansprechbar sein müssen.

Im Bundesrat nehmen die Länder Einfluss auf die Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes. Die Landesvertretung in Berlin nimmt daher für die Landesregierung im Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen wahr. Konkret wird dieser Gestaltungsanspruch in den Fachausschüssen des Bundesrates um­gesetzt. Hier beraten die Länder die Gesetzesvorlagen des Bundes und können diese gestützt auf ihre Erfahrung im Verwaltungsvollzug ver­ändern und mitgestalten. Dieser Prozess wird begleitet von Ab­stimmungen zwischen den Ländern selbst sowie mit Vertretern der Institutionen des Bundes, insbesondere des Bundestages und der Bundesregierung. Es gilt in diesem Prozess für die eigene Position zu werben, um letztlich die erforderlichen Mehrheiten im Bundesrat zu erreichen. Die Interessenvertretung ist nicht auf die Teilnahme an ein­zelnen Sitzungen beschränkt, sondern erfolgt im ständigen Austausch mit den weiteren Akteuren. Eine durchgängige Präsenz in Berlin ist daher erforderlich.

Diese Aufgaben sind auf die Mitarbeiter des Bundesrates nicht zu über­tragen.

  1. Welche Arbeit führt die NRW-Vertretung in Brüssel aus, welche nicht mehrheitlich von der deutschen Botschaft in Brüssel und Büros bzw. Mitarbeitern in Düsseldorf wahrgenommen werden könnte?

Zwischen den Aufgabenbereichen der NRW-Vertretung bei der EU und der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beim Königreich Belgien gibt es keine nennenswerten Bezüge. Während die Botschaft mit den bilateralen Beziehungen zum Königreich Belgien betraut ist, konzentriert sich die Arbeit der Landesvertretung auf den Umgang mit Institutionen der Europäischen Union.

Die Landesvertretung bedient sich dazu auch ihrer Kontakte zur Ständi­gen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union, wenngleich sich die Zielsetzungen auch dieser beiden Institutionen deutlich voneinander unterscheiden.

Die Ständige Vertretung nimmt insbesondere die formalen Rechte eines Mitgliedsstaates wahr. Die nordrhein-westfälische Landesvertretung sorgt hingegen für den unmittelbaren Informationsfluss zwischen den EU-Institutionen und der Landesregierung und wird als Repräsentanz des Landes für die Darstellung und Vermittlung von NRW-Interessen genutzt. Diese Interessen unterscheiden sich oftmals deutlich von de­nen des Bundes und auch von denen anderer Länder.

Ohne persönliche Kontakte ist es nicht möglich, Informationen aus erster Hand und zeitnah zu erhalten, der unmittelbare Zugang zu den Institutionen und damit die ständige Präsenz in Brüssel sind erforderlich. Die Aufgaben können daher auch nicht von Düsseldorf aus erfüllt wer­den.

Die Arbeit der Landesvertretung kann daher von keiner der in Brüssel tätigen bundesdeutschen Institutionen und auch nicht aus der Landes­hauptstadt wahrgenommen werden.

  1. In welchen Bereichen sieht die Landesregierung Sparpotential bei den Vertretungen in Berlin und Brüssel?

Das Handeln auf der Grundlage von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und das Bemühen um eine Kostenoptimierung sind Daueraufgaben aller Landeseinrichtungen. Die Landesregierung sieht zurzeit keine Spar­potentiale bei den beiden Landesvertretungen. Es wird auf die Vor­bemerkung zur Stärkung des Gewichts der Vertretungen in Berlin und Brüssel verwiesen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner