„Wasser predigen und Wein trinken?“ – Lässt die Landesregierung die Kommunen bei der Unterbringung von geduldeten Asylbewerbern im Stich?

Kleine Anfrage
vom 09.10.2017

Kleine Anfrage 9.10.2017
des Abgeordneten Markus Wagner

Anfrage als PDF laden

Antwort als PDF laden

Anlage 1 als PDF laden

Anlage 2 als PDF laden

In NRW gibt es zwei Ebenen der Unterbringung von Flüchtlingen: die Landesaufnahme und die Unterbringung auf kommunaler Ebene. Zuständig für die Aufnahme und somit für die Unterbringung in der ersten Zeit nach der Ankunft ist das Land NRW. Dabei werden die Asylsuchenden in Sammeleinrichtungen untergebracht, die von Größe, Lage Belegung etc. her stark variieren. Die Gemeinden sind gemäß § 1 Absatz 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) verpflichtet, ausländische Flüchtlinge im Sinne von § 2 FlüAG aufzunehmen und unterzubringen. Für die Zuweisung der Flüchtlinge in NRW ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig. Erst nach einer Zuweisung durch die Bezirksregierung Arnsberg werden die Kommunen zuständig. In den Kommunen werden Flüchtlinge in Sammeleinrichtungen oder Wohnungen untergebracht. Die Unterbringung von Flüchtlingen auf kommunaler Ebene liegt somit in der Zuständigkeit der Kommunen und das Land NRW stiehlt sich somit aus seiner Verantwortung. Immer mehr Kommunen in NRW ermöglichen dennoch Flüchtlingen den Auszug in Privatwohnungen. Beispielhaft ist die Stadt Leverkusen, die seit Jahren allen ihren zugewiesenen Flüchtlingen den Auszug in einer Privatwohnung ermöglicht. Allerdings ist es aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes immer schwieriger bezahlbaren Wohnraum zu finden. Es stellen sich also neue Herausforderungen im Auszugsmanagement. Eine Studie zu Unterbringung von Flüchtlingen in Kommunen, des Städte- und Gemeindebunds (StGB NRW-Mitteilung 441/2017 vom 24.08.2017), zeigt die vielfältigen Aufgaben und Strategien von deutschen Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und welche Konflikte bei der Aufnahme und Unterbringung entstehen.

Das Land NRW unterhält mit seinem landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) neben der Vermietung von Immobilien an Landesbehörden des Weiteren auch, der Landesregierung vermutlich unbekannt, die Vermietung von „Privatwohnungen“ in Liegenschaften des BLB.

In seiner selbstdarstellenden Internetpräsenz bezeichnet sich der BLB NRW, als Eigentümer fast aller Liegenschaften des Landes, vermietet seine Immobilien an Landesbehörden und -einrichtungen. Darüber hinaus erbringe der BLB NRW baufachliche Dienstleistungen für die Bundesrepublik Deutschland.

Von der Vermietung von Privatwohnungen keine Rede!

Der BLB, Niederlassung Dortmund, unterhält, im konkreten Fall, in der Liegenschaft 1430, neben der dortigen Polizeiautobahnstation und des Polizeiärztlichen Dienstes, eine private Autoreparaturwerkstatt und eine private Mietwohnung.

Der bisherige Mieter der Privatwohnung hat diese zum 30.11.2017 gekündigt und auf Grund des Zuschnitts und der Größe der Wohnung, diese der Stadt Arnsberg, auch gegenüber dem BLB, als „Nachmieter“ angeboten.

Seitens der Stadt Arnsberg besteht, nach bereits vorangegangener Besichtigung, großes Interesse an der Wohnung, da sich diese für die Unterbringung einer geduldeten, syrischen Großfamilie mit zwei Erwachsenen und sieben Kindern hervorragend eignen und auch den gesetzlich vorgegebenen, finanziellen Rahmen einhalten würde.

Der BLB, Niederlassung Dortmund, hat zunächst auf die Benennung eines möglichen Nachmieters nicht reagiert und auf wiederholte, telefonische Nachfrage (schriftliche Anfragen wurden zuvor nicht beantwortet) angegeben, dass der bisherige Mieter die Wohnungsgröße in vormals zwei Büroräume zurückzubauen habe und der BLB sich in Folge selbst um einen Nachmieter, der dann kleineren und für die syrische Großfamilie ungeeigneten Wohnung, bemühen werde.Anzumerken ist hierbei, dass im gesamten Mietobjekt, bereits seit 2010 bekannt, rund 250 Quadratmeter an Bürofläche als Leerstand zu bezeichnen sind und lediglich in der Spitze der „Flüchtlingskrise“, 2015/16, diese an die Bezirksregierung Arnsberg vergeben wurden.

Ein geforderter Rückbau, zu einer weiteren Bürolehrstandsfläche, einhergehend mit einer Nicht-Vermietung an die Stadt Arnsberg, würde deren Suche nach geeignetem Wohnraum weiterhin verschärfen und anhand der allgemein bekannten Wohnungsmarktsituation zumindest für die zur Rede stehende syrische Großfamilie unmöglich machen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele private Mietwohnungen unterhält der BLB innerhalb seiner Liegenschaften? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Gemeinde, Quadratmetern, Vermietung und Leerstand)
  2. Ist es im Sinne der Landesregierung, Büroleerstand zu produzieren, anstatt Wohnflächen zu erhalten und die Kommunen bei der Unterbringung asylberechtigter Familien zu unterstützen?
  3. Welche weiteren Negativbeispiele sind der Landesregierung hinsichtlich des o.a. geschilderten Sachverhaltes bekannt und wie gedenkt die Landesregierung hier gegenzusteuern?
  4. Wie wird sich die Landesregierung, unter Einbeziehung des landeseigenen BLB, gegenüber der Stadt Arnsberg im konkreten Fall verhalten?
  1. Welche, weitergehenden Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu ergreifen, um die Kommunen landesweit bei der schwierigen Unterbringungssituation für geduldete Asylbewerber zu unterstützen?

 

Markus Wagner

____________________________________________________________________________________

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 380 im Ein­vernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration wie folgt:

Frage 1:

Wie viele private Mietwohnungen unterhält der BLB innerhalb seiner Liegenschaften? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Gemeinde, Quad­ratmetern, Vermietung und Leerstand)

Mit Gründung des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB NRW) zum 01.01.2001 sind diesem unter anderem auch Wohnungen übertragen wor­den. Dabei handelt es sich überwiegend um Dienstwohnungen der Landes­verwaltung sowie zu einem geringen Anteil um Mietwohnungen und Woh­nungen zur Unterbringung von ausländischen Streitkräften, wobei letztere (mit rd. 38.000 m2 Mietfläche) bereits im Jahr 2004 an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben veräußert wurden.

Gegenwärtig befinden sich rd. 1.140 Wohnungen im Bestand des BLB NRW, die rd. 380.000 m2 Mietfläche umfassen.

Eine Auflistung der vom BLB NRW unterhaltenen Wohnungen, aufgeschlüs­selt nach Anzahl, Gemeinde, Quadratmetern, Vermietung und Leerstand, kann der als Anlage 1) beigefügten Tabelle entnommen werden.

Frage 2:

Ist es im Sinne der Landesregierung, Büroleerstand zu produzieren, anstatt Wohnflächen zu erhalten und die Kommunen bei der Unter­bringung asylberechtigter Familien zu unterstützen?

Sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch die Kommunen haben auf­grund der zuletzt rückläufigen Zuwanderungszahlen, Flächen, die zur Un­terbringung von Flüchtlingen genutzt wurden, an den BLB NRW zurückge­geben.

Derzeit stellt der BLB NRW rd. 73.000 m2 Wohn- und ehemalige Büroflä­chen als Nutzung für Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung. Darüber hinaus werden an drei Standorten rd. 95.000 m2 Grundstücksflächen vorgehalten, die bei Bedarf aktiviert werden können. Die vorgehaltenen Flächen sind ent­sprechend vorbereitet.

Bezüglich der konkreten Aufschlüsselung der als Flüchtlingsunterkünfte ge­nutzten Wohn- und Büroflächen wird auf die als Anlage 2) beigefügte Tabel­le verwiesen.

Frage 3:

Welche weiteren Negativbeispiele sind der Landesregierung hinsicht­lich des o.a. geschilderten Sachverhalts bekannt und wie gedenkt die Landesregierung hier gegenzusteuern?

Frage 4:

Wie wird sich die Landesregierung, unter Einbeziehung des landesei­genen BLB, gegenüber der Stadt Amsberg im konkreten Fall verhal­ten?

Die Fragen 3 und 4 werden zusammenhängend beantwortet. Es besteht kein Handlungsbedarf.

Bei der Wohnung im vorliegenden Fall handelt es sich um die ehemalige Hausmeisterwohnung der Autobahnpolizei Amsberg. Mit Einverständnis des BLB NRW hat der Privatmieter einen Durchbruch zu zwei vormals genutzten Büroräumen geschaffen, die ebenfalls durch ihn angemietet wurden. Ge­mäß der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem BLB NRW und dem Mie­ter ist zum Ende der Mietzeit der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen; eine Umwidmung des gesamten Wohnraums zu Büroflächen ist durch den Rückbau nicht vorgesehen.

Der Mieter der Wohnung hat – ohne den BLB NRW darüber in Kenntnis zu setzen – der für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständigen Stelle bei der Stadt Amsberg die von ihm genutzte Wohnung als Unterkunft für eine Flüchtlingsfamilie angeboten. Eine Kündigung der Wohnung durch den Mie­ter war zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt. Eine Vermietung an die Stadt Amsberg zwecks Unterbringung von Flüchtlingen konnte der BLB NRW zu diesem Zeitpunkt daher nicht vornehmen.

Nach der zwischenzeitlich erfolgten Kündigung hat der Mieter darum gebe­ten, weitere zwei Monate über den Kündigungszeitpunkt hinaus in der Woh­nung verbleiben zu dürfen. Inzwischen hat die Stadt Amsberg Interesse an den Büroräumlichkeiten der Liegenschaft bekundet.

Frage 5:

Welche, weitergehenden Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu ergreifen, um die Kommunen landesweit bei der schwierigen Unter­bringungssituation für geduldete Asylbewerber zu unterstützen?

Ziel der Landesregierung ist es, die Unterbringungseinrichtungen des Lan­des weit möglichst so zu nutzen, dass sich die Kommunen auf die Integrati­on von Bleibeberechtigten konzentrieren können und von der Unterbringung von Personen ohne Bleiberecht weitestgehend entlastet werden.

Hierfür sollen den Kommunen langfristig nur anerkannte Asylbewerber zu­gewiesen werden. Personen, deren Asylantrag abgelehnt wird, sollen, so­weit dies rechtlich möglich ist, perspektivisch bis zu ihrer freiwilligen Ausrei­se oder Rückführung in den Landesunterkünften untergebracht bleiben.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den ergänzenden schriftlichen Bericht des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration NRW (MKFFI NRW) vorn 13.10.2017, im Nachgang zur Sitzung des Integrations­ausschusses am 20.09.2017, verwiesen (Vorlage 17/185).

 

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Linienkämper

Beteiligte:
Markus Wagner