75 Jahre Hitler-Attentat – Der mutigen Widerstandskämpfer gedenken und ihr Erbe be­wahren.

Antrag
vom 02.07.2019

Resolutionder AfD-Fraktion vom 02.07.2019

 

75 Jahre Hitler-Attentat – Der mutigen Widerstandskämpfer gedenken und ihr Erbe be­wahren.

Am 20. Juli 1944 detonierte während einer Lagebesprechung im „Führerhauptquartier Wolfs­schanze“ eine Bombe, die der Widerstandskämpfer Oberst Claus Schenk Graf von Stauffen­berg dort gelegt hatte. Ziel des Attentats war Adolf Hitler, der zu diesem Zeitpunkt unfassbares Leid über ganz Europa gebracht und in seiner Eigenschaft als oberster Befehlshaber der Deut­schen Wehrmacht das Reich in eine aussichtslose militärische Lage gebracht hatte, ohne auch nur ansatzweise an eine vorzeitige Beendigung der Kampfhandlungen zu denken.

Stauffenberg war Angehöriger eines Widerstandskreises aus konservativen Politikern und Mi­litärs um Generaloberst Ludwig Beck, Carl Friedrich Goerdeler und Generalmajor Hans Oster, der teilweise bereits während der Sudetenkrise 1938 einen Staatsstreich gegen den national­sozialistischen Machthaber geplant hatte („Septemberverschwörung“). Das Vorhaben schei­terte jedoch an der gewaltlosen Annexion des Sudentenlandes infolge des Münchener Ab­kommens.

Weitere Attentatsversuche während des Krieges scheiterten an Zufällen. Im Juli 1944 war die militärische Lage Deutschlands bereits aussichtslos: Die Westalliierten waren in der Norman­die gelandet und hatten damit endgültig den Zweifrontenkrieg gegen Deutschland eröffnet, und auch an der Ostfront hatte die Wehrmacht der Roten Armee nur noch wenig entgegenzu­setzen. Schon während der Casablanca-Konferenz 1943 hatten die Alliierten unmissverständ­lich klargemacht, dass sie auf einer bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches be­stehen würden.

Auch in der Heimat durften die Männer um Stauffenberg zunächst nicht auf breite Unterstüt­zung hoffen. Die Bevölkerung war durch die sich ersichtlich verschlechternde Kriegslage zwar beunruhigt, zu echtem Widerstand waren aber nur wenige bereit. Zu gut funktionierten das nationalsozialistische Gewaltregime und sein Propagandaapparat. Und so waren die Attentä­ter und ihre Hintermänner in den Augen vieler Deutscher zunächst einmal Verräter – eine Haltung, die das Kriegsende um viele Jahre überdauerte. Noch 1951 lehnten 24 Prozent der Befragten die Tat ab, 38 Prozent hießen sie gut und ebenfalls 38 Prozent waren unentschie-den.1

Ein entscheidender Wendepunkt war der sogenannte „Remer-Prozess“ gegen den ehemali­gen Generalmajor Otto Ernst Remer vor dem Landgericht Braunschweig im Jahre 1952. Er hatte Attentäter als Verräter bezeichnet und ihnen unterstellt, sie seien vom Ausland gekauft gewesen. Der Prozess und die anschließende Verurteilung Remers führte zu einem Umden­ken in der deutschen Öffentlichkeit. Anschließend kamen 58 Prozent der Befragten zu einer positiven Einschätzung der Männer um Stauffenberg und lediglich 7 Prozent sahen die Tat noch als Verrat an.2

Der mutigen Tat Stauffenbergs und seiner Mitverschwörer kommt große Symbolkraft zu, auch wenn ihr kein Erfolg vergönnt war. Aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände kam Hitler durch die Detonation nicht zum Tode. Der im Laufe des 20. Julis ausgelöste „Walküre-Befehl“, der die Übernahme der vollziehenden Gewalt durch die Wehrmacht und eine Aus­schaltung von NSDAP, SS, SD und Gestapo vorsah, wurde zwar im Reichsgebiet und in den besetzten Gebieten teilweise umgesetzt, es gelang aber nicht, Hitler von der Außenwelt abzu­schneiden oder die Kontrolle über den Rundfunk zu übernehmen. Die von der „Wolfsschanze“ aus eingeleiteten Gegenmaßnahmen führten daher im weiteren Verlauf des 20. Julis zu einem Zusammenbruch des Staatsstreichs.

Der gescheiterte Putsch setzte eine beispiellose Vergeltungswelle des NS-Regimes in Gang: Der engste Kreis der Widerstandskämpfer, der im Bendlerblock verblieben war, wurde bereits in den ersten Minuten des 21. Julis erschossen.

In den Folgetagen und -wochen wurden etwa 700 Personen verhaftet. Mehr als einhundert Todesurteile wurden vollstreckt. Zur Aburteilung der beschuldigten Wehrmachtsangehörigen wurde eigens der „Ehrenhof“ gebildet, der die Angeklagten unehrenhaft aus der Wehrmacht ausstoßen konnte, um sie dem Volksgerichtshof unter dem berüchtigten Präsidenten Roland Freisler zu überantworten.

Freisler erfüllte die ihm zugedachte Rolle mit großem Eifer. In entwürdigenden Schauprozes­sen wurden zahlreiche, von Gestapoverhören gezeichnete Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt. Urteile, die in der Regel durch besonders grausames Erhängen an Fleischerhaken in Berlin-Plötzensee vollstreckt wurden.

Die Vergeltung des Regimes traf aber keineswegs nur Personen, die an den Vorgängen vom 20. Juli beteiligt waren. Die Familien der Verschwörer kamen in „Sippenhaft“, die Ehefrauen häufig in Konzentrationslager und die Kinder wurden unter falschen Namen in Kinderheimen untergebracht. Im Rahmen der „Aktion Gitter“ wurden im August 1944 etwa 5 000 Personen verhaftet, die zwar nichts mit dem Attentat zu tun hatten, aber aufgrund ihrer Vergangenheit in demokratischen Parteien als unzuverlässig galten.

Stauffenberg und seine Mitstreiter waren sich all dieser Risiken bewusst. Sie mussten mit dem eigenen Tod rechnen. Sie wussten um die Gefahren für die eigene Familie. Doch sie waren bereit, den hohen Preis zu zahlen. Im Urteil aus dem Remer-Prozess heißt es dazu treffend:

[Sie haben] „durchweg aus heißer Vaterlandsliebe und selbstlosem, bis zur bedenken­losen Selbstaufopferung gehendem Verantwortungsbewußtsein gegenüber ihrem Volk die Beseitigung Hitlers und damit des von ihm geführten Regimes erstrebt.“

Die Ausweglosigkeit ihrer Situation brachte dabei viele der Männer des 20. Julis in schwere Gewissensnöte: Nicht nur die Verantwortung für die eigene Familie wog schwer. Alle Wehr­machtsangehörigen hatten einen Eid auf Hitler geschworen und taten sich schwer damit, die­sen zu brechen. Auch der Tyrannenmord und die damit verbundene Inkaufnahme des Todes Unbeteiligter war für die überwiegend christlich geprägten Attentäter kein Leichtes. Letztlich setzte sich aber aufgrund des Gewichts der nationalsozialistischen Verbrechen die Überzeu­gung durch, dass es keinen anderen Ausweg gebe.

Bei der Auseinandersetzung mit den Personen des 20. Julis ist unübersehbar, dass sie häufig keine „geborenen“ Widerstandskämpfer waren. Trotz aller Vorbehalte gegen das Naziregime begrüßten insbesondere die Soldaten unter ihnen die Aufrüstungspolitik Hitlers zunächst. Der Versailler Vertrag wurde von der ganz überwiegenden Mehrheit der Deutschen als Unrecht empfunden und seine Revision daher begrüßt.

Als überzeugte Patrioten war für die Attentäter zunächst auch die militärische Pflichterfüllung eine Selbstverständlichkeit. Und so wurden sie unweigerlich in Hitlers verbrecherische Kriegs­führung verwickelt. Aber sie bekamen eben auch Kenntnis von den ungeheuren Verbrechen, die in den besetzten Gebieten stattfanden und waren nicht bereit, sie tatenlos mitanzusehen.

Die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 folgten ihrem Gewissen und waren bereit, dafür den höchsten Preis zu zahlen. Sie bezeugten vor der Welt, dass es auch ein anderes Deutsch­land gab. Ihr Plan mag gescheitert sein, aber sie sind nicht gescheitert. Sie setzten ein wichti­ges Zeichen, dass für die moralische Gesundung des Deutschen Volkes in der Folge des na­tionalsozialistischen Regimes essenziell war. Wir Deutschen sind ihnen zu ewigem Dank ver­pflichtet.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen gedenkt im Juli 2019, 75 Jahre nach dem Attentat auf Hitler, aller Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944.

Dar Landtag bekräftigt seine Überzeugung, dass die Widerstandskämpfer um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg durch ihr mutiges und tapferes Handeln für alle Zeit ein Vorbild für uns Deutsche sind. Die Männer des 20. Juli 1944 sind Helden.

Der Landtag ermahnt alle Einrichtungen des Landes, insbesondere die Bildungseinrichtungen, das Erbe der Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 zu bewahren und weiterzutragen und ihrer würdig und angemessen zu gedenken.

Sven W. Tritschler
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 Public Opinion in semisovereign Germany. The HICOG Surveys, Merrit, 1949–1955. Urbana 1980, S. 147.

2 Ebenda, S. 197.

Beteiligte:
Sven Tritschler