Kleine Anfrage 3318der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Markus Wagner vom 16.01.2020
Flüchtlingsfeindliche Straftaten in NRW im Jahre 2019
Die letzte Anfrage zum Themenkomplex „Flüchtlingsfeindliche Straftaten“ hat ergeben, dass es im Jahre 2018 insgesamt 154 Straftaten in diesem Bereich gegeben hat, davon 27 Gewaltdelikte.1 Interessant war, dass zum damaligen Zeitpunkt die Einstufung als „flüchtlingsfeindliche Straftat“ sehr umfassend ausgelegt wurde. So wurden auch Straftaten gegen geplante und im Bau befindliche Einrichtungen sowie gegen Einrichtungen, die sich unmittelbar für die Belange von Flüchtlingen einsetzen, berücksichtigt.
In 150 Fällen wurden diese Straftaten dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet. Auf der anderen Seite konnten nur 80 Tatverdächtige ermittelt werden.
Ziel der Anfrage für das Berichtsjahr 2019 ist eine differenziertere Aufschlüsselung der Straftaten. Zudem gilt es, das Ungleichgewicht zwischen der Anzahl der Tatverdächtigen und der Zuordnung zu einem der Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität aufzuklären.
Wir fragen daher die Landesregierung:
1. Wie viele Straftaten wurden im Jahr 2019 gegen (a) Flüchtlingsunterkünfte bzw. von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen, gegen (b) geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte, gegen (c) Flüchtlinge bzw. Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft bzw. Wohnung und (d) gegen Einrichtungen, die sich unmittelbar für die Belange von Flüchtlingen einsetzen, in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte jeweils nach Fallgruppe (a, b, c, d), Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln)
2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
3. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln auflisten)
4. Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „flüchtlingsfeindliche Straftat“ – unter Ausschluss aller anderen möglichen Motive und speziell, wenn kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen)
5. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2019 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?
Gabriele Walger-Demolsky
Markus Wagner
1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/5341
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 18.02.2020
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3318 mit Schreiben vom 18. Februar 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.
Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
- gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungs-zusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).
Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt ist für das Jahr 2019 noch nicht abgeschlossen. Demnach kann es noch zu geringfügigen Abweichungen kommen, weshalb die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen für das Jahr 2019 als vorläufige Zahlen zu betrachten sind.
1. Wie viele Straftaten wurden im Jahr 2019 gegen (a) Flüchtlingsunterkünfte bzw. von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen, gegen (b) geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte, gegen (c) Flüchtlinge bzw. Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft bzw. Wohnung und (d) gegen Einrichtungen, die sich unmittelbar für die Belange von Flüchtlingen einsetzen, in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte jeweils nach Fallgruppe (a, b, c, d), Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln)
Im Jahr 2019 wurden im KPMD-PMK 223 flüchtlingsfeindliche Straftaten erfasst. Eine Erhebung zu den konkret nachgefragten Daten erfordert eine manuelle Auswertung jedes einzelnen Verfahrens und ist in dem für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich.
Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.
2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
Im Jahr 2019 wurden zu den in der Antwort auf Frage 1 dargestellten Fällen insgesamt 142 Tatverdächtige erfasst.
Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.
3. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln auflisten)
In den Fällen, in denen ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten in den folgenden Phänomenbereichen erfasst:
• | PMK-Rechts: | 116 Straftaten |
• | PMK-Nicht zuzuordnen: | 4 Straftaten |
• | PMK-Ausländische Ideologie: | 3 Straftaten. |
In den Fällen, in denen kein Tatverdächtigter ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten in den folgenden Phänomenbereichen erfasst:
• | PMK-Rechts: | 96 Straftaten |
• | PMK-Nicht zuzuordnen: | 1 Straftat |
• | PMK-Religiöse Ideologie: | 1 Straftat |
• | PMK-Ausländische Ideologie: | 2 Straftaten. |
Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.
4. Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „flüchtlingsfeindliche Straftat“ – unter Ausschluss aller anderen möglichen Motive und speziell, wenn kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen)
Die Zuordnung jeder einzelnen Straftat als „flüchtlingsfeindlich“ erfolgt, wenn für die Sachbearbeiterin/den Sachbearbeiter nach Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen ihrer/ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen Aufenthaltsstatus (Asylbewerber/Flüchtling) gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
5. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2019 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?
Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Straftaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Ermittlungsverfahren wegen flüchtlingsfeindlicher Straftaten werden in den Statistiken und Datenbanken der Justiz nicht gesondert erfasst.
Eine Erhebung zu den nachgefragten Daten erfordert eine manuelle Auswertung jedes einzelnen Verfahrens und ist in dem für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich.