Einfluss der Muslimbruderschaft in NRW

Kleine Anfrage
vom 04.02.2020

Kleine Anfrage 3392der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Markus Wagner vom 04.02.2020

 

Einfluss der Muslimbruderschaft in NRW

Vertreter deutscher Innen- und Sicherheitsbehörden haben in den letzten zwölf Monaten immer eindringlicher vor der ursprünglich aus Ägypten stammenden Muslimbruderschaft (MB) gewarnt. Auch Vertreter der Landesregierung warnten mehrfach vor der MB, so etwa Landesverfassungsschutz-Chef Burkhard Freier. „Mittelfristig gesehen, warnte Freier, gehe von einer verstärkten Einflussnahme der MB eine weitaus größere Gefahr für die deutsche Demokratie aus als von der radikal-islamischen Salafisten-Szene, deren militante Protagonisten Terror-Gruppierungen wie Al-Qaida oder den Islamischen Staat (IS) unterstützten“, berichtete FOCUS-Online im Dezember 2018.1 Auch Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) meldete sich zu dieser Entwicklung zu Wort und bezeichnete Ende September 2019 im Innenausschuss des Landtags den „traditionellen Islamismus, der zunehmend in die Gesellschaft eindringt“, als „Gefahr für die Demokratie“. Als Beispiel dafür nannte Reul die Muslimbruderschaft, die sich, seinen Worten zufolge, „zunehmend als gesellschaftlich akzeptable Alternative zum Salafismus präsentiert“.2

Als zentrale Stelle des hiesigen MB-Netzwerkes gilt laut des Bundesamts für Verfassungsschutz die Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD). „Mit ihren Bemühungen zur Schaffung eines gesellschaftlichen und politischen Systems auf Grundlage der Scharia (islamische Rechtssammlung) verstößt sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“, teilte der Inlandsnachrichtendienst FOCUS-Online mit.1 Nachdem die IGD wegen ihrer Verbindungen zur Muslimbruderschaft in die Kritik geraten war, nannte sie sich im Jahre 2018 in Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) um.3 „Dahinter steht mutmaßlich der Versuch eines Imagewandels, mit dem man das alte Bild der IGD und ihrer Bezüge zur Muslimbruderschaft hinter sich lassen will, um sich als die Zukunft der Muslime in Deutschland und als relevanter Teil des hiesigen Islam zu präsentieren. Gegenwärtig ist jedoch nicht erkennbar, dass dieser Reformprozess mit einer Neubewertung der Beziehungen zur internationalen Muslimbruderschaft oder gar einer Distanzierung von deren Ideologie und Konzepten einhergeht“, heißt es dazu im aktuellen nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht.4

Aber auch andere Gruppierungen und Organisationen, so etwa der hessische Verein „Barmherzige Begleitung“, werden dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft zugeordnet.5

Zu den Spitzenfunktionären der Muslimbruderschaft in Deutschland gehört Dr. Houaida T. Laut ihres im Internet veröffentlichten Lebenslaufs war sie von 2006 bis 2010 Vizepräsidentin der IGD.6 Tatsächlich war sie laut Vereinsregister bis Ende 2018 stellvertretende Vorsitzende der DMG.7 Im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht wurde sie bereits 2009 namentlich erwähnt.8 In den letzten Wochen auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte Beiträge belegen, dass sie sich bis heute für die DMG sowie für IRD engagiert.9

Keine Berührungsängste mit der Muslimbruderschaft offenbart allerdings das nordrhein-westfälische Landesintegrationsministerium. Auf einer im September 2019 vom Ministerium veröffentlichten Liste von 79 muslimisch geprägten Vereinen, die am ersten „Kongress Muslimisches Engagement in NRW“ am 1. Juli in Düsseldorf teilgenommen hatten, finden sich unter anderem auch die Deutsche Muslimische Gemeinschaft sowie der Verein „Barmherzige Begleitung“.10

Dass diese Zusammenarbeit keinen Einzelfall darstellt, belegt eine Veranstaltung aus der Reihe „Integration durch Gesundheitsprävention“, die am 3. November 2019 in Münster stattfand. Dazu eingeladen hatten der „Förderverein Arabische Sprache e.V.“ sowie das Integrationsministerium. Als Referentin wurde Houaida T. eingeladen.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Wie verträgt sich die Zusammenarbeit des Landesintegrationsministeriums mit Personen und Vereinen, die dem Spektrum der Muslimbruderschaft zugeordnet werden, mit den Warnungen des Landesinnenministers sowie des Landesverfassungsschutzes vor eben dieser Vereinigung?

2. Sind der Landesregierung die Verbindungen des Vereins „Förderverein arabische Sprache“ aus Münster bekannt?

3. Wie stuft die Landesregierung diese Verbindungen ein?

4. Hat die Landesregierung Maßnahmen getroffen, damit gewährleistet ist, dass Fördergelder des Landes nicht in Veranstaltungen fließen, an denen Personen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft oder andere islamistische Akteure beteiligt sind?

5. Hat die Landesregierung Maßnahmen getroffen, damit gewährleistet ist, dass Vereine, die an dem Projekt „Muslimisches Engagement in NRW“ teilnehmen und vom Verfassungsschutz einem islamistischen Spektrum zugeordnet werden, keine Fördergelder aus diesem Projekt erhalten?

Gabriele Walger-Demolsky
Markus Wagner

 

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1Vgl. https://www.focus.de/politik/deutschland/zentralrat-im-blick-der-islamisten-verfassungsschuetzer-muslimbrueder-wollen-deutschland-in-islamischen-gottesstaat-verwandeln_id_10048434.html

2 Vgl. https://www.ruhrbarone.de/1nrw-ministerien-uneins-zur-

muslimbruderschaft/174800?fbclid=IwAR0qNlVfRGRGx7a6xEeh_yPqUcsEz_lNYHPvsIJnAYbYqCDNYBmT cVmVCyE

3 Vgl. https://vunv1863.wordpress.com/tag/deutsche-muslimische-gemeinschaft/

4 Vgl. https://www.im.nrw/system/files/media/document/file/VS_Bericht_2018_JB_2018.pdf

5 Vgl. https://vunv1863.wordpress.com/2019/09/03/sterbe-begleitung-durch-muslimbrueder/

6 Vgl. http://zentralrat.de/21417

7 Vgl. https://vunv1863.files.wordpress.com/2019/11/igd-dmg-swaid-shiref-nw-
kc3b6ln_vr_16582chronologischer_abdruck-20191104182139.pdf

8 Vgl. https://im.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-

im/intern/dateien/publikationen/Vsbericht_BW_2009.pdf?fbclid=IwAR1qdDGU5xiC50dYj0p41D2qaHWgxiRb  JbPmVxknZ6a7mV0GmPsLwwma3iE

9 Vgl. https://www.facebook.com/houaida.t.

10 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-2365.pdf


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 24.03.2020

 

Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 3392 mit Schreiben vom 24. März 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

1. Wie verträgt sich die Zusammenarbeit des Landesintegrationsministeriums mit Personen und Vereinen, die dem Spektrum der Muslimbruderschaft zugeordnet werden, mit den Warnungen des Landesinnenministers sowie des Landesverfassungsschutzes vor eben dieser Vereinigung?

Voraussetzung für jede Zusammenarbeit mit dem Land ist, dass sich die mitwirkenden Vereine zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und ihr Handeln an der geltenden Rechtsordnung ausrichten. Dabei berücksichtigt die Landesregierung alle zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu den Positionen und Mitgliedern der Organisationen. Liegen dem Ministerium konkrete Hinweise des Innenministeriums bzw. des Verfassungsschutzes vor, werden entsprechende Konsequenzen gezogen.

Eine Teilnahme an Veranstaltungen der Koordinierungsstelle Muslimisches Engagement in NRW stellt weder eine Form der Kooperation bzw. Zusammenarbeit mit der Landesregierung noch eine Zusage hierzu dar.

2. Sind der Landesregierung die Verbindungen des Vereins „Förderverein arabische Sprache“ aus Münster bekannt?

Der „Förderverein Arabische Sprache e.V.“ aus Münster ist kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes NRW.

3. Wie stuft die Landesregierung diese Verbindungen ein?

Siehe Antwort zu Frage 2.

4. Hat die Landesregierung Maßnahmen getroffen, damit gewährleistet ist, dass Fördergelder des Landes nicht in Veranstaltungen fließen, an denen Personen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft oder andere islamistische Akteure beteiligt sind?

Sowohl die Veranschlagung von Zuwendungen des Landes als auch deren Verwendung und ihre Prüfung sind an gesetzliche Vorgaben gebunden. Einschlägig sind hier die §§ 23 und 44 LHO, die Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO sowie die allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur institutionellen bzw. Projektförderung.

Alle Förderentscheidungen der Landesregierung erfolgen auf der Grundlage geltender Rechtsvorschriften. Liegt ein Verstoß gegen die Rechtsvorschriften vor, stehen dem Land umfangreiche Prüf- und Sanktionsmechanismen zur Verfügung.

5. Hat die Landesregierung Maßnahmen getroffen, damit gewährleistet ist, dass Vereine, die an dem Projekt „Muslimisches Engagement in NRW“ teilnehmen und vom Verfassungsschutz einem islamistischen Spektrum zugeordnet werden, keine Fördergelder aus diesem Projekt erhalten?

Bei der Koordinierungsstelle Muslimisches Engagement in NRW (KME NRW) handelt es sich nicht um ein Projekt. Für mögliche Projektförderungen, die im Rahmen der KME NRW erfolgen könnten, gelten die in der Antwort zu Frage 4 beschriebenen Rahmenbedingungen.

 

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