BKA-Lagebild „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ – Einzelauswertung für Nordrhein-Westfalen im Berichtsjahr 2020

Kleine Anfrage
vom 12.01.2021

Kleine Anfrage 4813der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Markus Wagner vom 12.01.2021

 

BKA-Lagebild „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ – Einzelauswertung für Nordrhein-Westfalen im Berichtsjahr 2020

Im Rahmen der Kleinen Anfrage 2653 fragten wir nach der Einzelauswertung des BKA-Lagebilds „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ für Nordrhein-Westfalen, für das Berichtsjahr 2018.1

Dabei wurde speziell die Gegenüberstellung von Täter- und Opfergruppen beleuchtet. Gemäß Definition der Landesregierung und des BKA umfasst die Gruppe der Zuwanderer alle Personen, die einen der Aufenthaltsanlässe „Asylbewerber“, „Schutz- und Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge“, „Duldung“ oder „unerlaubter Aufenthalt“ besitzen.

Danach gab es im Jahre 2018 10.393 deutsche Opfer von Straftaten, die unter Beteiligung mindestens eines tatverdächtigen Zuwanderers begangen wurden.

Auf der anderen Seite gab es 704 Opfer mit der Opferspezifik „Asylbewerber/Flüchtling“ von Straftaten, die unter Beteiligung mindestens eines deutschen Tatverdächtigen begangen wurden.

Vor allem bei den Gewaltdelikten war – insbesondere unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Bevölkerungsanteils – das Ungleichgewicht 2018 eklatant:

Opfer
Deutsch2
Opfer Asylbewerber3
Mord

6

1

Totschlag

11

0

Tötung auf Verlangen

0

0

Opfer
Deutsch4
Opfer Asylbewerber5
Sexualdelikte

968

30

 

Die Auswertung der Zahlen für das Berichtsjahr 2019 führte zu ähnlichen Ergebnissen:6

Opfer Deutsch2 Opfer Asylbewerber3
Mord

16

4

Totschlag

11

8

Tötung auf Verlangen

0

0

Sexualdelikte

836

72

 

Ziel der Anfrage ist es, die Entwicklung für das Berichtsjahr 2020 zu beleuchten.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Deutsche bzw. Zuwanderer (gemäß obiger Definition) lebten 2020 in Nordrhein-Westfalen?
  2. Welche Zahlen ergeben sich bei einer Einzelauswertung der aufgeführten Opferzahlen aus dem „Lagebild im Kontext mit Zuwanderung“ des BKA für Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2020? (Bitte auflisten nach Opfer gesamt, Opfer im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den beiden Konstellationen „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“ und „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/Flüchtling“; bitte Übersicht analog zu den Anlagen 1 und 3 der Antwort auf die Kleine Anfrage 33204 erstellen)
  3. Wie viele Straftaten durch „Zuwanderer“ hat es zum Nachteil eines Opfers, das nicht in die Gruppe der Zuwanderer fällt, im Jahre 2020 in Nordrhein-Westfalen gegeben? (Bitte Übersicht analog zur Anlage 2 der Antwort auf die Kleine Anfrage 33204 erstellen)
  4. Mit welchen Maßnahmen ist die Landesregierung im Jahre 2020, insbesondere gegen die hohe Zahl von Sexualdelikten, vorgegangen?
  5. Welche Maßnahmen sind für das Jahr 2021 vorgesehen, um insbesondere junge Frauen besser vor sexuellen Übergriffen zu schützen?

Gabriele Walger-Demolsky
Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/6952

2 Anzahl deutscher Opfer von Straftaten, die unter Beteiligung mindestens eines tatverdächtigen Zuwanderers begangen wurden. (Straftaten inkl. Versuche)

3 Anzahl Opfer mit der Opferspezifik „Asylbewerber/Flüchtling“ von Straftaten, die unter Beteiligung mindestens eines deutschen Tatverdächtigen begangen wurden. (Straftaten inkl. Versuche)

4 Anzahl deutscher Opfer von Straftaten, die unter Beteiligung mindestens eines tatverdächtigen Zuwanderers begangen wurden. (Straftaten inkl. Versuche)

5 Anzahl Opfer mit der Opferspezifik „Asylbewerber/Flüchtling“ von Straftaten, die unter Beteiligung mindestens eines deutschen Tatverdächtigen begangen wurden. (Straftaten inkl. Versuche)

6 Vgl. Lt.-Drucksache 17/8694


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4813 mit Schreiben vom 12. Februar 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Regeln erstellt. Die PKS unterscheidet zwischen Geschädigten und Opfern. Opfer im Sinne der PKS sind Personen, gegen die sich eine mit Strafe bedrohte Handlung unmittelbar richtete. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, Freiheit, körperliche Unversehrtheit, etc.). Ab dem 01.01.2019 werden nichtdeutsche Opfer mit ihrem Aufenthaltsanlass in der PKS erfasst. Dadurch ist eine genauere Auswertung im Hinblick auf Zuwanderer möglich. Die Auswertung über die Opferspezifik „Asylbewerber/Flüchtling“ steht oftmals in Konkurrenz mit anderen Werten der Opferspezifik und entspricht nicht den eigentlichen Richtlinien der PKS. Diese Opferspezifik wurde nur als Übergangswert zum 01.01.2016 eingeführt. Ein Vergleich der Auswertungen nach dem 01.01.2019 mit den Vorjahren ist daher nicht möglich. Der Begriff der Zuwanderung bestimmt sich in den Fragen 2 bis 5 nach der PKS.

  1. Wie viele Deutsche bzw. Zuwanderer (gemäß obiger Definition) lebten 2020 in Nordrhein-Westfalen?

Mit Stichtag 31.12.2019 lebten gemäß Auskunft von IT.NRW 15.502.665 Deutsche in Nordrhein-Westfalen. Aktuellere Zahlen liegen insoweit nicht vor. Mit Stichtag 31.12.2020 lebten gemäß Auskunft aus dem Ausländerzentralregister 440.085 Personen als Zuwanderer in Nordrhein-Westfalen. Die genannte Gesamtzahl setzt sich aus den Titeln der §§ 23, 25 Aufenthaltsgesetz sowie Duldungen nach § 60a Aufenthaltsgesetz und anhängigen Asylverfahren zum Stichtag zusammen.

  1. Zahlen ergeben sich bei einer Einzelauswertung der aufgeführten Opferzahlen aus dem „Lagebild im Kontext mit Zuwanderung“ des BKA für Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2020? (Bitte auflisten nach Opfer gesamt, Opfer im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den beiden Konstellationen „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“ und „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/Flüchtling“; bitte Übersicht analog zu den Anlagen 1 und 3 der Antwort auf die Kleine Anfrage 33204 erstellen)

Die Zahlen der Opfer für das Jahr 2020 zu den Straftaten insgesamt, Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen und Sexualdelikte für die Konstellationen „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“ und „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/Flüchtling“ weise ich in Anlage 1 aus. Den Bezug zur Anlage 3 der Antwort auf die Kleine Anfrage 3320 kann ich im Zusammenhang mit der Frage 2 nicht herstellen, da in dieser Anlage die Anzahl von ausgewählten Straftaten dargestellt wurden, begangen durch mindestens einen tatverdächtigen Zuwanderer zum Nachteil mindestens eines Opfers mit deutscher Staatsangehörigkeit. Ich habe daher abweichend von der gestellten Frage in der Anlage 2 die Straftaten dargestellt, wie diese in der Anlage 3 der Antwort auf die Kleine Anfrage 3320 abgebildet wurden.

  1. Wie viele Straftaten durch „Zuwanderer“ hat es zum Nachteil eines Opfers, das nicht in die Gruppe der Zuwanderer fällt, im Jahre 2020 in Nordrhein-Westfalen gegeben? (Bitte Übersicht analog zur Anlage 2 der Antwort auf die Kleine Anfrage 3320 erstellen)

In der Anlage 3 weise ich die für 2020 gemeldeten Fälle aus, mit mindestens einem tatverdächtigen Zuwanderer und mindestens einem Opfer, das nicht zur Gruppe der Zuwanderer gehört.

  1. Mit welchen Maßnahmen ist die Landesregierung im Jahre 2020, insbesondere gegen die hohe Zahl von Sexualdelikten, vorgegangen?
  2. Welche Maßnahmen sind für das Jahr 2021 vorgesehen, um insbesondere junge Frauen besser vor sexuellen Übergriffen zu schützen?

Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind in den vergangenen Jahren zunehmend enttabuisiert worden und damit weiter in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Dies führte unter anderem zu einem gesteigerten Anzeigeverhalten und trägt damit zur Aufhellung des Dunkelfeldes bei, wodurch die Anzahl der polizeilich bekannt gewordenen Fälle steigt.

Die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der Kinderpornografie ist ein kriminalpolitischer und kriminalstrategischer Schwerpunkt der Polizei NRW. Handlungsleitend für alle Maßnahmen war und ist neben der beweissicheren Verfolgung von Straftaten, das schnellstmögliche Erkennen und Unterbinden andauernder sexueller Missbrauchshandlungen.

Die Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs werden seit dem 01.09.2020 bei den 16 Kriminalhauptstellen konzentriert, so dass die Bearbeitung von Missbrauchstaten ähnlich gewichtet wird wie Tötungsdelikte. Darüber hinaus ist das Thema Kindesmissbrauch fest im Referat 426 „Kindesmissbrauch / Besondere Kriminalitätsangelegen-heiten“ im Ministerium des Innern verankert.

Neben der Strafverfolgung ist polizeiliche Kriminalprävention als Teil der Gefahrenabwehr integraler Bestandteil des gesetzlichen Auftrags und im Ministerium des Innern, dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) und den Kreispolizeibehörden festgeschrieben. Die Polizei informiert Bürgerinnen und Bürger über Erscheinungsformen der Kriminalität, polizeiliche Bekämpfungsziele, Gefährdungseinschätzungen und Opferrisiken. Hierzu wurden entsprechende Präventionshinweise zu den Themen Cyber-Grooming, Sexting, sexuelle Übergriffe in sozialen Medien erstellt.

Die Internetseite des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) sowie die Internetseite „Polizei für dich“ bieten zu den Themen „Gewalt im sozialen Nahraum“, „Sexualdelikte“ und „Sexueller Missbrauch von Kindern“ umfangreiche Informationen sowohl zu den Delikten als auch zu Hilfeangeboten. Im Jahr 2020 hat das ProPK eine neue Kampagne mit dem Ziel gestartet, Kinder und Jugendliche über die strafbare Verbreitung von Kinderpornografie in Chats zu sensibilisieren und dadurch die Verbreitung von Kinderpornografie in digitalen Medien zu stoppen.

Bereits im Jahr 2019 setzte die Landesregierung die Interministerielle Arbeitsgruppe „Maßnahmen zur Prävention, zum Schutz vor und Hilfe bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ ein, die Ende des Jahres 2020 ein abgestimmtes Handlungs- und Maßnahmenkonzept vorgelegt hat. Auf eine nähere Darstellung der einzelnen Maßnahmen wird an dieser Stelle verzichtet. Informationen hierzu finden sich unter folgendem Link: https://www.mkffi.nrw/praevention-sexualisierter-gewalt-0.

Die Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle des LKA NRW führt zudem eine Studie „Sexuelle Gewalt gegen Frauen“ durch. Auf Grundlage der daraus gewonnenen Erkenntnisse werden die Angebote der polizeilichen Kriminalprävention überprüft und ggf. neu angepasst bzw. ausgeweitet.

Um junge Mädchen in ihren Rechten, in ihrer Persönlichkeit und in ihrer Entwicklung zu stärken, fördert das Land jährlich Projekte von Mädchenberatungsstellen für Mädchen in besonderen Lebenslagen, die neben (präventivem) Empowerment frühzeitig Hilfe, Unterstützung und Schutz für von sexualisierter Gewalt bedrohten und /oder betroffenen Mädchen bieten. Informationen zu den einzelnen Projekten finden sich unter folgendem Link: https://www.mkffi.nrw/Gewaltpr%C3%A4vention.

Um junge Frauen und Mädchen, denen sexualisierte Gewalt widerfahren ist, noch besser bei der Bewältigung der erlebten Gewalt zu unterstützen, hat die Landesregierung vielfältige, opferschützende Maßnahmen ergriffen und die Beratungsangebote für Opfer von Sexualstraftaten ausgebaut. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen fördert inzwischen bereits 62 allgemeine Frauenberatungsstellen und 52 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt, die junge Frauen und Mädchen nach erlittener Gewalt je nach Bedarf mit akuter Krisenintervention, psychologischer Beratung und weiteren Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus bieten 64 Frauenhäuser von Gewalt betroffenen Frauen mit ihren Kindern Zuflucht und professionelle Beratung an.

Die landesweit tätige Fachstelle zur Gewaltprävention und zum Gewaltschutz für Mädchen und junge Frauen mit Behinderung/chronischer Erkrankung „Mädchen – sicher – inklusiv“ des Mädchenhauses Bielefeld verfügt über eine onlinebasierte Informations- und Beratungsplattform und bietet unter anderem auf die vorgenannte Zielgruppe zugeschnittene Beratungsangebote sowie eine Weitervermittlung von spezifischen Unterstützungs- und Hilfeangeboten.

Frauen, die sich – ggf. noch – nicht in der Lage sehen, eine Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten, stehen mittlerweile in 35 Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen landesgeförderte Modelle zur anonymen Spurensicherung zur Verfügung. Auf diese Weise lassen sich im Bedarfsfall Gewaltspuren anonym sichern, um sie ggf. zu einem späteren Zeitpunkt als Beweismittel in einem Strafverfahren zu verwenden. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen wird auch im Jahr 2021 durch die Förderung der regionalen Kooperationen zur Anonymen Spurensicherung (ASS) dazu beitragen, bestehende ASS-Kooperationen zu unterstützen und die Gründung weiterer ASS-Modelle in bisher nicht versorgten Städten und Kreisen zu ermöglichen.

 

Antwort samt Anlagen als PDF