Kleine Anfrage 1068
des Abgeordneten Markus Wagner vom 13.01.2023
Flüchtlingsfeindliche Straftaten in NRW im Jahre 2022
Die Anfrage zum Themenkomplex „Flüchtlingsfeindliche Straftaten“ für das erste Berichtshalbjahr 2022 ergab, dass sich die Anzahl entsprechender Straftaten auf 44 Fälle verringert hat. Dabei konnten in 22 Fällen Tatverdächtige ermittelt werden. Bei 22 Straftaten konnte kein Täter eruiert werden. Insgesamt wurden 38 flüchtlingsfeindliche Straftaten dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet, wobei davon 18 Straftaten als ungeklärt gelten.1
Ziel der Anfrage für das gesamte Jahr 2022 ist es erneut, eine differenziertere Aufschlüsselung der Straftaten zu erhalten.
So gilt es, die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren, der Anklagen, der Verurteilungen und der Einstellungen von Ermittlungen bzw. Verfahren darzulegen. Die Frage, ob im konkreten Fall Menschen direkt angegriffen wurden und zu Schaden kamen oder ob beispielsweise die Straftat gegen eine im Bau befindliche Unterkunftseinrichtung gerichtet war, konnte die Landesregierung bisher nicht ausreichend beantworten. Eine genaue Lagebeurteilung wird so zumindest erschwert.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Straftaten wurden im Jahre 2022 gegen Flüchtlingsunterkünfte bzw. von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln.)
- Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten.)
- In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte?
- Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte im letzteren Fall die konkrete Zuordnung? (Bitte einzeln auflisten.)
- Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2022 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?
Markus Wagner
1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/520.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1068 mit Schreiben vom 10. Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.
Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten.
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
- gegen eine Person wegen der ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder ihres Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten können sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.
Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).
Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt für das Jahr 2022 ist noch nicht abgeschlossen und die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen mit Stand 18. Januar 2023 sind als vorläufige Zahlen zu betrachten.
- Wie viele Straftaten wurden im Jahre 2022 gegen Flüchtlingsunterkünfte bzw. von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln.)
Im Jahr 2022 wurden im KPMD-PMK in Nordrhein-Westfalen bislang zwölf flüchtlingsfeindliche Straftaten im Sinne der Fragestellung erfasst. Es wurde keine Person im Sachzusammenhang verletzt.
Weitergehende Angaben bitte ich der Anlage zu entnehmen.
- Bei wie vielen unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten.)
Im Jahr 2022 wurden zu den in der Antwort auf Frage 1 genannten Fällen bislang zwei Tatverdächtige ermittelt. Es wurde keine Person festgenommen.
- In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfassten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte?
Als geklärt sind die Fälle anzusehen, bei denen ein oder mehrere Tatverdächtige ermittelt werden konnten. Die Aufteilung auf die Phänomenbereiche bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Tatverdächtige ermittelt | Phänomenbereich | ||||
Ausländische Ideologie | Links | Rechts | Religiöse Ideologie | Nicht zu-zuordnen | |
Ja | 1 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Nein | 2 | 0 | 7 | 0 | 1 |
- Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte im letzteren Fall die konkrete Zuordnung? (Bitte einzeln auflisten.)
Die Zuordnung einer Straftat in einen Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität erfolgt stets auf Grundlage und nach Betrachtung des Einzelfalls. So erfolgt eine Zuordnung, wenn nach Würdigung der Umstände der Tat Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person, wegen ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen Aufenthaltsstatus (Asylbewer-ber/Flüchtling) gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
- Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2022 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?
Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Fällen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Dem Ministerium der Justiz liegen die zur Beantwortung erforderlichen Zahlen nicht vor und können mit einem für die Strafrechtspflege vertretbaren Aufwand nicht beschafft werden. Verfahren wegen „flüchtlingsfeindlicher“ Straftaten werden in den Statistiken und Datenbanken der Justiz nicht gesondert erfasst. Eine Erhebung der Daten würde daher eine Einzelauswertung der Akten aller in Betracht kommenden Verfahren erfordern.