Leverkusener Rheinbrücke – Was passiert jetzt nach der Kündigung? Was plant die Landesregierung?

Antrag
vom 27.04.2020

Aktuelle Stundeauf Antrag der AfD-Fraktion vom 27.04.2020

 

Leverkusener Rheinbrücke – Was passiert jetzt nach der Kündigung? Was plant die Landesregierung?

Am 24 April 2020 erklärte der Landesbetrieb Straßen.NRW in einer Pressemitteilung, dass er den Vertrag mit dem österreichischem Baukonzern Porr AG über den Neubau der Rheinbrücke zwischen Leverkusen und Köln als Teil der Autobahn 1 gekündigt habe. Straßen.NRW ließ ebenfalls verlautbaren, dass eine Neu-Ausschreibung kurzfristig in der letzten Aprilwoche erfolgen soll.1 Der Hauptgrund für die Vertragskündigung sind mangelhafte Stahlbauteile, hergestellt vom chinesischen Zulieferer „China Railway Shanhaiguan Bridge Group (CRSBG)“ der Porr AG.

Die Bauzeit der neuen Rheinbrücke verzögere sich und man rechne mit einer Fertigstellung der ersten von zwei neuen Brücken im September 2023. Darüber hinaus scheint sich der Abriss der alten Brücke auf Grund von Asbest- und PCB-Belastungen komplexer und damit teurer als geplant zu gestalten. Bisher sind 363 Mio. Euro für den Neubau der Brücke veranschlagt.

Laut Berichterstattung des „Kölner Stadtanzeigers“ vom 25.April 2020 war eine Qualitätskontrolle an den Produktionsstandorten in China durch Ingenieure von Straßen.NRW nicht bzw. auf Grund von Arbeitsschutzfragen nur eingeschränkt möglich.

Aus dem vorliegenden Artikel ergibt sich erstmals auch ein Hinweis darauf, dass Straßen.NRW der Verschiffung der Teile ohne Auflagen nur unter Vorbehalt zugestimmt haben soll. In der Vergangenheit hieß es nämlich stets, dass Straßen.NRW einer Verschiffung „einfach so“ zugestimmt hätte.23 Der Zeitung scheinen aktuell interne Unterlagen des Landesbetriebs Straßen.NRW über die kritische Situation der Rheinbrücke vorzuliegen, die bislang der Öffentlichkeit und dem Landtag nicht zur Verfügung standen.4 Die im Rotterdamer und Niehler Hafen lagernden Stahlbauteile weisen wohl alle zwischen 250 und 600 Mängel auf. Eine vollständige Mängelbeseitigung, die einen normengerechten Einbau ermöglichen würde, scheint nicht möglich.5 Ein Betrieb der Brücke wie in der Planung angedacht, wäre mit diesen Stahlbauteilen ausgeschlossen. Der Umfang der entstandenen Probleme wurde erst mit dem Berichten vom Wochenende 24./25. April 2020 um die Kündigung offenbart.

Die Rheinbrücke als Teil der Autobahn 1 ist eine der wichtigsten Transportrouten für bedeutende Industriebetriebe auf beiden Seiten des Rheins (z.B. Ford in Köln oder der Chemiepark in Leverkusen). Viele Pendler sind ebenfalls auf diese Brücke angewiesen, um zu ihren Unternehmen und Arbeitsplätzen zu gelangen. Die bereits im Jahre 2013 erfolgte Nutzungssperre der Brücke für den Schwerlastverkehr führt aktuell zu einer massiven Behinderung des Transportverkehrs und belastet andere Brücken zusätzlich.

Die erneute Verzögerung des Brückenneubaus stellt deshalb eine Belastung für zahlreiche Industrie-, Handels- und Logistikunternehmen dar, die auf eine funktionierende, sichere Infrastruktur angewiesen sind – ganz abgesehen von der Perpetuierung der baubedingten Stausituation auf beiden Seiten der Leverkusener Rheinbrücke.

Leider reihen sich die Probleme um den Bau dieser Brücke in eine Folge von gescheiterten öffentlichen Bau-Projekten ein. Als prominenteste Beispiele in Deutschland seien der Berliner Flughafen und die Hamburger Elbphilharmonie genannt.

Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Ausschreibungsregelungen auf deutscher aber auch auf europäischer Ebene für diese Art von Projekten ungeeignet sind und welche anderen Gründe zum Scheitern dieser Projekte beitragen, etwa eine mangelhafte Planung und Projektsteuerung auf staatlicher Seite. Vielleicht sollte bei öffentlichen Projekten endlich das Prinzip „Geiz ist geil“ in Frage gestellt werden. Die günstigste Baudurchführung führt ganz offensichtlich nicht immer zu den gewünschten qualitativ hochwertigen Bauergebnissen.

Die Situation um die Leverkusener Brücke hat sich mit der Kündigung des Vertrags durch das Land Nordrhein-Westfalen am Freitag, dem 24. April 2020, komplett verändert. Das gesamte Projekt verzögert sich nicht nur, es ist nun als Ganzes in Gefahr. Es handelt sich nicht mehr nur um ein öffentliches Projekt mit Baumängeln. Hier liegt der Beginn eines neuen Bauprojekts mit einer wahrscheinlich komplexen europaweiten Ausschreibung und mit allen damit verbundenen Risiken vor. Eine zügige Neu-Ausschreibung nach Kündigung des Vertrags ist ohne Vorbereitung nicht möglich.

Die Landesregierung um den zuständigen Verkehrsminister Hendrik Wüst muss darlegen, wie sie mit der neuen Ausschreibung sicherstellen will, dass die Fehler der Vergangenheit, unter anderem bei den Auswahlkriterien für Zulieferer, nicht wiederholt werden. Können die Menschen und Steuerzahler in NRW endlich mit Qualität im traditionellen Sinne, nämlich dem von „Made in Germany“ und nicht von chinesischen Billigstahlbauteilen, rechnen?

Des Weiteren muss die Landesregierung dazu Stellung beziehen, wie sie mit der Kündigung des Vertrages den Ruf von NRW als Industrie- und Infrastrukturstandort wiederherstellen möchte. Ein akuter und massiver Ansehensverlust für das Land Nordrhein-Westfalen ist jetzt schon eingetreten.

Die Landesregierung muss der Öffentlichkeit und dem Landtag die Gründe und den Zeitablauf erläutern, um darzulegen,

  • wie es im Einzelnen zu der Kündigung gekommen ist,
  • welche Gespräche mit der Porr AG stattgefunden haben,
  • wie lange die Vorbereitungen für die Neu-Ausschreibung schon andauern und
  • warum das Parlament nicht schon länger über die gesamten Umstände an der Brücke informiert worden ist.

Darüber hinaus muss die Landesregierung detailliert erläutern, welche Maßnahmen konkret und zeitnah ergriffen werden, um einen möglichen kompletten Ausfall der alten Leverkusener Rheinbrücke wegen der längeren Nutzungsdauer auf Grund der am Freitag erfolgten Vertragskündigung zu verhindern. Zudem ist offenzulegen, welche Folgen die Kündigung für andere Brücken im Land hat. Diese müssen den zusätzlichen Schwerlastverkehr über den Rhein weiterhin mitschultern. Die möglichen Risiken müssen dem Steuerzahler jetzt mitgeteilt werden. Die Unternehmen und die Pendler können nur so langfristig planen.

Die Landesregierung muss erklären, welche Rolle der Bund bei dieser Entscheidung gespielt hat und ob Probleme/Reibungsverluste mit der aktuell erfolgenden Verschiebung der Zuständigkeiten im Autobahnbereich auf den Bund für die Neu-Ausschreibung zu erwarten sind.

Die Landesregierung muss dabei ebenso erläutern,

  • wo das Land in der Vergangenheit Fehler gemacht hat, z.B. bei der Kampfmittelsondierung oder bei der erst im Jahre 2018 erfolgten Umweltprüfung der alten Brücke,
  • wie es zur unterschiedlichen öffentlichen Darstellungen über die Freigabe der Stahlbauteile zwischen Straßen.NRW und der Porr AG gekommen ist
  • welcher Projektpartner wie bei der Begutachtung der Produktionsstandorte behindert wurde und
  • welche zusätzliche Kosten aus der Kündigung und der Neuausschreibung dem Steuerzahler entstehen

Hier muss insbesondere auch die Frage beantwortet werden, was es mit den neu erhobenen Vorwürfen bezüglich eines eingeschränkten Arbeitsschutzes in China auf sich hat.

Im Übrigen ist es auch von öffentlichem Interesse, welche Verantwortung die vormalige rot­grüne Landesregierung mit dem Verkehrsminister Michael Groschek durch die Festlegung von Ausschreibungskriterien, Auswahl von Projektpartnern und fehlerhaftem Projektmanagement (z.B. die verspätete Kampfmittelsondierung und die nicht rechtzeitig erfolgte Umweltüberprüfung der alten Brücke) für dieses Desaster trägt. Das umfasst ausdrücklich auch die Frage, weshalb überhaupt chinesische Stahlbauteile zum Einsatz kommen. Hatte der SPD-Minister nicht das Vertrauen in die NRW-Industrie, die Stahlbauteile selbst fertigen zu können?

In den letzten Tagen ist eine Vielzahl von neuen Informationen über den Bau der Leverkusener Brücke zu Tage gekommen, und die Kündigung hat das Projekt in einen gänzlich neuen Verfahrensstand gesetzt.

Es ist daher im öffentlichen und parlamentarischen Interesse und von dringender Notwendigkeit, dass die Landesregierung in einer Aktuellen Stunde lückenlose Aufklärung zu der gegenwärtigen Situation um die Leverkusener Brücke betreibt und die Hintergründe ihrer Kündigungsentscheidung erläutert.

Herbert Strotebeck
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 http://www.strassen.nrw.de/de/presse/meldungen/meldung/rheinbruecke-leverkusen-strassen-nrw-kuendigt-vertrag-m it-porr-neuausschreibung-wird-naechste-woche-veroeffentlicht.html

2 https://www.ksta.de/region/leverkusen/stadt-leverkusen/materialfehler-leverkusener-bruecke-droht-jahrelanger-stillstand-und-kostenexplosion-36573206

3 https://www.ksta.de/region/leverkusen/leverkusener-bruecke-strassen-nrw-kritisiert-schikanen-bei-der-bauueberwachung-in-china-36604376

4 https://www.ksta.de/region/leverkusen/leverkusener-bruecke-strassen-nrw-kritisiert-schikanen-bei-der-bauueberwachung-in-china-36604376

5 https://www.ksta.de/region/leverkusen/leverkusener-bruecke-strassen-nrw-kritisiert-schikanen-bei-der-bauueberwachung-in-china-36604376