Kleine Anfrage 1424der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 03.09.2018
Angriffe und Brandstiftungen gegen Flüchtlingsunterkünfte in Nordrhein-Westfalen
Das Bundeslagebild des BKA 2017 Kriminalität im Kontext von Zuwanderung1 hat ergeben, dass wenn ein Asylbewerber/Flüchtling Opfer einer Straftat wurde, es sich in 15 % der Fälle um deutsche Tatverdächtige handelte und folglich in 85 % der Fälle um ausländische Tatverdächtige.
Berechtigterweise werden seit 2015 die vermehrten Übergriffe und Brandanschläge gegen Asylbewerberunterkünfte, die nicht zu tolerieren sind, beklagt. Auch bei diesen Straftaten gilt es allerdings genauer hinzuschauen und das jeweilige Täterprofil zu ermitteln. In zahlreichen Fällen in der Vergangenheit waren Asylbewerber Täter oder tatverdächtig:
- November 2017 in Rüthen2
- Juli 2018 in Havixbeck3
- Juli 2018 in Coesfeld4
- März 2018 in Fellbach5
- März 2017 Mönchengladbach6
Für viel Aufsehen hat im Juni 2016 die Brandstiftung in der als Asylbewerberunterkunft genutzten Messehalle 18 in Düsseldorf gesorgt. Der Prozess gegen die mutmaßlich Tatverdächtigen wurde seinerzeit ausführlich auf NRW.direkt7 geschildert. Angeklagt waren ein 27-jähriger Algerier sowie ein 27-jähriger Marokkaner. Interessant in diesem Zusammenhang die Schilderung, dass einer der Angeklagten zugab, wie er jahrelang in Spanien sowie Italien gelebt habe ohne einen Asylantrag zu stellen und Ende 2015 nach Deutschland gegangen sei, weil er „sein Leben verbessern“ wollte. Nachdem er hier einen Asylantrag gestellt hatte, konnte er „von Sozial leben“. Laut NRW.direkt schilderte ein Sozialarbeiter, dass „in der Asylbewerberunterkunft hauptsächlich Verbrecher, Psychopathen und Kleinkriminelle untergebracht waren und die Polizei jeden zweiten Tag dort im Einsatz gewesen sei.“ Der Sozialarbeiter wird weiter zitiert, „dass Drohungen wie „Wir legen die Halle in Schutt und Asche“, „Wir zünden euch an“, „Wir bringen euch alle um“ oder „Wir brennen die Halle nieder“ dort an der Tagesordnung waren“. Staatsanwalt Martin S. soll bei seinem Plädoyer beklagt haben, dass „zu viele Zeugen während des Prozesses weggebrochen seien“. Zweifel führten am Ende zu einem Freispruch der Tatverdächtigen.
Ich frage daher die Landesregierung:
1. Wie viele Angriffe und Brandstiftungen hat es seit zwischen dem 01.07.2015 und dem 30.06.2018 gegen Asylbewerberunterkünfte in Nordrhein-Westfalen gegeben? (bitte einzeln auflisten nach Datum und Ort inkl. einer kurzen Schilderung des Tathergangs)
2. In wie vielen, der unter Frage 1 abgefragten Straftaten, konnten die Täter ermittelt, die Tat aufgeklärt und die Täter eindeutig einer entsprechenden Gruppe zugeordnet werden? (bitte auflisten nach „nicht aufgeklärt“, „aufgeklärt“ und der entsprechenden Zuordnung)
3. In wie vielen Fällen waren für die Angriffe und Brandstiftungen Bewohner der entsprechenden Unterkünfte selbst verantwortlich oder tatverdächtig?
4. Wie werden im Verfassungsschutzbericht und in der polizeilichen Kriminalstatistik NRW die nicht aufgeklärten Fälle und die Straftaten durch Asylbewerber eingestuft?
5. Wie wurde die geschilderte Brandstiftung in der Messehalle Düsseldorf eingestuft, bei der die Angeklagten mangels Beweisen freigesprochen wurden?
Gabriele Walger-Demolsky
1
6 http://nrw-direkt.net/brandstifter-zu-acht-jahren-verurteilt/
7 http://nrw-direkt.net/category/justiz/abgebrannte-messehalle/
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 05.10.2018
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1424 mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.
Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten,
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben,
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
- gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a Strafgesetzbuch als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungs-zusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK).
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) erfasst grundsätzlich keine expliziten Daten über die angegriffenen Objekte. Eine Differenzierung über die Deliktschlüssel, so wie es im Bereich des schweren Diebstahls möglich ist, existiert im Bereich der Brandstiftung bzw. des Herbeiführens einer Brandgefahr nicht. Somit lassen sich Brandstiftungen gegen Flüchtlingsunterkünfte aus den Daten der PKS nicht identifizieren. Aus diesem Grund ist die Beantwortung der Fragen 14 auf Basis der PKS nicht möglich.
1. Wie viele Angriffe und Brandstiftungen hat es seit zwischen dem 01.07.2015 und dem 30.06.2018 gegen Asylbewerberunterkünfte in Nordrhein-Westfalen gegeben? (bitte einzeln auflisten nach Datum und Ort inkl. einer kurzen Schilderung des Tathergangs)
Vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2018 wurden im Rahmen des KPMD-PMK insgesamt 86 Gewaltdelikte gegen Asylunterkünfte statistisch erfasst. Bei 48 dieser Gewaltdelikte handelt es sich um Branddelikte. Weitere Einzelheiten bitte ich der Anlage zu entnehmen; die Branddelikte sind „fett“ markiert. Eine Kurzdarstellung der Sachverhalte erfordert eine manuelle Auswertung jedes einzelnen Vorganges. Dies ist im Hinblick auf die zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zeitgerecht möglich.
2. In wie vielen, der unter Frage 1 abgefragten Straftaten, konnten die Täter ermittelt, die Tat aufgeklärt und die Täter eindeutig einer entsprechenden Gruppe zugeordnet werden? (bitte auflisten nach „nicht aufgeklärt“, „aufgeklärt“ und der entsprechenden Zuordnung)
3. In wie vielen Fällen waren für die Angriffe und Brandstiftungen Bewohner der entsprechenden Unterkunft selbst verantwortlich oder tatverdächtig?
Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet.
28 der 86 Gewaltdelikte wurden aufgeklärt und Täter ermittelt. Bei zwölf der aufgeklärten Gewaltdelikte handelt es sich um Branddelikte. Weitere Einzelheiten bitte ich ebenfalls der Anlage zu Frage 1 zu entnehmen.
Eine Zuordnung der Tatverdächtigen zu „Gruppen“ erfolgt im KPMD-PMK nicht. Ob es sich bei den Tatverdächtigen um Bewohner der angegriffenen Unterkünfte handelt, wird im KMPD-PMK statistisch nicht erfasst. Eine Einzelauswertung der 28 aufgeklärten Gewaltdelikte ergab, dass es sich in einem Fall bei den Tatverdächtigen um Bewohner der entsprechenden Unterkunft handelte.
Darüber hinausgehende Daten liegen nicht vor.
4. Wie werden im Verfassungsschutzbericht und in der polizeilichen Kriminalstatistik NRW die nicht aufgeklärten Fälle und die Straftaten durch Asylbewerber eingestuft?
Im KPMD-PMK sind 56 der insgesamt 58 nicht aufgeklärten Gewaltdelikte dem Phänomenbereich PMK – Rechts zugeordnet. Dem Phänomenbereich „PMK- nicht zuzuordnen“ sind die verbleibenden zwei Gewaltdelikte zugeordnet.
Datenquelle für den Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen ist der KPMD-PMK, nicht die PKS. Es findet keine eigene Einstufung durch den Verfassungsschutz oder im Rahmen des Verfassungsschutzberichtes statt.
5. Wie wurde die geschilderte Brandstiftung in der Messehalle Düsseldorf eingestuft, bei der die Angeklagten mangels Beweisen freigesprochen wurden?
Bei diesem Delikt handelt es sich nicht um eine politisch motivierte Straf-tat, weshalb sie im KPMD – PMK nicht erfasst wurde.
Politisch motivierte Kriminalität
Tattag | Tatort | Delikt | Aufklärung |
26.07.2015 | Bochum | § 224 StGB | aufgeklärt |
30.07.2015 | Herne | § 223 StGB | aufgeklärt |
08.08.2015 | Bochum | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
16.08.2015 | Gütersloh | § 223 StGB | aufgeklärt |
16.08.2015 | Voerde | § 125a StGB | nicht aufgeklärt |
21.08.2015 | Düren | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
22.08.2015 | Espelkamp | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
01.09.2015 | Bad Oeynhausen | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
03.09.2015 | Witten | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
06.09.2015 | Dortmund | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
06.09.2015 | Münster | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
12.09.2015 | Wiehl | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
14.09.2015 | Porta Westfalica | § 306a StGB | aufgeklärt |
03.10.2015 | Altena | § 306b StGB | aufgeklärt |
03.10.2015 | Xanten | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
09.10.2015 | Köln | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
10.10.2015 | Essen | § 125 StGB | aufgeklärt |
10.10.2015 | Hattingen | § 113 StGB | aufgeklärt |
19.10.2015 | Overath | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
06.11.2015 | Schwerte | § 125a StGB | aufgeklärt |
09.11.2015 | Telgte | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
06.12.2015 | Ahlen | § 224 StGB | aufgeklärt |
08.12.2015 | Borken | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
08.12.2015 | Borken | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
14.12.2015 | Kirchhundem | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
15.12.2015 | Werne | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
27.12.2015 | Erwitte | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
31.12.2015 | Ahaus | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
01.01.2016 | Leverkusen | § 224 StGB | aufgeklärt |
02.01.2016 | Burscheid | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
02.01.2016 | Köln | § 306a StGB | aufgeklärt |
04.01.2016 | Bottrop | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
09.01.2016 | Ascheberg | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
10.01.2016 | Raesfeld | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
15.01.2016 | Oberhausen | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
17.01.2016 | Gescher | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
17.01.2016 | Paderborn | § 125 StGB | aufgeklärt |
20.01.2016 | Paderborn | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
21.01.2016 | Marl | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
25.01.2016 | Paderborn | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
25.01.2016 | Witten | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
02.02.2016 | Oberhausen | § 308 StGB | aufgeklärt |
08.02.2016 | Warburg | § 306b StGB | aufgeklärt |
08.02.2016 | Warburg | § 306a StGB | aufgeklärt |
14.02.2016 | Ahaus | § 224 StGB | aufgeklärt |
28.02.2016 | Kirchhundem | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
Tattag | Tatort | Delikt | Aufklärung |
19.03.2016 | Eslohe | § 306b StGB | nicht aufgeklärt |
23.03.2016 | Hamminkeln | § 223 StGB | nicht aufgeklärt |
11.04.2016 | Dortmund | § 223 StGB | nicht aufgeklärt |
15.04.2016 | Lindlar | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
26.04.2016 | Kerken | § 306a StGB | aufgeklärt |
28.04.2016 | Münster | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
11.05.2016 | Ennigerloh | § 223 StGB | aufgeklärt |
23.05.2016 | Schloß Holte-Stukenbrock | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
04.06.2016 | Münster | § 306 StGB | aufgeklärt |
10.06.2016 | Neunkirchen-Seelscheid | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
11.06.2016 | Leverkusen | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
18.06.2016 | Hagen | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
22.06.2016 | Paderborn | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
05.07.2016 | Krefeld | § 223 StGB | nicht aufgeklärt |
17.07.2016 | Brakel | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
01.08.2016 | Enger | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
08.09.2016 | Wilnsdorf | § 211 StGB | aufgeklärt |
14.09.2016 | Petershagen | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
16.09.2016 | Warburg | § 223 StGB | aufgeklärt |
08.10.2016 | Sankt Augustin | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
09.10.2016 | Bochum | § 224 StGB | aufgeklärt |
31.10.2016 | Much | § 224 StGB | aufgeklärt |
24.11.2016 | Baesweiler | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
10.12.2016 | Dinslaken | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
21.12.2016 | Bochum | § 308 StGB | nicht aufgeklärt |
27.12.2016 | Neuss | § 224 StGB | aufgeklärt |
30.12.2016 | Bochum | § 306 StGB | nicht aufgeklärt |
06.01.2017 | Moers | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
04.02.2017 | Drensteinfurt | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
24.02.2017 | Schwelm | § 224 StGB | aufgeklärt |
15.03.2017 | Siegen | § 306b StGB | aufgeklärt |
02.04.2017 | Bornheim | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
11.04.2017 | Schwelm | § 306b StGB | aufgeklärt |
10.05.2017 | Schwelm | § 306 StGB | aufgeklärt |
22.05.2017 | Bad Münstereifel | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
23.06.2017 | Lemgo | § 211 StGB | nicht aufgeklärt |
27.06.2017 | Grevenbroich | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
17.07.2017 | Lippstadt | § 224 StGB | nicht aufgeklärt |
19.10.2017 | Erftstadt | § 306a StGB | nicht aufgeklärt |
27.10.2017 | Voerde | § 306b StGB | nicht aufgeklärt |
Stand: 11.09.2018