Kleine Anfrage 4736der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 10.12.2020
Welche Verbindungen bestehen zwischen JuMu Deutschland und Akteuren aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft?
Im Juli 2018 kündigte das Landesintegrationsministerium (MKFFI) in einer Pressemitteilung an, das Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schüler*innen gegen Antisemitismus“ der JuMu Deutschland gGmbH (Juden und Muslime) bis zum Ende des Jahres 2019 mit 160.000 Euro zu unterstützen.
„Das Projekt Vielfalt zum Anfassen richtet sich an Jugendliche, die von den bisherigen Maßnahmen gegen Antisemitismus nicht oder nur unzureichend erreicht werden. Dazu zählen vor allem Menschen, die nicht in Deutschland zur Schule gegangen sind und keinen Schulunterricht über den Holocaust hatten.
Darüber hinaus werden mit dem Projekt Sozialräume in den Blick genommen, in denen es besonders starke Ausprägungen von Antisemitismus gibt. In rund 30 Workshops werden Jugendliche in ganz Nordrhein-Westfalen für das Thema sensibilisiert. In Zusammenarbeit mit den örtlichen Jugendämtern, Schulen und Berufskollegs sollen sich Muslime und Juden persönlich kennenlernen, so dass das interkulturelle und interreligiöse Verständnis verbessert wird“, erläuterte das MKFFI in seiner Mitteilung die konkrete Ausgestaltung des Projekts.1
Die bei den Workshops der JuMu gGmbH mitwirkenden Muslime sind jedoch auch aus anderen Zusammenhängen bekannt: Laut der Islamismus-Expertin Sigrid H.-M. fallen bei der „genauen Betrachtung“ des Projekts JuMu „Bezüge zu langjährig bekannten Akteuren aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft auf“.
In dem am 15. September 2020 von Sigrid H.-M. veröffentlichten Artikel „Vorzeige-Projekt im Zwielicht“ heißt es wörtlich:
„So wurde in einer Projekt-Dokumentation, die von Abdeljalil M., der sich selbst als Islamologe bezeichnet, im Auftrag von JuMu abgefasst wurde, Mohamed L. als Projektleiter eines Workshops benannt. Als Redner in Schulen wurde außerdem der Islamwissenschaftler Zakaria N. aufgeführt. In der obigen Dokumentation zu einer JuMu-Konferenz am 4. Dezember 2018 in Düsseldorf waren als Referent der Psychologe Amin L. und der Berater Reuf J. als Moderator aufgeführt.
Die zwei letztgenannten Personen waren auch bei der Islamischen Bildungsmesse am 8. Dezember 2019 in Hürth bei Köln als Referenten benannt. Bei den im Programm der Islamischen Bildungsmesse genannten weiteren Referenten sind langjährig bekannte Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft. Darunter waren auch Amir Z. sowie Ferid H., ein bundesweit bekannter radikaler Prediger aus Berlin. Alle hier aufgeführten Darstellungen wurden von der Autorin entsprechend gesichert.“2
Neben den dort als Referenten benannten JuMu-Mitarbeitern gibt es laut Sigrid H.-M. noch weitere Bezüge der JuMu Deutschland gGmbH zur Islamischen Bildungsmesse: „Ausrichter der ersten Islamischen Bildungsmesse in Hürth war der Freie Verband der Muslime (FVM), dessen Vorsitzender Hamza W. zum damaligen Zeitpunkt war. Konkret wurde der FVM seinerzeit im Impressum der Bildungsmesse mit Hamza W. als verantwortlicher Person benannt.“2
Der FVM ist auch einer von insgesamt zwei muslimischen Gesellschaftern der JuMu Deutschland gGmbH.3 Hamza W. ist ebenfalls einer der beiden Geschäftsführer der JuMu Deutschland gGmbH.4 Zudem war Hamza W. als Organisator der nächsten „Bildungsmesse“ aktiv: „Als Ausrichter der ursprünglich für dieses Jahr geplanten zweiten Islamischen Bildungsmesse ist nunmehr der Förderverein Islamische Bildungsmesse aufgeführt – als dessen Geschäftsführer wiederum W. angegeben ist.“2
Nachdem Sigrid H.-M. im Dezember 2019 über die Islamische Bildungsmesse berichtet hatte, ist Hamza W. als Vertreter des FVM juristisch gegen sie vorgegangen. Ihre Darstellung, dass dort als Referenten überwiegend langjährig bekannte Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft eingeladen waren, blieb dabei jedoch unbeanstandet.5
Dass mit JuMu vom Landesintegrationsministerium ein Projekt gefördert wird, das mehrfache personelle Bezüge zu einem offenbar regelmäßig stattfindenden Treffen bekannter Personen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft hat, kommentierte sie mit den Worten: „Ausrichter und Referenten dieser ,Messe‘ bei einem vom Landesintegrationsministerium geförderten Projekt gegen Antisemitismus wiederzufinden, ist schon sehr verstörend. Hier stellt sich die Frage, ob vor der Entscheidung über die Förderung von JuMu auch der Verfassungsschutz konsultiert wurde.“ Dabei verwies Sigrid H.-M. darauf, dass sowohl Landes-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier als auch Landesinnenminister Herbert Reul in den letzten eineinhalb Jahren mit teilweise eindringlichen Worten vor dem Einfluss der Muslimbruderschaft gewarnt und diese dabei auch als „Gefahr für die Demokratie“ bezeichnet hatten.2
Das MKFFI sieht die nachgewiesenen Verflechtungen zwischen JuMu Deutschland und der Islamischen Bildungsmesse jedoch offenbar nicht als Bezüge von JuMu zum Netzwerk der Muslimbruderschaft. In einem Bericht, den Landesintegrationsminister Joachim Stamp dem Integrationsausschuss am 17. November vorgelegt hat, heißt es wörtlich:
„Anwürfe gegen den Projektträger, die ihn in die Nähe des Extremismus rücken, sind nicht sachgerecht. Die Teilnahme von Mitwirkenden des Projekts ,Vielfalt zum Anfassen‘ an der Muslimischen Bildungsmesse im Herbst 2019 ist bekannt. Weder ist JuMu eine MB-nahe Organisation noch gibt es weitergehende Erkenntnisse über Verbindungen von JuMu Deutschland zur Muslimbruderschaft oder zu Vereinen, die dieser zugerechnet werden.“
In diesem Bericht teilte Integrationsminister Joachim Stamp ebenfalls mit, das Projekt in den Jahren 2020 und 2021 mit jeweils 136.630,63 Euro aus Landesmitteln zu fördern.6
Ich frage daher die Landesregierung:
- Im Bericht vom 17. November des Integrationsministers Joachim Stamp an den Integrationsausschuss ist von einer „Muslimischen Bildungsmesse im Herbst 2019“ die Rede. War damit die „Islamische Bildungsmesse“ gemeint, die am 8. Dezember 2019 in Hürth stattgefunden hat?
- Waren bei der Islamischen Bildungsmesse am 8. Dezember 2019 in Hürth als Referenten überwiegend langjährig bekannte Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft eingeladen?
- Wie erklärt sich die Landesregierung, dass JuMu-Geschäftsführer und Bildungsmessen-Ausrichter Hamza W. die Darstellung von Sigrid H.-M., bei der Islamischen Bildungsmesse im Dezember 2019 in Hürth seien als Referenten überwiegend langjährig bekannte Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft eingeladen gewesen, trotz seiner juristischen Auseinandersetzung mit ihr bis heute nicht beanstandet hat?
- Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Rolle des JuMu-Gesellschafters FVM bei der Organisation der „Islamischen Bildungsmesse“ sowie insbesondere die Personenidentität zwischen dem JuMu-Geschäftsführer und dem Ausrichter einer Messe, bei der als Referenten überwiegend langjährig bekannte Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft eingeladen werden, keinerlei Verbindung zwischen der JuMu Deutschland gGmbH und dem Netzwerk der Muslimbruderschaft darstellt?
- Welchen Erkenntnisse liegen der Landesregierung zum FVM vor, insbesondere unter dem Aspekt möglicher Bezüge zur Muslimbruderschaft?
Gabriele Walger-Demolsky
1 Vgl. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/landesregierung-unterstuetzt-zentralrat-der-muslime-im-kampf-gegen-antisemitismus
2 Vgl. https://vunv1863.wordpress.com/2020/09/15/vorzeige-projekt-im-zwielicht/
3 Vgl. https://www.jumu-deutschland.de/jumu-deutschland/
4 Vgl. https://www.jumu-deutschland.de/impressum/
5 Vgl. https://vunv1863.wordpress.com/2019/12/05/koeln-bildungsmesse-mit-muslimbruedern/
6 Vgl. Vorlage 17/4211
Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 4736 mit Schreiben vom 11. Januar 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet.
- Im Bericht vom 17. November des Integrationsministers Joachim Stamp an den Integrationsausschuss ist von einer „Muslimischen Bildungsmesse im Herbst 2019“ die Rede. War damit die „Islamische Bildungsmesse“ gemeint, die am 8. Dezember 2019 in Hürth stattgefunden hat?
Ja.
- Waren bei der Islamischen Bildungsmesse am 8. Dezember 2019 in Hürth als Referenten überwiegend langjährig bekannte Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft eingeladen?
Nein. Lediglich einzelne Teilnehmer der Bildungsmesse sind für ihre langjährigen Beziehungen zur Muslimbruderschaft bekannt.
- Wie erklärt sich die Landesregierung, dass JuMu-Geschäftsführer und Bildungsmessen-Ausrichter Hamza W. die Darstellung von Sigrid H.-M., bei der Islamischen Bildungsmesse im Dezember 2019 in Hürth seien als Referenten überwiegend langjährig bekannte Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft eingeladen gewesen, trotz seiner juristischen Auseinandersetzung mit ihr bis heute nicht beanstandet hat?
Die Landesregierung ist nicht in die juristische Auseinandersetzung zwischen Herrn W. und Frau H.-M. involviert, hat zu der geschilderten Nichtbeanstandung keine weiteren Erkenntnisse und stellt daher auch keine Mutmaßungen an.
- Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Rolle des JuMu-Gesellschafters FVM bei der Organisation der „Islamischen Bildungsmesse“ sowie insbesondere die Personenidentität zwischen dem JuMu-Geschäftsführer und dem Ausrichter einer Messe, bei der als Referenten überwiegend langjährig bekannte Akteure aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft eingeladen werden, keinerlei Verbindung zwischen der JuMu Deutschland gGmbH und dem Netzwerk der Muslimbru-derschaft darstellt?
Dem Verfassungsschutz NRW liegen keine weitergehenden Erkenntnisse über Verbindungen von JuMu Deutschland zur Muslimbruderschaft oder zu Vereinen, die dieser zugerechnet werden, vor.
- Welchen Erkenntnisse liegen der Landesregierung zum FVM vor, insbesondere unter dem Aspekt möglicher Bezüge zur Muslimbruderschaft?
Bezüge des FVM zur Muslimbruderschaft sind der Landesregierung nicht bekannt. Berührungspunkte bestehen lediglich durch den „Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.“ (ZMD), dem sowohl der FVM als auch die der Muslimbruderschaft zuzurechnende „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V.“ (DMG) angehören.