Kleine Anfrage 3337des Abgeordneten Herbert Strotebeck vom 22.01.2020
Anmaßend, diskriminierend und instrumentalisierend – Ist der Westdeutsche Rundfunk (WDR) ethisch und finanziell noch tragbar?
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) sieht sich seit Ende Dezember 2019 verstärkter Kritik ausgesetzt. Auslöser für die derzeitige Missbilligungswelle sind einerseits die vermutliche Instrumentalisierung von Kindern und andererseits die Diskriminierung von älteren Menschen durch einen mittlerweile gelöschten WDR-Beitrag. Viele Bürger sehen in dem Machwerk des WDR eine Straftat, und so „sind mittlerweile rund 200 Strafanzeigen gegen verschiedene Personen in dem Zusammenhang eingegangen. […] Bei den Anzeigen geht es nach weiteren Angaben der Behörde um Beleidigung, Verletzung der Fürsorgepflicht oder etwa Volksverhetzung.“1
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet schrieb bei Twitter: „Die Debatte um den besten Klimaschutz wird von manchen immer mehr zum Generationenkonflikt eskaliert. Niemals dürfen Kinder von Erwachsenen für ihre Zwecke instrumentalisiert wird. [sic]“2 Der Ministerpräsident kritisierte auch die teilweise exorbitanten Gehälter, welche der öffentlich-rechtliche Rundfunk zahlt. „Die Summen, die da gezahlt werden, sind absurd. Auch die Honorare für die Moderation von Samstagabendshows erscheinen teilweise zu hoch.“3 Dem WDR kommen jährliche Gebührenerträge von rund 1,2 Milliarden Euro zu.4
Ebenfalls Kritik erregte ein freier WDR-Mitarbeiter, welcher sich bei Twitter wie folgt äußerte: „Eure Oma war keine Umweltsau. Stimmt. Sondern eine Nazisau.“5
Am 4. Januar demonstrierten Anhänger und Kritiker des WDR in der Kölner Innenstadt.6 Verdi, „größte Gewerkschaft im WDR“, freute sich in einem Twitter-Beitrag über die WDR-Sympathisantendemo und verlinkte zugleich die Antifa.7 Auf der Pro-WDR-Demo wurde zudem offensichtlich eine Fahne der Sowjetunion geschwenkt.8
Einen Tag nach der Demonstration wurde auf das Kölner Wahlkreisbüro der AfD-Bundestagsabgeordneten Jochen Haug und Fabian Jacobi ein Farbanschlag verübt.9 Bei den Tätern handelt es sich möglicherweise um WDR-Sympathisanten, wie der Bundestagsabgeordnete Fabian Jacobi darstellt: „Der Zusammenhang mit der linken Demonstration gegen WDR-Kritik am Vortag drängt sich natürlich auf. Der Versuch, Volksvertreter durch Übergriffe einzuschüchtern, stimmt bedenklich. […]“10
Selbst im Ausland findet das anmaßende und diskriminierende Verhalten des WDR Beachtung: „Denn dem WDR ist nicht einfach nur ein Fehler unterlaufen. Der Riesensender, mit knapp 4300 festen Mitarbeitern der grösste des Landes und, nach der BBC, der zweitgrösste des Kontinents, ist selbst ein Fehler. […] Die allem zugrunde liegende Botschaft des WDR ist dabei immer und ausnahmslos die Stimme des Zeitgeists. Das fängt bei Gendersternchen im Geschäftsbericht an und hört beim Klimaschutz nicht auf.“11
Eine Lösung für den Problemfall WDR wird in der NZZ auch präsentiert: „Es müsste sich nur eine Landesregierung finden, die bereit wäre, aus dem Chor der umfassenden Grundversorger auszuscheren. Eine solche ist derzeit allerdings nicht in Sicht.“12
Daher frage ich die Landesregierung:
1. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus der aktuellen, breiten Kritik am Westdeutschen Rundfunk?
2. Ist der Westdeutsche Rundfunk in seiner aktuellen Form für das Land NRW noch tragbar?
3. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, zu welchen Straftaten es durch WDR-Sympathisanten im örtlichen/zeitlichen Umfeld der Versammlungen am 4. Januar gekommen ist?
4. Wie viele Strafanzeigen gegen den WDR bzw. gegen WDR-Mitarbeiter sind in Zusammenhang mit dem Schmählied vom 27. Dezember 2019 bei den Behörden eingegangen? (Bitte aufschlüsseln nach Art der Anzeige)
Herbert Strotebeck
1 https://www.rundschau-online.de/kultur/hunderte-strafanzeigen-gegen-wdr-staatsanwaltschaft-ermittelt–33712530
2 https://twitter.com/ArminLaschet/status/1210904973984370689?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5 Etweetembed%7Ctwterm %5E1210904973984370689&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.merkur.de%2 Fpolitik%2Farmin-laschet-wdr-tatort-team-medien-kritik-nrw-ministerpraesident-cdu-zr-13414317.html
7 https://twitter.com/verdi_WDR/status/1213444036448735232
8 https://twitter.com/EichholtzAlex/status/1213710917059395585
9 https://afd.koeln/aktuelles/2020/01/farbanschlag-auf-wahlkreisbuero-der-afd-am-heumarkt/
10 Ebd.
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 19.02.2020
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3337 mit Schreiben vom 19. Februar 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten und dem Minister der Justiz beantwortet.
1. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus der aktuellen, breiten Kritik am Westdeutschen Rundfunk?
Die Landesregierung setzt sich für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein. Sie sieht im Zusammenhang mit dem Satire-Video weder einen Anlass für rechtsaufsichtliches Handeln noch gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Die Landesregierung hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass der Westdeutsche Rundfunk Köln (WDR) staatsfern organisiert ist und daher in Organisations-, Personal- und Programmangelegenheiten autonom entscheidet. Der WDR entscheidet unabhängig, wie er mit dieser Kritik umgeht.
2. Ist der Westdeutsche Rundfunk in seiner aktuellen Form für das Land NRW noch tragbar?
Die Landesregierung sieht keinen Anlass für eine grundsätzliche Reform des WDR. Sie hat bereits wiederholt deutlich gemacht, dass sie es für verfehlt hält, aufgrund eines umstrittenen Einzelbeitrags eine Grundsatzdebatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu führen.
3. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, zu welchen Straftaten es durch WDR-Sympathisanten im örtlichen/zeitlichen Umfeld der Versammlungen am 3. Januar gekommen ist?
Zunächst einmal ist aus Sicht der Landesregierung nicht nachvollziehbar, was unter dem Begriff „WDR-Sympathisanten“ zu verstehen ist. Eine Zuordnung von Tatverdächtigen zu „WDR-Sympathisanten“ ist nicht möglich.
Nach Kenntnis der Landesregierung wurden im Kontext der Demonstrationen bei der Polizei 20 Straftaten registriert. Diese teilen sich wie folgt auf:
- Verstoß gegen § 17a Versammlungsgesetz (4x),
- Verstoß gegen § 21 Versammlungsgesetz (1x),
- Sachbeschädigung gemäß § 303 Strafgesetzbuch (2x),
- Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Strafgesetzbuch (3x),
- Einfache Körperverletzung gemäß § 223 Strafgesetzbuch (4x),
- Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Strafgesetzbuch (2x),
- Diebstahl gemäß § 242 Strafgesetzbuch (1x),
- Beleidigung gemäß § 185 Strafgesetzbuch (2x),
- Verstoß gegen § 52 Waffengesetz (1x).
4. Wie viele Strafanzeigen gegen den WDR bzw. gegen WDR-Mitarbeiter sind in Zusammenhang mit dem Schmählied vom 27. Dezember 2019 bei den Behörden eingegangen? (Bitte aufschlüsseln nach Art der Anzeige)
Nach Kenntnis der Landesregierung sind bis zum 31. Januar 2020 bei der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen insgesamt 100 Anzeigen eingegangen. Diese richten sich in 91 Fällen gegen den WDR, dessen Mitarbeiter sowie freie Mitarbeiter. Neun Strafanzeigen stehen im Sachzusammenhang und richten sich gegen andere Personen. Alle Strafanzeigen umfassen die Tatbestände der Volksverhetzung sowie der Beleidigung.
Zu der Anzahl von bei den nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften eingegangenen Strafanzeigen liegen Berichte der Leitungen der Generalstaatsanwaltschaften des Landes vom 4. Februar 2020 an das Ministerium der Justiz vor.
Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat hiernach u. a. Folgendes mitgeteilt:
„Der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf berichtet unter dem 3. Februar 2020 wie folgt:
‚Im hiesigen Geschäftsbereich sind bisher 152 Strafanzeigen wegen des Tweets „Eure Oma war keine Umweltsau. Stimmt. Sondern eine Nazisau.“ erfasst. (…)‘
Im Übrigen haben die Behördenleiterin und die Behördenleiter des hiesigen Bezirks für ihren Geschäftsbereich (…) Fehlanzeige erstattet.“
Der Bericht der Generalstaatsanwältin in Hamm verhält sich zu der aufgeworfenen Frage u. a. wie folgt:
„Im Zusammenhang mit dem (…) bezeichneten Lied haben mir die Behördenleitungen meines Bezirks – ersichtlich allein auf der Grundlage erinnerungsbasierter Angaben ihrer Abteilungsleitungen sowie Dezernentinnen und Dezernenten – berichtet, es seien diesbezüglich insgesamt zwölf Strafanzeigen eingegangen. (…)
Zehn der vorbezeichneten Verfahren sind der Staatsanwaltschaft Köln mit der Bitte um Übernahme vorgelegt worden; ein Verfahren ist bei der Staatsanwaltschaft Dortmund anhängig. Letzteres wurde zunächst bei der Staatsanwaltschaft Arnsberg geführt und ist daher in der oben genannten Gesamtzahl doppelt enthalten.
Eine der vorerwähnten Strafanzeigen ist überdies zugleich bei meiner Behörde eingegangen. (…)“
Schließlich hat der Generalstaatsanwalt in Köln u. a. wie folgt berichtet:
„Zu Frage 4 der Kleinen Anfrage hat mir der Leitende Oberstaatsanwalt in Aachen wie folgt berichtet:
‚Gegen einen Mitarbeiter des WDR war wegen einer angeblichen Volksverhetzung durch Veröffentlichung der (…) zitierten Äußerung über seinen Twitteraccount am 29.12.2019, in dem er die Bezeichnung „Umweltsau“ mit „Nazisau“ ersetzte (…), eine Strafanzeige eingegangen. (…)‘
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat zu der aufgeworfenen Frage die nachfolgende Stellungnahme abgegeben:
‚Aus Anlass der Veröffentlichung des sog. Umweltsau-Videos des WDR-Kinderchors am 27.12.2019 sind hier bis einschließlich 31.01.2020, 14.00 Uhr, insgesamt 170 Strafanzeigen eingegangen. Diese betrafen in 60 Fällen allein die Veröffentlichung des Videos und richteten sich insoweit zumeist gegen den Intendanten des WDR (…) und/oder den Leiter des WDR-Kinderchors (…), daneben aber auch gegen zahlreiche andere (vermeintlich) Verantwortliche.
Weiterhin ist in 31 Fällen allein der freie Mitarbeiter des WDR (…) angezeigt worden, der im Rahmen der Diskussion um die Videoveröffentlichung einen umstrittenen Beitrag bei dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht hatte (Stichwort: Nazisau). Schließlich waren in 79 weiteren Strafanzeigen beide Sachverhalte zugleich Thema. Bei allen Strafanzeigen handelt es sich um solche nach § 158 Abs. 1 StPO.
Es ist derzeit allerdings davon auszugehen, dass an anderen Stellen des Hauses, etwa in der Poststelle (…), noch zahlreiche weitere Eingänge – etwa auch Übernahmebitten zu Ermittlungsverfahren auswärtiger Staatsanwaltschaften – eingegangen sind, ohne dass dies im Einzelnen sicher quantifizierbar wäre. (…)‘
Weitere Erkenntnisse zu „Strafanzeigen gegen den WDR bzw. gegen WDR-Mitarbeiter“ liegen in meinem Geschäftsbereich, soweit dies in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit feststellbar ist, nicht vor.“
Übernahmebitten könnten sich insbesondere daraus ergeben, dass das Polizeipräsidium Köln am 14. Januar 2020 eine bundesweite Steuerung zur Verfahrensweise bei eingehenden Strafanzeigen im Sachzusammenhang mit dem sog. Umweltsau-Video des WDR (YouTube) veranlasst hat. Darin wurde darauf hingewiesen, Strafanzeigen direkt an die Staatsanwaltschaft Köln zur rechtlichen Bewertung zu übersenden.