Wie geht es weiter mit dem innovativen Brückenbau?

Kleine Anfrage
vom 26.03.2021

Kleine Anfrage 5238des Abgeordneten Nic Vogel vom 26.03.2021

 

Wie geht es weiter mit dem innovativen Brückenbau?

Die Landesregierung und der Landesbetrieb Straßen.NRW haben sich nach eigenen Angaben dem Ziel verschrieben, „mit weniger Behinderungen für den Verkehr“ Brücken schneller zu bauen. So wurden in den Jahren 2018 und 2019 eine Serie von Pilotprojekten im Brückenbau durchgeführt.

Mit dem Pilotprojekt beim Neubau der Brücke Hammacherstraße als sogenannte „Bausteinbrücke“, die in Hagen über die A46 führt, konnte die Landesregierung gegenüber der konventionellen Bauweise mehr als 200 Tage Straßensperrung einsparen.

Laut einer Pressemitteilung des Verkehrsministeriums vom 30. Juli 2018 wurde zeitgleich Bau der Bausteinbrücke in Hagen ein weiteres Pilotprojekt im Münsterland mit sogenannten „Fertigteilbrücken“ durchgeführt. In Werne setzte Straßen.NRW zwei Bauwerke an der L518 um, bei denen die Fertigteile für den Überbau in einer sogenannten Feldfabrik abseits der Baustelle hergestellt wurden. Am 23. November 2019 wurde nach 80 Tagen Bauzeit die neue sogenannte „Legobrücke“ auf der „Stokkumer Straße“ über der A3 bei Emmerich-Elten fertig gestellt.

Die durch diese Pilotprojekte gewonnenen Erkenntnisse wollte die Landesregierung laut einer Pressemitteilung vom 25. November 2019 überall dort im Land nutzen, wo sich die Rahmenbedingungen der Örtlichkeit dazu anbieten.

In der Zuständigkeit von Straßen.NRW entfallen seit dem 1. Januar 2021 2.557 Brücken an Bundesstraßen, 3.810 Brücken an Landesstraßen und 272 Brücken an Kreisstraßen. Davon wurden bislang 219 Brücken bezüglich der Erfüllung heutiger und zukünftiger Belastungs- und Tragfähigkeitsanforderungen untersucht.

Einer tabellarischen Darstellung der Landesregierung ist zu entnehmen, dass sich zwölf der untersuchten Brücken im Bau befinden und zukünftig durch einen Neubau ersetzt werden. Weitere 95 der untersuchten Brücken müssen durch einen Ersatzneubau ertüchtigt werden.

Daher frage ich die Landesregierung:

1. Welche signifikanten Erkenntnisse hat die Landesregierung im Bereich „Innovative Brückenbaukonzepte“ gewonnen, um mit deren Hilfe dem Sanierungs- und Neubaustau im Zusammenhang mit maroden Brücken in Nordrhein-Westfalen entgegenzuwirken?

2. Welche aktuell laufenden Brückenprojekte werden nach einem innovativen Brückenbaukonzept durchgeführt?

3. Welche der bereits von der Landesregierung untersuchten und neu zu ersetzenden 95 Brücken aus der KA 17/12832 werden nach einem innovativen Brückenbaukonzept durchgeführt?

Nic Vogel

 

Anfrage als PDF


Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 5238 mit Schreiben vom 29. April 2021 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Fertigteilbrücken können Lösungen sein, um insbesondere kleinere Brücken schnellstmöglich zu erneuern. Vorteil kann die Reduzierung des Eingriffs in den Verkehr darstellen, was sich positiv auf die Dauer und Länge von Staus sowie die Verkehrsbelastung auf Umleitungsstrecken auswirkt. In den vergangenen Jahren wurden in Nordrhein-Westfalen unterschiedliche innovative Bauweisen umgesetzt, um deren Praxistauglichkeit zu prüfen und Bauzeiten zu reduzieren. Dabei standen folgende Innovationen im Fokus:

– Widerlager aus Beton-Fertigteilen,

– Widerlager aus Ortbeton mit verlorener Stahlbeton-Schalung,

– Widerlager aus „bewehrter Erde“,

– Kappen mit verlorener Stahlschalung und vormontiertem Geländer,

– Überbauten aus Modulen in Verbundbauweise,

– direkt befahrbare Überbauten ohne Ortbetonergänzung oder Asphaltdecke.

Grundsätzlich sind dabei insbesondere technische und wirtschaftliche Auswirkungen zu betrachten. Es gilt, neben der Bauzeitbeschleunigung auch in Bezug auf die Dauerhaftigkeit und den Wartungsaufwand eine Gleichwertigkeit gegenüber der konventionellen Bauweise zu erreichen. Fundierte Aussagen zur Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit von Fertigteilbauweisen können erst nach mehreren Nutzungsjahren (mindestens drei, besser jedoch sechs Jahre) getroffen werden, so dass neue und auf den ersten Blick geeignet erscheinende innovative Bauweisen nicht sofort in einer größeren Anwendungsbreite umgesetzt werden können. Der Brückenbau in Deutschland ist im Sinne eines möglichst Baustellen- und damit staufreien Betriebs grundsätzlich geprägt von dem Ziel möglichst langer Nutzungszeiträume (80 bis 100 Jahre). Neben dem Ziel, die von der Fachwelt vorgeschlagenen und als geeignet identifizierten Innovationen möglichst schnell anzuwenden – auch im Hinblick auf eine mögliche zukünftige Anwendung im Regelfall – ist es zudem erforderlich, neue Bauweisen mit besonderer Sorgfalt zu konzipieren, weiterzuentwickeln und deren Praxistauglichkeit in allen Belangen zu prüfen. Dazu ist eine sorgfältige Auswertung der durchgeführten Pilotprojekte durch die fachlich zuständigen Stellen unerlässlich.

Neben der Dauerhaftigkeit der Konstruktionen muss auch die Wirtschaftlichkeit der Bauweisen geprüft und beurteilt werden. Innovative Brückenbaukonzepte sind anfangs häufig kostenintensiver im Hinblick auf die Baukosten als bereits etablierte Regelbauweisen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass einige Kosten bei einer „Serienreife“ nicht mehr anfallen und sich Wartungs- und Unterhaltungskosten weiterentwickeln werden. Dem gegenüber steht, dass oftmals die Eingriffe in den Verkehr und damit ein volkswirtschaftlicher Schaden reduziert werden und die Vorteile industrieller Fertigung zum Tragen kommen können. Darüber hinaus können durch Standardisierungen Planungsaufwände und -zeiten reduziert und so die Umsetzung beschleunigt werden.

Vor dem Hintergrund der Vielzahl an Brücken, die aus unterschiedlichen Gründen ersetzt werden müssen und den sehr hohen Verkehrsbelastungen arbeitet der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Fachabteilung des Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen daran, technische Lösungen zu etablieren, mit denen Brückenbauwerke schnell, mit möglichst geringen Verkehrseinschränkungen, qualitativ hochwertig und zugleich in wirtschaftlicher Hinsicht vertretbar erneuert werden können.

  1. Welche signifikanten Erkenntnisse hat die Landesregierung im Bereich „Innovative Brückenbaukonzepte“ gewonnen, um mit deren Hilfe dem Sanierungs- und Neubaustau im Zusammenhang mit maroden Brücken in Nordrhein-Westfalen entgegenzuwirken?

Vgl. hierzu die Vorbemerkung der Landesregierung zur Kleinen Anfrage. Die Entwicklung, Auswertung und Evaluation der Bauweisen – insbesondere im Hinblick auf den dauerhaften Einsatz unter Verkehr – ist noch nicht abgeschlossen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Fokus beim Einsatz innovativer Bauweisen aufgrund der Auswirkungen auf den Verkehr bisher insbesondere auf die Autobahnbrücken gerichtet war. Die Zuständigkeit für die Autobahnen liegt seit 01.01.2021 bei der Autobahngesellschaft des Bundes. Das Land wird die aus den innovativen Bauweisen gewonnen Erkenntnisse bei den Straßen in seiner Baulast weiter nutzen und fortentwickeln.

  1. Welche aktuell laufenden Brückenprojekte werden nach einem innovativen Brückenbaukonzept durchgeführt?

Neben den in der Kleinen Anfrage vom Fragesteller bereits aufgeführten Projekten wurden

– die Überführung der A1 über den Afferder Weg bei Unna
(Fertigstellung Sommer 2020) und

– die Überführung der B474 über die DB-Strecke Wanne-Bremen bei
Dülmen (Fertigstellung im Dezember 2020 in nur 40 Tagen Bauzeit) fertiggestellt.

Hinzu kommen weitere Innovationen (vgl. Vorbemerkung).

Der Einsatz weiterer innovativer Brückenbaukonzepte wird derzeit geprüft. Aktuell wird beim Bau einer Umfahrung der Kreisstraße 54 im Rahmen des Neubaus der B67 zwischen Reken und Dülmen ein weiteres Widerlager in der Bauweise „bewehrte Erde“ getestet.

  1. Welche der bereits von der Landesregierung untersuchten und neu zu ersetzenden 95 Brücken aus der KA 17/12832 werden nach einem innovativen Brückenbaukonzept durchgeführt?

Für die zu erneuernden Brückenbauwerke wird grundsätzlich ein möglicher Einsatz innovativer Brückenbaukonzepte geprüft.

 

Antwort als PDF

Beteiligte:
Nic Vogel