Kleine Anfrage 404
des Abgeordneten Markus Wagner vom 02.09.2022
Großfamilien-Streit in der Dortmunder Nordstadt
Nach Angaben der Ruhrnachrichten kam es am Sonntag, den 21. August 2022, zu einem großen Polizeieinsatz an der Schleswiger Straße zwischen Nordmarkt und Bornstraße in der Nordstadt in Dortmund. Grund dafür waren Auseinandersetzungen zwischen mehreren kriminellen Personengruppen von insgesamt rund 200 Personen. Im Vorfeld habe es bereits einen Konflikt zwischen „zwei Personengruppen aus dem kriminellen Milieu“ gegeben.1
Die Polizei nahm zwei Personen vorläufig fest: zum einen einen 14-Jährigen, der bereits mehrfach durch Eigentums- und Gewaltdelikten polizeilich in Erscheinung getreten ist. Zum anderen einen 25-Jährigen, gegen den mehrere Strafverfahren andauern, der direkt am Montag wieder entlassen wurde. Der Verdächtige war bereits zuvor am Donnerstagabend in einen Streit mit einer gleichaltrigen Person an derselben Straße involviert, bei dem eine Gaspistole zum Einsatz kam. Am darauffolgenden Freitagabend wurde er in einem Gebäude einer Kupferdraht-Firma in Dortmund-Dorstfeld wegen besonders schweren Diebstahls festgenommen. Juristische Gründe, ihn länger festzuhalten, hätten nicht vorgelegen, sodass er nicht einem Haftrichter zugeführt wurde.2
Ich frage die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Vorfällen? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- Wird der Bereich, in dem der am Sonntag stattgefundene Polizeieinsatz erfolgte, gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) eingestuft?
- Befinden sich in dem Bereich, wo die Messerangriffe stattgefunden haben, Videoüberwachungssysteme? (Bitte nach der Überwachungstechnik wie Liveschaltung, reine Videoaufzeichnung etc. aufschlüsseln.)
- Wie hoch ist das Personenpotential, welches den unterschiedlichen Clans in Dortmund zugerechnet werden kann? (Bitte nach Clannamen oder -bezeichnung aufschlüsseln.)
- Bei wie vielen Clankriminellen aus Dortmund wurden in den letzten fünf Jahren aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet? (Bitte nach Jahr und Fall aufschlüsseln.)
Markus Wagner
2 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 404 mit Schreiben vom 4. Oktober 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration sowie dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Vorfällen? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Zur Beantwortung der Frage 1 hat mir das Ministerium der Justiz folgenden Beitrag übersandt: „Der Leitende Oberstaatsanwalt in Dortmund hat dem Ministerium der Justiz unter dem 09.09. und 20.09.2022 zu Frage 1 der Kleinen Anfrage wie folgt berichtet:
,Die angesprochenen Vorfälle sind Gegenstand verschiedener Ermittlungsverfahren:
1.) Auseinandersetzung am Nachmittag des 21.08.2022 auf der Schleswiger Straße
Die Staatsanwaltschaft Dortmund wurde am 22.08.2022 aufgrund einer Kontaktaufnahme der Polizei zu dem hiesigen staatsanwaltlichen Bereitschaftsdienst befasst. Aus dem an diesem Tag von dem Polizeipräsidium Dortmund übersandten Vorgang ergibt sich Folgendes:
Das Verfahren richtet sich gegen drei Beschuldigte, die rumänische Staatsangehörige sind, und zwar gegen
(1) einen 14 Jahre alten Beschuldigten, zu dem Vorstrafen nicht bekannt sind,
(2) einen 25 Jahre alten Beschuldigten, zu dem Vorstrafen nicht bekannt sind, und
(3) einen weiteren erwachsenen Beschuldigten, der im Jahr 2014 wegen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen, davon in einem Fall im Versuch, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Gegenstand des Verfahrens ist eine körperliche Auseinandersetzung am Nachmittag des 21.08.2022 auf der Schleswiger Straße in Dortmund. Die Polizei stellte Verletzungen bei zwei Personen fest, und zwar
a) bei einer Person zwei Stich-/Schnittwunden am Rücken, die nicht als lebensbedrohlich anzusehen waren, jedoch eine ärztliche Versorgung erforderlich machten,
b) bei einer zweiten Person oberflächliche Verletzungen am Kinn und am rechten Ellenbogen.
Bei dem 14 Jahre alten Beschuldigten wurde ein Taschenmesser sichergestellt. Wie es zu den Verletzungen gekommen ist, ist – ebenso wie die etwaigen jeweiligen Tatbeiträge und der Hintergrund des Geschehens – Gegenstand der fortdauernden Ermittlungen.
Ermittelt wird wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit schwerem Raub, da der Geschädigte, bei dem die Stich-/Schnittwunden am Rücken festgestellt worden sind, – soweit verständlich – angegeben hat, ihm seien bei dem Geschehen auch zwei Goldketten vom Hals gerissen und entwendet worden.
2.) Auseinandersetzung am Abend des 18.08.2022
Dem Verfahren liegt der Verdacht des Verstoßes gegen das Waffengesetz und der versuchten gefährlichen Körperverletzung zugrunde. Der am 21.08.2022 mit einem Messer am Rücken verletzte Geschädigte steht im Verdacht, am 18.08.2022 mit einer PTB-Waffe geschossen, hierbei aber niemanden verletzt zu haben.
Der Beschuldigte ist rumänischer Staatsangehöriger. Ein Bundeszentralregisterauszug liegt noch nicht vor.
3.) Diebstahl im besonders schweren Fall am Abend des 19.08.2022.
Der polizeiliche Vorgang ist bei der Staatsanwaltschaft bislang nicht zur Eintragung gelangt. Angaben können hierzu deswegen nicht gemacht werden.‘
Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat in ihren Randberichten vom 12.09. und 21.09.2022 mitgeteilt, gegen die Sachbehandlung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Dortmund auf Grundlage der Berichtinhalte keine Bedenken zu haben.“
- Wird der Bereich, in dem der am Sonntag stattgefundene Polizeieinsatz erfolgte, gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) eingestuft?
Eine Einstufung auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW ist nicht erfolgt. Allerdings wurde für die Örtlichkeit, losgelöst von dem aktuellen Vorfall, bereits im Juni 2022 eine strategische Fahndung gemäß §12a PolG NRW angeordnet, die aktuell andauert. Zusätzlich werden Maßnahmen im Zuge des behördenstrategischen Ziels „Sicher leben in der Nordstadt“ als Bestandteil des Sicherheitsprogramms des Polizeipräsidiums Dortmund durchgeführt.
- Befinden sich in dem Bereich, wo die Messerangriffe stattgefunden haben, Videoüberwachungssysteme? (Bitte nach der Überwachungstechnik wie Liveschaltung, reine Videoaufzeichnung etc. aufschlüsseln.)
Eine polizeiliche Videobeobachtung ist in diesem Bereich nicht vorhanden.
- Wie hoch ist das Personenpotential, welches den unterschiedlichen Clans in Dortmund zugerechnet werden kann? (Bitte nach Clannamen oder -bezeichnung aufschlüsseln.)
Ausweislich des Lagebildes Clankriminalität Nordrhein-Westfalen 2021 erfasste das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen 128 Tatverdächtige, die im Zuständigkeitsbereich der Kreispolizeibehörde Dortmund wohnhaft sind.
- Bei wie vielen Clankriminellen aus Dortmund wurden in den letzten fünf Jahren aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet? (Bitte nach Jahr und Fall aufschlüsseln.)
Zur Beantwortung der Frage 5 hat mir das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration den folgenden Beitrag übersandt:
„Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht.“