Kleine Anfrage 695
der Abgeordneten Markus Wagner und Carlo Clemens vom 04.11.2022
Bricht die Zahl der Baugenehmigungen ein?
Noch sind in Nordrhein-Westfalen viele Baukräne zu sehen. Doch dieses Bild könnte sich bald ändern, denn der Wohnungsbau lahmt und verlangsamt sich zusehends. Das wiederum wirkt sich langfristig natürlich auf den gesamten Wohnungsmarkt aus. Mehrere Ursachen kommen hierfür infrage. Zum einen haben in den vergangenen zwei Jahren die Unsicherheiten der Corona-Politik einige private Investitionsentscheidungen gebremst. Zum anderen ist die immer stärker werdende Zurückhaltung, in den Wohnungsbau zu investieren, den hohen Finanzierungskosten und steigenden Baukosten geschuldet. Ergebnis: Die Zahl der Baugenehmigungen ist im August 2022 stark eingebrochen.1
Bundeskanzler Olaf Scholz will ungeachtet aller Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt an dem Ziel festhalten, jährlich 400.000 neue Wohnungen in Deutschland bauen. Scholz verteidigt diese Kampagne mit den Worten, dass „wir […] mehr bezahlbaren Wohnraum“ brauchen.2 Allerdings wird die Umsetzung dieses ambitionierten Zieles immer schwieriger. Die Zahl der Baugenehmigungen sank im August 2022 um 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 28.180 Wohnungen. Dies stellt nicht nur den vierten Rückgang in Folge dar, sondern zugleich den kräftigsten seit November 2021. Im Zeitraum von Januar bis August 2022 wurde der Bau von insgesamt 244.605 Wohnungen genehmigt, was einem Rückgang von 3,0 Prozent oder 7.624 entspricht. Besonders stark sank die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser. Im Zeitraum von Januar bis August 2022 nahm sie um 15,8 Prozent auf 55.260 ab. Aber auch bei den Zweifamilienhäusern gab es einen Rückgang von 2,8 Prozent auf 21.176 Wohnungen. Ein positiver Trend konnte dagegen bei der Zahl genehmigter Wohnungen in Mehrfamilienhäusern festgestellt werden. Hier lag ein Anstieg um 5,2 Prozent auf 130.746 Wohnungen vor.3
Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen hat dargelegt, dass in den Jahren 2018 bis 2025 im Durchschnitt rund 51.200 Wohnungen jährlich benötigt werden. Allerdings soll sich der Bedarf danach bis 2040 abflachen. In Summe werden somit bis 2040 jährlich rund 46.000 neue Wohneinheiten in NRW benötigt.4 Doch immer mehr Unternehmen sind von Projektabsagen im Wohnungsbau betroffen. So waren im September 2022 16,7 Prozent der befragten Unternehmen nach Aussagen des ifo-Instituts davon betroffen. Im August 2022 waren es dagegen 11,6 Prozent.
Eine Planungssicherheit kann aufgrund explodierender Material- und Energiepreise sowie der steigenden Finanzierungszinsen immer weniger gewährleistet werden, wie ein ifo-Forscher ausführt.5 Die Bauherren sind extrem verunsichert, was sich bei den Zahlen der Baugenehmigungen bemerkbar macht. Nach Ansicht des Hauptgeschäftsführers des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB) ist hier die Politik gefragt, die durch angemessene Investitionsanreize dem aktuellen Trend gegensteuern muss. Denn „nur so kann ein weiteres Absinken der Fertigstellungszahlen im Jahr 2023 verhindert werden“.6
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie viele Baugenehmigungen wurden in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Januar 2020 bis heute erteilt? (Bitte nach Jahr, Monat und jeweiliger prozentualer Entwicklung zum Vorjahr bzw. Vorjahresmonat aufschlüsseln.)
- Wie viele Eigentumsmaßnahmen wurden seit Januar 2021 bis heute gefördert? (Bitte auch räumlich differenziert nach Gebietskörperschaften aufschlüsseln.)
- Wie viele mietpreisgebundene Wohneinheiten wurden in den Jahren 2016 bis heute errichtet, detailliert nach Kreisen und kreisfreien Städten sowie insgesamt? (Bitte nach Jahr und Monat aufschlüsseln.)
- Wie viel Prozent der Einwohner in den kreisfreien Städten und Kreisen NordrheinWestfalens hätten aufgrund ihrer Einkommenssituation Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, wenn sie diesen beantragt hätten, und wie hat sich diese Zahl seit dem Jahr 2017 bis heute jährlich entwickelt?
- Mit wie vielen erstellten Wohneinheiten rechnet die Landesregierung für 2022 bis 2027? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln.)
Markus Wagner
Carlo Clemens
1 Vgl. htt ps : / / www. S p i e g e l .de/wirtschaft/ unternehmen /zahl-der- b a u g e n e h m i g u n g e n – bricht-ein- a – 7 2 0 f 6 7 a b -8f18- 472b -9f88- 9 a 9 f 0 3 5 2 1 a 8 d .
2 Ebenda.
3 Ebenda.
4 Vgl. htt ps : / / www. M h k b d .nrw/ t h e m e n /bau/ w o h n e n /daten- u n d -fakten.
5 Vgl. htt p s : / /www. S p i e g e l .de/ wirtschaft / u n t e r n e h m e n /zahl-der-baugenehmigungen-bricht-ein- a – 7 2 0 f 6 7 a b -8f18-472b- 9 f 8 8 -9a9f0 35 21 a8 d .
6 Ebenda.
Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung hat die Kleine Anfrage 695 mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.
- Wie viele Baugenehmigungen wurden in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Januar 2020 bis heute erteilt? (Bitte nach Jahr, Monat und jeweiliger prozentualer Entwicklung zum Vorjahr bzw. Vorjahresmonat aufschlüsseln.)
Die Entwicklung der Baugenehmigungen in Nordrhein-Westfalen wird von IT.NRW erfasst und ausgewertet und ist einsehbar unter:
h tt ps :/ / w w w . it . nr w /s t a ti s t i k / w i r t s c h a f t -u nd-umwelt/ h a n d w er k-und-ba u/ b a ut a et igkeit.
- Wie viele Eigentumsmaßnahmen wurden seit Januar 2021 bis heute gefördert? (Bitte auch räumlich differenziert nach Gebietskörperschaften aufschlüsseln.)
- Wie viele mietpreisgebundene Wohneinheiten wurden in den Jahren 2016 bis heute errichtet, detailliert nach Kreisen und kreisfreien Städten sowie insgesamt? (Bitte nach Jahr und Monat aufschlüsseln.)
Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
In Nordrhein-Westfalen wurden 2021 in der Eigentumsförderung 337 Wohneinheiten gefördert. Eine räumlich differenzierte Übersicht ist der Landtagsvorlage 17/6455 vom 10. Februar 2022 zu entnehmen. Das Förderjahr 2022 ist noch nicht abgeschlossen, daher können noch keine Ergebnisse veröffentlicht werden.
- Wie viel Prozent der Einwohner in den kreisfreien Städten und Kreisen Nordrhein-Westfalens hätten aufgrund ihrer Einkommenssituation Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, wenn sie diesen beantragt hätten, und wie hat sich diese Zahl seit dem Jahr 2017 bis heute jährlich entwickelt?
Die Landesregierung hat hierzu keine Informationen vorliegen.
- Mit wie vielen erstellten Wohneinheiten rechnet die Landesregierung für 2022 bis 2027? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln.)
Mit der Wohnungsmarktprognose bis 2040 für Nordrhein-Westfalen liegen mögliche Entwick-lungsszenarien im Wohnungsmarkt vor. In den Jahren 2018 bis 2025 werden unter den Annahmen des Gutachters im Durchschnitt in Nordrhein-Westfalen rund 51.200 Wohnungen jährlich benötigt, im Zeitraum bis 2040 wird der Bedarf abflachen. In Summe werden bis 2040 jährlich rund 46.000 neue Wohneinheiten in Nordrhein-Westfalen benötigt.
Die detaillierten Zahlen sind dem „Wohnungsmarktgutachten über den quantitativen und qualitativen Wohnungsneubaubedarf in Nordrhein-Westfalen bis 2040“ (Auftragnehmerin GE-WOS) zu entnehmen.