Wann werden terroristische Gefährder endlich automatisch abgeschoben?

Kleine Anfrage
vom 26.06.2024

Kleine Anfrage 4021

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Wann werden terroristische Gefährder endlich automatisch abgeschoben?

Am 18. Oktober 2023 erhielten wir von der Landesregierung mit der Drucksache 18/6406 auf unsere Kleine Anfrage vom 14. September 2013, Drucksache 18/5945 die Information, dass im ersten Halbjahr 2023 insgesamt 213 Gefährder und 251 Relevante Personen in Nordrhein-Westfalen erfasst waren. 186 der 213 Gefährder sowie 192 der 251 Relevanten Personen wurden dem Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität „Religiöse Ideologie“ zugerechnet.1

Darüber hinaus wurde uns mitgeteilt, dass 27 ausländische Gefährder aus dem Phänomenbereich PMK-Religiöse Ideologie ausreisepflichtig sind, eine Rückführung jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich sei. Zudem seien 13 weitere ausländische Relevante Personen aus dem Phänomenbereich PMK-Religiöse Ideologie ausreisepflichtig, deren Rückführung ebenfalls aufgrund verschiedenster Gründe nicht möglich sei und sie sich weiterhin in Deutschland aufhalten.2

Diesen Umstand nahmen wir zum Anlass, um weitere Nachfragen an die Landesregierung zu richten.

Mit Antwort der Landesregierung vom 24. Mai 2024, Drucksache 18/9335, auf unsere Kleine Anfrage vom 16. April 2024, Drucksache 18/8908, wurde in der Vorbemerkung der Landesregierung darauf hingewiesen, dass die Einstufung („Gefährder“ oder „Relevante Personen“)

„allein […] keine Rechtsfolgen aus[löst] und […] keine rechtliche Grundlage zur Ergreifung von Maßnahmen dar[stellt], sondern sie gibt vielmehr Anlass zur Prüfung der rechtlichen Grundlagen zur Ergreifung eben solcher Maßnahmen nach den Bestimmungen des Gefahrenabwehrrechtes.

Für das Aufenthaltsrecht entfaltet die Einstufung als solche also keine Relevanz. Für die Ausländerbehörden ist es daher auch nicht erforderlich, von der Einstufung einer Person als „Gefährder“ oder „Relevante Person“ Kenntnis zu erhalten. Allenfalls die der Einstufung zu Grunde liegenden Erkenntnisse können gegebenenfalls für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen von Bedeutung sein. Ob allerdings diese Erkenntnisse der zuständigen Ausländerbehörde zur Verwendung im aufenthaltsrechtlichen Verfahren mitgeteilt werden können, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und wird stets von den zuständigen Sicherheitsbehörden geprüft.“3

Darüber hinaus teilte die Landesregierung in diesem Sachzusammenhang Frage, warum Gefährder nicht abgeschoben werden, mit:

„Die Gefährdereinstufung als solche entfaltet aufenthaltsrechtlich keine Relevanz.“4 Unsere Frage 4

„In welcher Form wird sich die Landesregierung ab sofort darum bemühen, mehr Gefährder sowie Relevante Personen abzuschieben?“5

wurde unter anderem wie folgt beantwortet:

„Für die Landesregierung hat die Abwehr von Gefahren, die von Personen aus dem extremistischen oder terroristischen Spektrum ausgehen, hohe Priorität. Für Personen, die nicht Deutsche i.S.v. Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind, bieten neben den Maßnahmen nach dem Polizeigesetz NRW und der Strafprozessordnung auch Regelungen des Ausländerrechts, z.B. im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder im Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), Möglichkeiten der Abwehr von Gefahren, die von dem Aufenthalt einer ausländischen Person im Bundesgebiet ausgehen. In Nordrhein-Westfalen wird den von diesem Personenkreis ausgehenden Gefahren insbesondere für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschöpfung aller aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten im Rahmen eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes konsequent begegnet. Im Sinne einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr wird insoweit die Rückführung der betreffenden Person – sofern rechtlich und tatsächlich möglich – primär angestrebt.“6

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Warum zieht der Status als terroristischer Gefährder bislang nicht die Rechtsfolge der Abschiebung nach sich?
  2. Setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass die Einstufung als terroristischer Gefährder die Rechtsfolge der Abschiebung nach sich zieht?
  3. Aus welchen Herkunftsländern stammen jeweils die nicht-deutschen terroristischen Gefährder und Relevanten Personen von 2015 bis heute pro Jahr?
  4. Wie viel Prozent der terroristischen Gefährder und Relevanten Personen wurden pro Jahr seit 2015 bis heute abgeschoben?

Markus Wagner

 

MMD18-9754

 

1 Antwort der Landesregierung vom 18.10.2023, Drs. 18/6404.

2 Ebenda.

3 Antwort der Landesregierung vom 24.05.2024, Drs. 18/9335.

4 Ebenda.

5 Ebenda.

6 Ebenda.


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4021 mit Schreiben vom 1. August 2024 namens der Landesregierung im Ein­vernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

  1. Warum zieht der Status als terroristischer Gefährder bislang nicht die Rechtsfolge der Abschiebung nach sich?
  2. Setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass die Einstufung als terroristischer Gefährder die Rechtsfolge der Abschiebung nach sich zieht?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Unabhängig von den Vorfeldbefugnissen des Verfassungsschutzes erlaubt das Polizeigesetz, offene und verdeckte Maßnahmen gegen Störer bzw. potentielle Störer zu treffen, die in der im Gesetz beschriebenen Weise Anlass für die begründete Einschätzung der zuständigen

Polizeibehörde geben, extremistisch motivierte schwere Straftaten begehen zu können. Das Polizeigesetz erlaubt auch, über derartige gefährliche Personen im Wege der zulässigen Spei­cherung der Daten ein landesweites polizeiliches Wissensmanagement anzulegen.

Die insoweit einschlägige polizeifachliche Begrifflichkeit des Gefährders findet Anwendung im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) und wurde durch Beschlüsse der Innenmi­nisterkonferenz bundeseinheitlich abgestimmt und definiert. Polizeitaktische Einstufungen ba­sieren ausschließlich auf einer polizeifachlichen Bewertung. Sie erfolgen regelmäßig im Kon­text des Bekanntwerdens von gefährdungsrelevanten Erkenntnissen und mitunter zu einem frühen Zeitpunkt polizeilicher Einsatz- und Ermittlungsmaßnahmen. Die Einstufung allein löst daher keine Rechtsfolgen aus und stellt keine rechtliche Grundlage zur Ergreifung von Maß­nahmen dar. Vielmehr gibt sie Anlass zur Prüfung der rechtlichen Grundlagen zur Ergreifung eben solcher Maßnahmen nach den Bestimmungen des Gefahrenabwehrrechtes.

Für die innere Sicherheit in Deutschland und speziell in Nordrhein-Westfalen kommt der Prü­fung und konsequenten Umsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bei Gefährdern, Re­levanten Personen und weiteren sicherheitsrelevanten extremistischen Personen besondere Bedeutung zu. Die Prüfung und Initiierung aufenthaltsbeschränkender und -beendender Maß­nahmen ergänzen insofern nachrichtendienstliche, gefahrenabwehrrechtliche und strafpro­zessuale Maßnahmen im Rahmen der Bearbeitung von Gefährdern.

  1. Aus welchen Herkunftsländern stammen jeweils die nicht-deutschen terroristi­schen Gefährder und Relevanten Personen von 2015 bis heute pro Jahr?
  2. Wie viel Prozent der terroristischen Gefährder und Relevanten Personen wurden pro Jahr seit 2015 bis heute abgeschoben?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Eine Statistik im Sinne der Fragestellungen liegt nicht vor.

 

MMD18-10206

Beteiligte:
Markus Wagner