Wendepunkt 9. Oktober 1989 – 35 Jahre danach: Die parlamentarische Demokratie be-wahren und die vom Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte der Bürger respektieren!

Antrag
vom 01.10.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Wendepunkt 9. Oktober 1989 35 Jahre danach: Die parlamentarische Demokratie be­wahren und die vom Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte der Bürger respektieren!

I. Ausgangslage

Historischer Kontext und Bedeutung der Montagsdemonstrationen und des Mauerfalls

Der 9. Oktober 1989 markiert einen der bedeutenden Wendepunkte in der jüngeren deutschen und europäischen Geschichte: die große und entscheidende Montagsdemonstration in Leipzig. Dieses Ereignis leitete nicht nur das Ende der physischen und ideologischen Teilung Deutschlands ein, sondern auch den Zusammenbruch eines Regimes, das durch Repression, Überwachung und systematische Verletzungen der Menschenrechte gekennzeichnet war.

Die Deutsche Demokratische Republik (DDR), die sich selbst als sozialistischen, antifaschis­tischen und fortschrittlichen Staat verstand, verweigerte ihren Bürgern grundlegende Freiheits­rechte. Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit waren stark eingeschränkt oder wurden vollstän­dig unterdrückt. Ein allumfassendes System der Kontrolle und Überwachung wurde etabliert, maßgeblich ausgeübt durch das Ministerium für Staatssicherheit, besser bekannt als Stasi. Dieses Instrument der staatlichen Macht infiltrierte nahezu alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens, um jegliche Form von Opposition im Keim zu ersticken.

Die Bürger der DDR lebten unter ständiger Beobachtung und in Angst vor staatlicher Willkür. Abweichende politische Ansichten wurden systematisch verfolgt; Verhaftungen, Einschüchte­rungen und Berufsverbote waren gängige Mittel, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Das Misstrauen durchzog die Gesellschaft, da Kollegen, Freunde und selbst Famili­enmitglieder als inoffizielle Mitarbeiter der Stasi fungieren konnten. Dieses Klima der Angst und Unterdrückung prägte das tägliche Leben und beeinträchtigte die sozialen Beziehungen nachhaltig.

Nach den offensichtlich manipulierten Kommunalwahlen im Mai formierte sich im Herbst 1989 in diesem repressiven Umfeld eine breite Protestbewegung. Friedliche Demonstrationen in Städten wie Leipzig, Dresden und Berlin brachten Hunderttausende auf die Straßen. Unter Parolen wie zunächst „Schwerter zu Pflugscharen“, „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt!“ forderten die Menschen demokratische Reformen, freie Wahlen und die Wiedervereinigung Deutschlands. Diese mutigen Bürgerinnen und Bürger riskierten persönliche Repressalien, um gegen das Regime aufzustehen und für ihre Rechte einzutreten.

Im kollektiven Bewusstsein der Leipziger waren dabei mehrere Ereignisse, die mit Nieder­schlagung und vielfachem Tod endeten. Die Arbeiterproteste gegen Normerhöhungen am 17. Juni 1953 in vielen Städten auf dem Gebiet der DDR, der Aufstand in Ungarn 1956, die Been­digung des „Prager Frühlings“ in der Tschechoslowakei 1968 durch Truppen des Warschauer Pakts. Und am 4. Juli 1989 beendeten Panzer die von Studenten getragenen Demokratie-Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. In den Nebenstraßen wurden Tausende erschossen. Hoffnung machte den Demonstranten die Haltung der sowjeti­schen Führung unter Michail Gorbatschow, die die DDR zu Reformen aufforderte.

Am 7. Oktober 1989 feierte die DDR den 40. Jahrestag ihres Bestehens. Demonstranten wur­den in Ost-Berlin am 7. und 8. Oktober niedergeknüppelt und Hunderte dort und in der ganzen DDR verhaftet.

Am 9. Oktober 1989 sahen sich Volkspolizei und Stasi in Leipzig 70.000 Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, die „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt!“ rufen. Zum ersten Mal haben Volkspolizei und Stasi keinen Versuch unternommen, sie aufzulösen. Auch 1.500 NVA-Solda­ten, die außerhalb der Stadt auf ihren Einsatz gewartet haben, sind nicht eingesetzt worden. Und anders als beim Volksaufstand vom 17. Juni 1953 sind auch die sowjetischen Panzer in ihren Kasernen geblieben. Der „große Bruder“ kommt dem SED-Regime nicht mehr zur Hilfe.

Leipzig änderte alles: „So war es ein Tag, an dem alle das Gefühl hatten, sich entscheiden zu müssen: für oder gegen Veränderungen. Viele sagten später, sie hätten es nicht verantworten können – weder vor sich, noch ihren Kindern gegenüber – an diesem Montag nicht Farbe bekannt zu haben.“1

Parallelen zwischen den Repressionsmechanismen der DDR und aktuellen Entwicklun­gen in der politischen Meinungsbildung

Ein zentrales Instrument des SED-Regimes zur Unterdrückung abweichender Meinungen war die umfassende Kontrolle der Medien. Das staatlich gelenkte Mediensystem diente dazu, die ideologischen Vorgaben der Partei durchzusetzen und oppositionelle Stimmen systematisch zum Schweigen zu bringen. Presse, Rundfunk und Fernsehen standen vollständig unter staat­licher Kontrolle, wodurch eine unabhängige und kritische Berichterstattung unmöglich war. Jegliche Form von Kritik oder Widerstand gegen die offizielle Parteilinie wurde konsequent unterdrückt, und die Bevölkerung war einer ständigen Propaganda ausgesetzt, die ein einheit­liches, konformes Denken fördern sollte.

35 Jahre nach dem Mauerfall zeigen sich besorgniserregende Entwicklungen, die Parallelen zur Medienkontrolle der DDR aufweisen. Dem Netzdurchsetzungsgesetz 2016 folgten weitere Einschränkungen seitens der Bundesregierung und der EU. Um missliebige Entwicklungen unter Kontrolle zu bringen, werden neue Gesetze vorgeschlagen.

Die Ministerinnen Paus und Faeser haben ein „Demokratiefördergesetz“ vorgelegt, welches mit rund 200 Millionen Euro Steuergeld im Jahr Initiativen fördern soll, die sich vorgeblich für „Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ einsetzen.2

Ein Bürgerrat „Forum gegen Fakes“ schlägt in einem Bürgergutachten Maßnahmen gegen Desinformation vor, Social-Media -Posts sollen erst nach einer Bedenkzeit und Prüfung auf mögliche Desinformation durch eine KI online gehen.3

Und das Bundesamt für Verfassungsschutz hat für Kritik an den Regierenden, nicht am parla­mentarischen demokratischen System, den Tatbestand der „Delegitimierung des Staates“ ein­geführt.

Das von der Regierung jetzt vorgelegte „Sicherheitspaket“ wurde bei der Anhörung im Bun­destag von den geladenen Experten – auch von den eher „links“ zu verordnenden – heftig kritisiert:

„Von einem „sicherheitsbehördlichen Daten-Supergau“ spricht Dennis-Kenji Kipker – von der Universität Bremen. Die Vorschläge überträfen alles, was es bisher im Bereich der digitalen Überwachung gegeben habe. Es werde zur Regel, dass der Staat persönliche Daten erfasse. Der unbescholtene Bürger werde damit zum „gläsernen Bürger“ – und somit letztlich zum grundsätzlich unter Dauerverdacht Stehenden.

Ähnlich außert sich Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Sie hält die ver­meintlich ausgereiften Maßnahmen der Ampel für „übereilt“. Sicherer würden sie das Land nicht machen. Und SPD, Grüne und FDP beachteten die Grundrechte nicht ausreichend – an einigen Stellen gingen die Koalitionspartner sogar über geltende Rechtsprechung hinweg. Etwa die des Verfassungsgerichts.“4

Die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley hatte derartige Entwicklungen bereits 1991 befürchtet: „Die Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brand­marken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen wird wiederkommen. Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel, in dem alles seine Kontur verliert.“5

Altbekannte Erscheinungen scheinen in neuem Gewand zurückkommen: Planwirtschaft zur Erreichung von Klimazielen, „Haltung“ als Ersatz für „Klassenstandpunkt“, und wie in der DDR gilt jetzt Kritik an der Regierung als „Hetze“.

Meldestellen für Äußerungen und Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze werden ge­plant und eingerichtet; auf europäischer und nationaler Ebene wird Medienzensur angestrebt.

Vera Lengsfeld, selbst Opfer von Stasi-Bespitzelung durch ihren Ehemann, sieht Parallelen, hält aber die heute angewandten Methoden für perfider.6

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Adler aus Eisenhüttenstadt, beim Fall der Mauer 15 Jahre alt, sieht in ihrem Buch „Rolle rückwärts DDR?“ bedenkliche Gemeinsamkeiten: „Vom linksgrünen Mainstream dagegen wird ihrer Meinung nach tabuisiert auf bedenkliche Gemein­samkeiten zwischen der DDR und dem heutigen Deutschland hinzuweisen und vor Fehlent­wicklungen zu warnen, die wieder in Richtung DDR führen. Es werde geleugnet, dass die Meinungsfreiheit immer mehr eingeschränkt werde und dass sich unsere Wirtschaft immer weiter von einer freien Marktwirtschaft entferne, gar auf eine Planwirtschaft hinsteuere. Und es werde geleugnet, dass der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk zunehmend von linksgrüner Ide­ologie dominiert werde und teilweise sogar Erinnerungen an Eduard von Schnitzlers Propa­ganda und die ´Aktuelle Kamera´ wachrufe.“7

Offensichtlich sehen sich etablierte Sendeanstalten und Medien nicht mehr als Kontrolleure, sondern als Unterstützer der Regierungen, deren Ideologie sie teilen. Stattdessen werden op­positionelle und nonkonforme Gruppen und Einzelne angegriffen und teilweise mit Vergleichen in Bezug auf die Jahre 1933-45 diskreditiert.

An Berichten wird selbst dann hartnäckig festgehalten, wenn sie sich als falsch herausstellen, so beim angeblichen „Sturm auf den Reichstag“, so bei den angeblichen „Hetzjagden in Chem-nitz“ und beim sogenannten „Geheimtreffen in Potsdam“. Auch wenn etwas einfach nicht so war, soll es dennoch so gewesen sein. Daraus entwickeln sich dann Massendemonstrationen „gegen Rechts“ oder „gegen Schwurbler“.8

Die bekannten Talkshows sind fast immer 5:1 oder 4:1 zusammengesetzt. Nur dass früher der CDU-Vertreter die Rolle des Rechtsradikalen zugeteilt bekam, der sich von Anfang an zu rechtfertigen hatte, heute fällt diese Rolle den Teilnehmern aus anderen Parteien zu, so sie denn gelegentlich eingeladen werden. In Sendungen wird manipuliert, Parteimitglieder oder Funktionäre werden als Zufalls-Interviewpartner vorgestellt.

Während der Zeit der Corona-Infektionen nötigten die beiden Gesundheitsminister das Robert Koch-Institut, sich entgegen deren eigenen Einschätzungen für härtere Maßnahmen einzuset­zen.

Im parlamentarischen Bereich, in dem man sich lange bewährter Verfahrensweisen rühmte, änderte man die Regeln im Handumdrehen, als neue politische Kräfte die Parlamente betra­ten. Die korrekte Wahl eines Ministerpräsidenten aus der FDP wurde – weil mit anscheinend unzulässigen Stimmen gewählt – von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel aus Süd­afrika „rückgängig gemacht“.

Es gibt mittlerweile zweierlei Arten von Wählerstimmen und zweierlei Arten von Mandaten: die guten Wählerstimmen und Mandate der „demokratischen Parteien“ und die schlechten Wäh­lerstimmen und Mandate der Übrigen. Gerade die, die ständig gegen Diskriminierung an­schreien, diskriminieren unaufhörlich.

Verteidigung von Freiheit und Demokratie

Der 35. Jahrestag des Mauerfalls mahnt uns eindringlich, die Errungenschaften von Freiheit und Demokratie aktiv zu verteidigen. Die Parallelen zwischen den Repressionsmechanismen der DDR und aktuellen Entwicklungen in der politischen Meinungsbildung sind alarmierend und erfordern unsere Aufmerksamkeit. Dabei richtet sich die Kritik nicht gegen die grundsätz­liche Anlage der politischen Meinungsbildung, die eigentlich nicht auf die in der DDR prakti­zierte Weise zielt. Aber die derzeitige Ausgestaltung gibt Anlass zur Sorge. Es ist von ent­scheidender Bedeutung, die Grundrechte auf Meinungs- und Pressefreiheit zu wahren und sicherzustellen, dass alle politischen Kräfte die Möglichkeit haben, ihre Positionen frei und ohne Angst vor Diffamierung oder Behinderung zu äußern.

Ein offener und pluralistischer Diskurs ist das Fundament einer funktionierenden Demokratie. Nur wenn verschiedene Meinungen und Perspektiven gehört und respektiert werden, kann ein echter Austausch stattfinden, der zur Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen bei­trägt. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen deutlich, wohin eine Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit führen kann. Es gilt, jeglichen Tendenzen entgegenzu­wirken, die die demokratischen Prozesse gefährden oder den fairen politischen Wettbewerb untergraben.

Die Menschen, die vor 35 Jahren den Mut hatten, für ihre Freiheit und Selbstbestimmung ein­zutreten, haben gezeigt, wie wichtig es ist, gegen Unterdrückung und für demokratische Werte zu kämpfen. Ihnen gebührt unsere Anerkennung für Ihren Mut und ihre Entschlossenheit, unter großer Gefahr gegen eine Diktatur aufzustehen und sich ihr Menschenrecht zu erkämpfen ‒ etwas, das den Bürgern Westdeutschlands erspart blieb. Ihre Anstrengungen führten zum Fall der Mauer und zur Wiedervereinigung Deutschlands. Es liegt in unserer Verantwortung, dieses Erbe zu bewahren und sicherzustellen, dass die Fehler der Vergangenheit sich nicht wieder­holen.

II. Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf:

  1. Maßnahmen zu ergreifen, um die Unabhängigkeit und Transparenz in den Medien zu fördern. Dabei sollen insbesondere staatliche Förderungen und Kooperationen mit Me­dienhäusern oder Journalisten regelmäßig evaluiert und offengelegt werden, um die Neutralität und Unabhängigkeit der Berichterstattung zu gewährleisten;
  2. die Förderung von Bildungsprojekten und Veranstaltungen zur historischen Aufarbeitung der DDR-Diktatur und der Stasi-Überwachung in Schulen und Universitäten auszuwei­ten. Ziel ist es, insbesondere jungen Menschen die Bedeutung von Freiheit und Demo­kratie im Kontext der Montagsdemonstrationen und des Mauerfalls im Jahr 1989 zu ver­mitteln;
  3. ihre Zusammenarbeit mit Social-Media-Plattformen im Hinblick auf die Bekämpfung von „Desinformationen“ transparent zu gestalten. Es soll sichergestellt werden, dass keine regierungskritischen Meinungen systematisch unterdrückt werden und der freie politi­sche Diskurs auf diesen Plattformen gewährleistet bleibt;
  4. sicherzustellen, dass alle politischen Parteien in Nordrhein-Westfalen einen gleichbe­rechtigten Zugang zu öffentlichen Räumen für Parteiveranstaltungen und Versammlun­gen erhalten und die Versuche, dies mit administrativen und juristischen Mitteln zu be­hindern, ein Ende finden.
  5. dafür einzutreten, dass ausschließlich strafbare Inhalte von Äußerungen durch Justiz und Polizei geahndet werden und von niemandem sonst,
  6. die Planungen zur Errichtung von Meldestellen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze einzu­stellen;
  7. sicherzustellen, dass entsprechend Art. 5 Grundgesetz im Land Nordrhein-Westfalen keine Zensur stattfindet.

Dr. Hartmut Beucker

Christian Loose

Dr. Martin Vincentz

und Fraktion

 

MMD18-10887

 

1 Siegbert Schefke, „Schlüsselmoment der Geschichte: Der 9.Oktober 1989 in Leipzig“, in: Deutsch­land Archiv, 09.102023, erstveröffentlicht 09.10.2023 im DA. Link: www.bpb.de/297873

2 Susanne Gaschke, Her mit der Staatsknete ‚gegen rechts‘: Zwei deutsche Ministerinnen wollen mit aller Macht ihr ‚Demokratiefödergesetz‘ durchsetzen, nzz.ch, 6.3.2024

3 Timo Rieg, Bürgerrat gegen Fakes: Ein Bürgergutachten für den Bertelsmann-Konzern?, telepolis.de, 23.9.2024

4 https://www.tichyseinblick.de/meinungen/experten-zerreissen-sicherheitspaket-der-ampel/

5 Boris Reitschuster, Die Rückkehr des totalitären Denkens – oder warum die DDR gewonnen hat, reitschuster.de, 13.9.2024

6 Vera Lengsfeld, DDR 2.0? Die heutigen Methoden sind perfider!, vera-lengsfeld.de, 12.8.2019

7 Reiner Zitelmann, Zurück in DDR-Verhältnisse? Dieses neue Buch sollte uns zu denken geben, FOCUS online, 13.9.2024

8 Ebenda