Polizeibewerber immer schlechter – Diktat wird bei Eignungstest abgeschafft

Kleine Anfrage
vom 22.05.2025

Kleine Anfrage 5640
des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Polizeibewerber immer schlechter – Diktat wird bei Eignungstest abgeschafft

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Früher scheiterten viele Bewerber bei der Polizei an ihrer mangelnden körperlichen Fitness – insbesondere in Nordrhein-Westfalen, wo sportliche Tests entscheidend waren. Um diese Hürde zu beseitigen, wurde der Fitnesstest in NRW weitgehend abgeschafft. Doch mit dem Wegfall dieser Prüfung trat ein neues Problem in den Vordergrund: die unzureichenden Deutschkenntnisse vieler Bewerber. Wie das Hamburger Abendblatt berichtete, fiel in Ham­burg im letzten Jahr ein großer Teil der Bewerber – rund 65 Prozent – beim sogenannten Lückendiktat durch. In diesem Test mussten die Kandidaten fehlende Wörter und Satzzeichen korrekt ergänzen. Der Sprecher der Polizei Hamburg bestätigte, dass die höchste Ausfallquote am ersten Tag des Auswahlverfahrens festgestellt wurde, das bis Ende 2024 aus dem Lü­ckendiktat und einem kognitiven Test bestand. Dabei sei das Diktat der häufigste Grund für das Scheitern gewesen. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag die Durchfallquote noch bei etwa 50 Prozent.1

Als Gründe für die zunehmenden Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache nannte die Po­lizei Hamburg insbesondere das Home-Schooling während der Corona-Pandemie sowie den generellen Wandel der Kommunikation durch Digitalisierung. Aus diesem Grund wurden die Lückendiktate inzwischen abgeschafft und durch ein neues Testverfahren ersetzt. Dennoch bleibt die Sprachprüfung ein integraler Bestandteil der Auswahl, da Sprachkompetenz eine zentrale Voraussetzung für den Polizeiberuf ist. Auch beim neuen Testverfahren ist die Durch­fallquote mit 50 Prozent weiterhin hoch. Darüber hinaus brechen viele Bewerber die Ausbil­dung ab oder werden währenddessen entlassen. 2022 betraf dies in Hamburg rund ein Drittel der Anwärter, in NRW etwa 25 Prozent.2

Neben den sprachlichen Anforderungen gibt es weitere Auswahlkriterien, wie zum Beispiel den Umgang mit Körperschmuck. In NRW wird von einer speziellen Kommission überprüft, ob sichtbare Tattoos zulässig sind. Nicht erlaubt sind unter anderem Darstellungen, die extremis­tisch, verfassungsfeindlich, sexistisch oder diskriminierend sind. Ähnliche Regeln gelten auch in Hamburg. Bei fremdsprachigen Tätowierungen kann verlangt werden, dass Bewerber eine Übersetzung durch einen vereidigten Übersetzer vorlegen – auf eigene Kosten. Selbst Intim-Piercings bleiben nicht unberücksichtigt: Laut den Bewerbungs-FAQs der Polizei NRW müs­sen Kandidaten im Rahmen der polizeiärztlichen Untersuchung entweder eine präzise Skizze oder eine exakte Beschreibung solcher Körperschmuckstücke einreichen.3

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 5640 mit Schreiben vom 1. Juli 2025 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie hat sich die Abbruch- bzw. Entlassungsquote unter den Polizeianwärtern in NRW seit 2020 bis heute pro Jahr entwickelt?

Die nachfolgende Tabelle bezieht sich auf die im Studium befindlichen Kommissaranwärterin­nen und Kommissaranwärter der Polizei NRW.

Einstellungsjahrgang Abschlussjahr Quote-Ausbildungsverluste
2017 2020 16,9 Prozent
2018 2021 20,0 Prozent
2019 2022 16,2 Prozent
2020 2023 21,1 Prozent
2021 2024 24,6 Prozent
2022 2025 20,3 Prozent*
2023 2026 13,5 Prozent*
2024 2027 3,1 Prozent*

 

*Die Einstellungsjahrgänge 2022 bis 2024 befinden sich derzeit noch in der Ausbildung, so dass sich die Werte noch verändern.

  1. Welche Kriterien hinsichtlich des Körperschmucks von Bewerbern führen zu ei­nem Ausschluss?

Im Bereich Körperschmuck kann sowohl eine körperliche wie auch eine charakterliche Nicht­eignung zum Ausschluss führen.

Ein körperlicher Eignungsmangel liegt vor, wenn durch den Körperschmuck – auch noch nach seiner (soweit möglichen) Entfernung – während des Dienstes eine Verletzungsgefahr in poli­zeilichen Einsatzsituationen begründet oder erhöht wird.

Darüber hinaus besteht ein Eignungsmangel immer dann, wenn mit dem Körperschmuck eine inhaltliche Aussage verbunden ist, die im Widerspruch zum Grundgesetz und der Rechtsord­nung steht und/oder Rückschlüsse auf Wesenszüge und Verhaltensweisen der Bewerberin bzw. des Bewerbers zulässt, die nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die der Beruf erfordert (vgl. § 34 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz).

  1. Welche Anforderungen an sprachlichen Fähigkeiten der Polizeianwärter wurden seit 2010 bis heute geändert?

Die Beantwortung bezieht sich auf Bewerberinnen und Bewerber, nicht auf Anwärterinnen und Anwärter, da davon ausgegangen wird, dass dies intendiert ist.

Die Anforderungen an die sprachlichen Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber beru­hen auf einem Anforderungsprofil, das seit dem Jahr 2010 unverändert seine Gültigkeit hat. Dieses Anforderungsprofil beinhaltet unter anderem die Kompetenzen mündliche und schrift­liche Kommunikation. Die schriftliche Kommunikation wird über Multiple Choice-Aufgaben und Lückentexte im PC-Test erhoben. Diese betreffen beispielsweise die richtige Schreibweise, Ergänzungsaufgaben der Interpunktion, Herstellung der korrekten Syntax aus Bruchstücken oder der Beurteilung von Schreibweisen als korrekt/inkorrekt.

Die mündliche Kommunikation bezieht sich auf die Steuerung von Gesprächen und Übermitt­lung von Informationen und wird im Assessment Center bewertet.

  1. Welche Anforderungen an physische Fähigkeiten der Polizeianwärter wurden seit 2010 bis heute geändert?

Die Beantwortung bezieht sich auf Bewerberinnen und Bewerber, nicht auf Anwärterinnen und Anwärter, da davon ausgegangen wird, dass dies intendiert ist.

Die physischen Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber werden aktuell und wurden auch schon im Jahre 2010 durch das

  • Deutsche Sportabzeichen (mindestens in Bronze) und das
  • Deutsche Rettungsschwimmabzeichen in Bronze oder das Deutsche Schwimmabzei­chen in Gold nachgewiesen.

Beide Abzeichen müssen bis zum 1. Juli des Einstellungsjahres eingereicht werden und dürfen zu diesem Zeitpunkt nicht älter als 24 Monate sein. Beim Deutschen Sportabzeichen muss im Ausdauerbereich eine altersabhängige Laufdisziplin absolviert werden (Jugendliche: 800-Me­ter oder Dauer-/Geländelauf, Erwachsene: 3.000-Meter- oder 10.000-Meter- Lauf).

Bewerberinnen und Bewerber, die im Jahr der Abnahme des Deutschen Sportabzeichens 18 Jahre alt werden, müssen das Abzeichen für Erwachsene absolvieren.

  1. Welche intellektuellen/kognitiven Voraussetzungen, die Polizeianwärter mitbrin­gen müssen, wurden seit 2010 bis heute in welcher Form verändert?

Die Beantwortung bezieht sich auf Bewerberinnen und Bewerber, nicht auf Anwärterinnen und Anwärter, da davon ausgegangen wird, dass dies intendiert ist.

Den Bewerberinnen und Bewerbern der Einstellungsjahrgänge 2023 und 2024, welche im Erstversuch das Auswahlverfahren nicht erfolgreich durchlaufen haben, ist es in vorher genau festgelegten Fallkonstellationen möglich gewesen, einmalig Verfahrensteile auch unterjährig zu wiederholen. Diese Regelung wurde nach Evaluierung zum Einstellungsjahrgang 2025 wie­der abgeschafft, da eine umfängliche eignungsdiagnostische Bewährung in der Praxis nicht festgestellt werden konnte. Anders, wirkten sich situativen Faktoren, wie Nervosität oder Prü­fungsangst, weniger stark als vermutet aus.

Einzelne Elemente des PC-Tests werden in regelmäßigen Abständen evaluiert, um diese er­forderlichenfalls anzupassen bzw. weiterzuentwickeln.

 

MMD18-14555

 

1 Vgl. https://www.bild.de/news/inland/nach-schockierende-zahlen-polizei-schafft-diktat-bei-eignungs-test-ab-67f5f45538c3276cfc91c1d6?t_ref=https.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

Beteiligte:
Markus Wagner