Kleine Anfrage 62
der Abgeordneten Carlo Clemens, Markus Wagner und Dr. Daniel Zerbin vom 30.06.2022
Sprengung von Geldautomaten im Rheinisch-Bergischen Kreis und in NRW
Im ersten Quartal 2022 ist die Zahl der Geldautomatensprengungen erneut drastisch gestiegen. Das Landeskriminalamt NRW spricht für den Zeitraum von Januar bis Mai 2022 bereits von einer Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.1
Im Februar 2022 wurde ein Supermarkt in Dürscheid (Rheinisch-Bergischer Kreis), an dessen Fassade ein Geldautomat angebracht war, bei einer solchen Sprengung stark beschädigt. Nach Angaben der Kreissparkasse Köln wurden nun vorsorglich die Geldausgabeautomaten in Bergisch Gladbach-Moitzfeld und Overath-Heiligenhaus stillgelegt.2 Bereits vor zwei Jahren wurden Geldautomaten an Außenfassaden wie in Rösrath-Stümpen oder Overath-Vilkerath außer Betrieb genommen. Just ereignete sich ein weiterer Vorfall auf der Hauptstraße in Rösrath.3
Die Täter gehen dabei zunehmend brutaler vor. Statt Gas werden bei den Sprengungen nun zu 87% Explosivstoffe, sogenannte „Blitz-Knall-Körper“, eingesetzt, die in 50% aller Fälle den Zugriff auf das in den Geldautomaten vorhandene Bargeld ermöglichen, gleichzeitig aber für schwere Schäden an Gebäuden sorgen und Menschen in Gefahr bringen.
Die Landesregierung hat im April 2022 die Sonderkommission BEGAS (Bekämpfung und Ermittlung von Geldausgabeautomatensprengungen) eingesetzt. Zudem gab es Ende Februar 2022 einen „Bankengipfel“ im Innenministerium, bei dem Banken, Volksbanken und Sparkassen gemeinsam mit der Polizei ein Maßnahmenpaket zur Risikobewertung der rund 11.000 Geldautomaten in NRW vorgenommen haben.4
Wir fragen die Landesregierung:
- Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung nach dem „Bankengipfel“ vom Februar 2022 bezüglich des weiteren Abbaus von Geldausgabeautomaten vor allem im ländlichen Raum vor?
- Wie viele Geldausgabeautomaten sind in den Jahren 2020, 2021 und 2022 in NRW und insbesondere im Rheinisch-Bergischen Kreis gesprengt worden? (Bitte Aufschlüsselung nach zusätzlichen Kreisen und Städten)
- Welcher Schaden ist bei diesen Sprengungen in den Jahren 2020, 2021 und 2022 entstanden? (Bitte Aufschlüsselung nach entwendeten Geldsummen und weiteren Sachschäden)
- Wie bewertet die Landesregierung die davon ausgehenden Gefahren für Personen und Infrastruktur? (Bitte Aufschlüsselung nach Schäden an Personen und Infrastrukturen)
- Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Tatverdächtigen der in den Jahren 2020, 2021 und 2022 durchgeführten Geldautomatensprengungen? (Bitte Staatsbürgerschaft, Vornamen und Herkunftsland der Tatverdächtigen, Vorstrafen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über Tatverdächtige benennen)
Carlo Clemens
Markus Wagner
Dr. Daniel Zerbin
4 www.land.nrw/pressemitteilung/innenminister-setzt-sonderkommission-gegen-geldautomatensprenger-ein.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 62 mit Schreiben vom 26. Juli 2022 im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
- Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung nach dem „Bankengipfel“ vom Februar 2022 bezüglich des weiteren Abbaus von Geldausgabeautomaten vor allem im ländlichen Raum vor?
Die Entscheidungen über den Abbau von Geldautomaten liegen ausschließlich in der Zuständigkeit der Geldinstitute. Diesen obliegen auch diesbezügliche Auskünfte.
Dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen liegen keine belastbaren Erkenntnisse bezüglich des weiteren Abbaus von Geldautomaten seit Februar 2022 vor.
- Wie viele Geldausgabeautomaten sind in den Jahren 2020, 2021 und 2022 in NRW und insbesondere im Rheinisch-Bergischen Kreis gesprengt worden? (Bitte Aufschlüsselung nach zusätzlichen Kreisen und Städten)
Eine Übersicht aller Geldautomatensprengungen für die Jahre 2020 – 2022 (Stand 07.07.2022) für das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt und die davon im Rheinisch-Bergischen Kreis registrierten Taten sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:
Jahr | NRW | davon Rheinisch-Bergischer Kreis |
2020 | 176 | 2 |
2021 | 152 | 5 |
2022 (Stand 07.07.2022) |
105 | 4 |
- Welcher Schaden ist bei diesen Sprengungen in den Jahren 2020, 2021 und 2022 entstanden? (Bitte Aufschlüsselung nach entwendeten Geldsummen und weiteren Sachschäden)
Eine Übersicht der Gesamtschäden für die Jahre 2020 – 2022 (Stand 07.07.2022) für das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt und der Schäden, die davon auf den Rheinisch-Bergischen Kreis entfallen, sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:
Jahr | NRW | davon Rheinisch-bergischer Kreis | ||
2020 | 10.951.891 | € | 1.000 € | |
2021 | 14.934.056 | € | 569.648 € | |
2022 (Stand 07.07.2022) |
10.660.737 | € | 602.480 € |
- Wie bewertet die Landesregierung die davon ausgehenden Gefahren für Personen und Infrastruktur? (Bitte Aufschlüsselung nach Schäden an Personen und Infrastrukturen)
Aufgrund der deutlich höheren Sprengwirkung von festen Explosivstoffen im Vergleich zu Sprengungen mit Gas entstehen regelmäßig hohe Schadensbilder an Gebäuden und der umliegenden Infrastruktur mit unkalkulierbaren Gefahren für unbeteiligte Dritte sowie eingesetzte Kräfte. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Aspekt der Gefahrenabwehr bei der Bekämpfung des Deliktphänomens an Bedeutung.
- Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Tatverdächtigen der in den Jahren 2020, 2021 und 2022 durchgeführten Geldautomatensprengungen? (Bitte Staatsbürgerschaft, Vornamen und Herkunftsland der Tatverdächtigen, Vorstrafen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über Tatverdächtige benennen)
Zur Beantwortung der Frage 5 hat mir das Ministerium der Justiz mit Schreiben vom 14. Juli 2022 folgenden Beitrag zur Verfügung gestellt:
„I.
Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz unter dem 11.07.2022, soweit der justizielle Geschäftsbereich berührt ist, – anonymisiert – wie folgt berichtet:
‚Nach Anhörung der Behördenleitungen des hiesigen Geschäftsbereichs liegen den nachstehend angesprochenen Staatsanwaltschaften folgende Erkenntnisse im Zusammenhang mit Frage 5 der Kleinen Anfrage vor:
1. Staatsanwaltschaft Krefeld:
„Soweit dies hier in Anbetracht der Kürze der Berichtsfrist und mangels gesonderter statistischer Erfassung einschlägiger Verfahren verlässlich feststellbar war, ist in dem angefragten Zeitraum bei der Staatsanwaltschaft Krefeld lediglich ein Ermittlungsverfahren gegen namentlich benannte Täter anhängig geworden, das die Sprengung von Geldautomaten zum Gegenstand hat:
Das unter dem Aktenzeichen 25 Js 72/22 geführte Verfahren richtet sich gegen die beiden erwachsenen Beschuldigten, … , serbischer Staatsangehöriger, ohne festen Wohnsitz, und …, niederländische Staatsangehörige, wohnhaft in den Niederlanden. Etwaige Vorstrafen sind derzeit nicht bekannt. Sonstige ′polizeiliche Erkenntnisse′ können verlässlich nicht benannt werden.“
2. Staatsanwaltschaft Mönchengladbach:
„Für den angefragten Zeitraum konnte in meinem Geschäftsbereich lediglich ein Verfahren aus dem Jahr 2021 festgestellt werden, in dem ein Tatverdächtiger einer Geldautomatensprengung ermittelt worden ist. Der Tatverdächtige ist niederländischer Staatsangehöriger und in den Niederlanden geboren. Er … ist in der Bundesrepublik Deutschland vorher noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.“
3. Staatsanwaltschaft Wuppertal:
„Soweit in der Kürze der Zeit feststellbar ist in dem angesprochenen Zeitraum hier lediglich ein Verfahren wegen Sprengung von Geldautomaten anhängig gewesen. Es richtete sich gegen den in Amsterdam geborenen, niederländischen Staatsangehörigen …, der nach hiesigen Erkenntnissen nicht vorbestraft war.“ Das Verfahren stammt aus dem Jahr 2021.“
Die Behördenleitungen in Düsseldorf, Duisburg und Kleve haben Fehlanzeige erstattet. Mangels gesonderter Abfragemöglichkeiten könnten entsprechende Verfahren in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht festgestellt werden.‘
II.
Der Generalstaatsanwalt in Köln hat dem Ministerium der Justiz unter dem 12.07.2022 nach Beteiligung der Leitenden Oberstaatsanwälte in Aachen, Bonn und Köln, soweit der justizielle Geschäftsbereich berührt ist, – anonymisiert – wie folgt berichtet:
‚1.
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat berichtet, seit Beginn des Jahres 2020 bis heute seien laut den Systemdaten 23 Ermittlungsverfahren gegen 41 namentlich bekannte Tatverdächtige geführt worden.
Unter den 41 Tatverdächtigen seien 24 niederländische Staatsangehörige, vier deutsche Staatsangehörige, zwei spanische Staatsangehörige, ein ukrainischer Staatsangehöriger, ein marokkanischer Staatsangehöriger und zwei litauische Staatsangehörige. Bei sieben Personen lägen keine zuverlässigen Erkenntnisse zur jeweiligen Staatsangehörigkeit vor. …
Zu den Vorstrafen könnten im Detail – auch in Ansehung der Kürze der Berichtsfrist – keine Angaben gemacht werden.
2.
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn hat berichtet, eine belastbare Aussage zu der Frage 5 der Kleinen Anfrage sei nicht möglich. Eine gesonderte statistische Erfassung der Verfahren wegen Sprengung von Geldautomaten erfolge nicht. Für die Beantwortung der Frage sei eine händische Auswertung aller wegen schweren Bandendiebstahls oder Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion eingetragenen Verfahren seit dem Jahr 2020 erforderlich, was in der Kürze der Zeit nicht zu leisten sei.
3.
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Aachen hat berichtet, im Zeitraum von 2020 bis heute seien nur in einem Fall einer versuchten Geldautomatensprengung Tatverdächtige ermittelt worden.
Es handele sich bei den Beschuldigten um drei in den Niederlanden geborene niederländische Staatsangehörige mit dortigem Wohnsitz. …
Im Inland seien die Tatverdächtigen bislang nicht in Erscheinung getreten. Die niederländischen Strafregisterauszüge wiesen Verurteilungen niederländischer Gerichte wegen Diebstahlsdelikten, Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit, Straftaten gegen die öffentliche Ordnung sowie Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz aus.‘
III.
Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat dem Ministerium der Justiz unter dem 13.07.2022 soweit der justizielle Geschäftsbereich berührt ist, – anonymisiert – wie folgt berichtet:
‚Da eine gesonderte statistische Erfassung von Ermittlungsverfahren, denen Geldautomatensprengungen zugrunde liegen, nicht erfolgt, haben mir die Leitenden Oberstaatsanwältinnen und Leitenden Oberstaatsanwälte des Geschäftsbereichs auf Basis einer Befragung der Fachkommissariate der Polizei und/oder der mit der Bearbeitung entsprechender Verfahren befassten Dezernentinnen und Dezernenten zu der Frage 5 der Kleinen Anfrage berichtet, dass – soweit in der Kürze der Zeit feststellbar – in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 28 Tatverdächtige ermittelt worden seien.
Hiervon seien 23 niederländische und vier deutsche Staatsangehörige sowie einer ghanaischer Staatsangehöriger. Soweit von vier Tatverdächtigen die Herkunftsländer nicht der Staatsangehörigkeit entsprechen, stammen sie gebürtig aus Marokko, Kirgistan, Frankreich und Deutschland.
Vorverurteilungen durch deutsche Gerichte sind mir zu sieben Tatverdächtigen berichtet worden.
…
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Münster hat berichtet, vormalige Beschuldigte, gegen die das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, nicht benannt zu haben.‘
Von der Mitteilung weiterer Einzelheiten zu den Ermittlungen und zu den jeweils beschuldigten Personen sieht die Landesregierung ab. Die Bekanntgabe würde Rückschlüsse etwaiger Tatverdächtiger auf den Stand der Ermittlungen sowie auf Verfahrensweisen und Methoden der Strafverfolgungsbehörden ermöglichen und damit staatliches Handeln bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität berechenbar gestalten.“