Kleine Anfragen der Abgeordneten Verena S. der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zu Straftaten unterschiedlicher Bereiche im Jahre 2018

Kleine Anfrage
vom 18.06.2019

Kleine Anfrage 2653des Abgeordneten Markus Wagner vom 18.06.2019

 

Kleine Anfragen der Abgeordneten Verena S. der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zu Straftaten unterschiedlicher Bereiche im Jahre 2018

Die Abgeordnete Verena S. der Fraktion Bündnis90/Die Grünen hat am 31.01.2019 mehrere Kleine Anfragen bezüglich der Kriminalitätsentwicklung im Jahre 2018 eingereicht:

  • 17/5338 Antisemitische Straftaten im Jahre 2018
  • 17/5341 Flüchtlingsfeindliche Straftaten im Jahre 2018
  • 17/5340 Islamfeindliche Straftaten im Jahre 2018

Die Antworten der Landesregierung haben die folgenden Ergebnisse erbracht:

Die Anzahl der flüchtlingsfeindlichen Straftaten beträgt gemäß Antwort der Landesregierung im Jahre 2018 154 – davon 27 Gewaltdelikte. Interessant ist, dass die Einstufung „flüchtlingsfeindlich“ sehr umfassend ausgelegt wird. So sind auch Straftaten gegen geplante und im Bau befindliche Einrichtungen sowie gegen Einrichtungen, die sich unmittelbar für die Belange von Flüchtlingen einsetzen, in der Statistik enthalten.

Die Anzahl der antisemitischen Straftaten beträgt gemäß Antwort der Landesregierung im Jahre 2018 350 – davon 16 Gewaltdelikte. 262 Straftaten und damit 75 Prozent, fallen in die beiden Bereiche Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB (Propagandadelikte) und Volksverhetzungen.

Die Anzahl der islamfeindlichen Straftaten beträgt im Jahre 2018 156 – davon 14 Gewaltdelikte. Interessant ist – wie bereits bei vorherigen ähnlichen Anfragen – die Einstufung der Straftaten in den Bereich der PMK-rechts (141 Fälle). Laut Antwort der Landesregierung auf Frage 5 der kleinen Anfrage 17/5340 kam es im zweiten Halbjahr 2018 in nur 10 Fällen zur Erhebung einer Klage und zu 3 Verurteilungen. In 28 Fällen wurde das Verfahren eingestellt, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte.

Für einen vollständigen Überblick über die Kriminalitätsentwicklung ist es zudem erforderlich, alle Täter/Opfer-Konstellationen zu analysieren. Bei den Anfragen der Abgeordneten Verena S. bezüglich der Kriminalitätsentwicklung im Jahre 2018 wurde nicht nach Straftaten in folgender Konstellation gefragt: „Fälle von Opferdelikten unter Beteiligung mindestens eines Zuwanderers als Tatverdächtigen und mindestens eines Opfers, das nicht in die Gruppe der Zuwanderer fällt“. Diese bundesweit durch das BKA ermittelten Zahlen wurden im Rahmen einer kleinen Anfrage für Nordrhein-Westfalen ermittelt.1

Die Abfrage für das erste Halbjahr 2018 hat diesbezüglich folgende Ergebnisse für Nordrhein-Westfalen erbracht:2

Deliktgruppe Fälle Versuche
Tötungsdelikte 20 16
Sexualdelikte 511 35
Raubdelikte 428 65
Körperverletzungsdelikte 4.437 358
Delikte         gegen          die

persönliche Freiheit

1.463 45
Widerstand      gegen       die

Staatsgewalt

459

 

Eine Abfrage für das Jahr 2017 hatte in der Konstellation „Zuwanderer tatverdächtig / Opfer deutsch“ für Nordrhein-Westfalen folgende Zahlen ergeben:3

Deliktgruppe Fälle Versuche
Straftaten insgesamt 6540 562
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

unter        Gewaltanwendung
oder Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses §§ 174, 174a, 174b,

174c,  177, 178,   184i,  184j
StGB

528 50
Mord und Totschlag 10 8

 

Gemäß Definition der Landesregierung umfasst die Gruppe der Zuwanderer alle Personen die einen der Aufenthaltsanlässe „Asylbewerber“, „Schutz- und Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge“, „Duldung“ oder „unerlaubter Aufenthalt“ besitzen.

Das Bundeskriminalamt hat für das Berichtsjahr 2018 bereits das Lagebild „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ veröffentlicht.

Danach gab es bundesweit 46.336 deutsche Opfer in der Konstellation „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“. Das entspricht einer Steigerung von 19 Prozent zu den Zahlen aus dem Jahre 2017. Im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen erhöhte sich die Zahl der Opfer von 112 auf 230 (+ 105 %), davon 102 Opfer einer vollendeten Tat. (2017: 13 Fälle) Im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gab es 3.261 deutsche Opfer in dieser Konstellation. Das entspricht einer Steigerung von 21 Prozent. 2017 waren es 2.706 Fälle. Insgesamt waren gemäß BKA 74 % der Opfer von Sexualdelikten mit tatverdächtigen Zuwanderern deutsche Staatsangehörige.

Unter Berücksichtigung des prozentual wesentlich geringen Anteils von „Zuwanderern“ (gemäß Definition des BKA) an der Gesamtbevölkerung sind die verhältnismäßig geringeren Opferzahlen bei der Betrachtung in der Konstellation „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/Flüchtling“ auffällig. So gab es in dieser Konstellation 8455 Opfer. Im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen verringerte sich die Zahl der Opfer von 38 auf 33, davon 1 Opfer einer vollendeten Tat. Im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erhöhte sich die Zahl der Opfer von 74 auf 89.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Welche Zahlen ergeben sich bei einer Einzelauswertung der aufgeführten Opferzahlen aus dem „Lagebild im Kontext von Zuwanderung“ des BKA für Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2018? (Bitte auflisten nach Opfer gesamt, Opfer im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den beiden Konstellationen „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“ und „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/ Flüchtling“)

2. Wie viele Straftaten durch „Zuwanderer“ hat es zum Nachteil eines Opfers, das nicht in die Gruppe der Zuwanderer fällt, im Jahr 2018 in Nordrhein-Westfalen gegeben? (Bitte Übersicht analog zur Anlage 3 der Antwort auf die kleine Anfrage 17/4673 erstellen, inkl. nach Möglichkeit der Unterscheidung Opfer Deutsch, Opfer Ausländer)

3. Wie bewertet die Landesregierung – unter Berücksichtigung der Bevölkerungsverteilung – das offensichtlich gravierende Ungleichgewicht – beim Vergleich der Täter-Opfer-Beziehungen?

Markus Wagner

 

Anfrage als PDF laden

 

1 Vergl. Lagebild im Kontext von Zuwanderung des BKA

2 Vergl. Lt.-Drucksache 17/4673, Anlage 3

3 Vergl. Lt.-Drucksache 17/4059, Frage 2


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 19.07.2019

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2653 mit Schreiben vom 19. Juli 2019 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Regeln erstellt. Die PKS unterscheidet zwischen Geschädigten und Opfern. Opfer im Sinne der PKS sind Personen, gegen die sich eine mit Strafe bedrohte Handlung unmittelbar richtete. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, Freiheit, körperliche Unversehrtheit, etc.).

Nichtdeutsche Tatverdächtige/Opfer sind Personen ausländischer Staatsangehörigkeit, Staatenlose sowie Personen, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist. Personen, die zusätzlich zur deutschen Staatsbürgerschaft eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, werden den Deutschen zugerechnet.

Als Zuwanderer werden alle Staatsbürger eines Nicht-EU-Staates erfasst, die sich entweder unerlaubt in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten oder den Aufenthaltsstatus Asylbewerber, Schutz- und Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge oder Duldung haben.

1. Welche Zahlen ergeben sich bei einer Einzelauswertung der aufgeführten Opferzahlen aus dem „Lagebild im Kontext mit Zuwanderung“ des BKA für Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2018? (Bitte auflisten nach Opfer gesamt, Opfer im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den beiden Konstellationen „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“ und „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/ Flüchtling“)

Die Zahlen der Opfer für das Jahr 2018 zu den Delikten Straftaten insgesamt, Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen und Sexualdelikte für die Konstellationen „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“ und „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/Flüchtling“ stellen sich wie folgt dar:

 

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN – 17. Wahlperiode   Drucksache 17/6952
         
Delikt Anzahl der Opfer

Deutsch *    Asylbewerber **

Straftaten (inkl. Versuche) insgesamt 10 393 704
darunter:    
Mord 6 1
Totschlag 11 0
Tötung auf Verlangen 0 0
Sexualdelikte 968 30

 

* Anzahl deutscher Opfer aus Straftaten, die unter Beteiligung mindestens eines tatverdächtigen Zuwanderers begangen wurden.

** Anzahl Opfer mit einer Opferspezifik „Asylbewerber/Flüchtling“ aus Straftaten, die unter Beteiligung mindestens eines deutschen Tatverdächtigen begangen wurden.

2. Wie viele Straftaten durch „Zuwanderer“ hat es zum Nachteil eines Opfers, das nicht in die Gruppe der Zuwanderer fällt, im Jahr 2018 in Nordrhein-Westfalen gegeben? (Bitte Übersicht analog zur Anlage 3 der Antwort auf die kleine Anfrage 17/4673 erstellen, inkl. nach Möglichkeit der Unterscheidung Opfer Deutsch, Opfer Ausländer)

In den Anlagen 1 bis 3 sind die für 2018 gemeldeten Fälle mit mindestens einem tatverdächtigen Zuwanderer und mindestens einem Opfer, das nicht zur Gruppe der Zuwanderer gehört, ausgewiesen. In Anlage 1 sind alle Fälle abgebildet. In Anlage 2 weise ich alle Fälle aus, in denen mindestens ein Opfer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. In Anlage 3 sind alle Fälle abgebildet, in denen mindestens ein Opfer nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Eine Addition der Fälle aus Anlage 2 und 3 ergibt nicht zwangsläufig die Fallzahl aus Anlage 1, da Fälle aus Anlage 1 in den Anlagen 2 und 3 gleichzeitig ausgewiesen sein können. In diesen Fällen sind mindestens ein deutsches und ein nichtdeutsches Opfer erfasst.

3. Wie bewertet die Landesregierung – unter Berücksichtigung der Bevölkerungsverteilung – das offensichtlich gravierende Ungleichgewicht – beim Vergleich der Täter-Opfer-Beziehungen?

Mit ungefähr 15,6 Millionen Menschen stellen deutsche Staatsbürger rund 87 Prozent der nordrhein-westfälischen Wohnbevölkerung. Mit Stand Juni 2018 lebten in Nordrhein-Westfalen knapp 445 000 Zuwanderer. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von circa 2,5 Prozent. Schon aufgrund dieser prozentualen Verteilung innerhalb der Gesamtbevölkerung ist die grundlegende statistische Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, bei der Gruppe deutscher Staatsangehöriger höher als bei der Gruppe der Zuwanderer. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich beim jeweiligen Tatverdächtigen um einen deutschen Staatsangehörigen oder einen Zuwanderer handelt.

Betrachtet man die Alters- und Geschlechtsverteilung, so ist festzustellen, dass die Gruppe der männlichen Bevölkerung zwischen 18 und 40 Jahren – unabhängig von der Nationalität – die höchste Delinquenz aufweist. Bezogen auf die deutsche Wohnbevölkerung beträgt der Anteil der vorgenannten Alters- und Geschlechtsgruppe 12 Prozent. Demgegenüber beläuft sich der männliche Anteil zwischen 18 und 40 Jahren innerhalb der Gruppe der Zuwanderer auf 34 Prozent. Dies legt nahe, weshalb der Anteil tatverdächtiger Zuwanderer an der Gesamtzahl von Zuwanderern im Verhältnis höher ist als der Anteil Tatverdächtiger mit deutscher Staatsangehörigkeit an der Gesamtzahl der deutschen Bevölkerung.

 

Antwort samt Anlagen als PDF laden

Beteiligte:
Markus Wagner