150 Polizisten stürmen Shisha-Bars.

Kleine Anfrage
vom 16.09.2021

Kleine Anfrage 5980des Abgeordneten Markus Wagner vom 16.09.2021

 

150 Polizisten stürmen Shisha-Bars.

Am Abend des 18. Augusts 2021 fand am Eppinghofer Kreisel in Mühlheim im Rahmen des Aktionsplans „Clan“ eine großangelegte Razzia gegen die Clan-Kriminalität statt, bei der 25 Beamte des Ordnungsamts und des Fachbereichs Finanzen der Stadtetwa ein Dutzend Betriebe überprüft haben, darunter Shisha-Bars, Cafés und Spielhallen.

Unterstützt wurden die Beamten von zusätzlichen 150 Polizisten.1 Im Zuge der Razzia wurden ein illegal betriebener Geldspielautomat konfisziert und vier weitere Automaten versiegelt.2

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie ist der momentane Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hinsichtlich dieser Razzia in Mühlheim? (Bitte Tatverdächtige, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeilichen Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen).
  2. Welche Erkenntnisse zieht die Landesregierung aus dieser und ähnlichen vollzogenen Razzien aus der Vergangenheit?
  3. Inwieweit ist die Landesregierung im ständigen Austausch mit anderen Landesregierungen, um Sachstandskenntnisse auszutauschen und Straftaten vorzubeugen?
  4. Welche konkreten Maßnahmen will die Landesregierung noch umsetzen, um die bestehende Clan-Kriminalität einzudämmen und zu bekämpfen?

Markus Wagner

 

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1 https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/polizei-einsatz-in-muelheim-gross-razzia-gegen-clan-kriminalitaet-77425256.bild.html

2 https://www.derwesten.de/staedte/muelheim/muelheim-polizei-clan-kriminalitaet-razzia-id233084379.html


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 5980 mit Schreiben vom 14. Oktober 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Mi­nister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der momentane Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hinsichtlich dieser Razzia in Mühlheim? (Bitte Tatverdächtige, Vor­strafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatver­dächtigen, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeilichen Er­kenntnisse über die Tatverdächtigen nennen).

Dem in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage 5980 genannten Einsatz am 18.08.2021 der Kreispolizeibehörde (KPB) Essen lag ein Amtshilfeersuchen der Bezirksregierung Düsseldorf, der Stadt Mülheim an der Ruhr sowie des Finanzamts Mülheim an der Ruhr zugrunde.

Nach den bei der KPB Essen vorliegenden Informationen wurde durch die Bezirksregierung Düsseldorf ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Missachtung von Richtlinien zur Geld-wäscheprävention eingeleitet. Von Seiten der Stadt Mülheim an der Ruhr wurden 13 Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung und vier Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit Geldspielautomaten eingelei­tet. Darüber hinaus wurden sechs Geldspielautomaten versiegelt sowie ein Wettterminal si­chergestellt. Weiterhin wurde in einem Objekt der Getränkeausschank untersagt.

Hinsichtlich einer Beteiligung der Finanzverwaltung an der Maßnahme vom 18.08.2021, er­laubt das Steuergeheimnis nach § 30 AO keine Angaben.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Duisburg hat dem Ministerium der Justiz unter dem 27.09.2021 zum Sachstand der Ermittlungen Folgendes berichtet:

‚Die Kleine Anfrage betrifft die gemeinsam koordinierten Einsätze und Kontrollmaßnah­men des Ordnungsamtes der Stadt Mülheim an der Ruhr, des Finanzamtes Mülheim an der Ruhr und der Bezirksregierung Düsseldorf am 18.08. und 19.08.2021 in Mül­heim an der Ruhr, die im Rahmen der Amtshilfe von der Polizei und meiner Behörde (im Rahmen des Projektes der „Staatsanwälte vor Ort) “ begleitet worden sind.

Bei dem Einsatz am 18.08.2021 ist ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels (§ 284 StGB) einge­leitet worden. Beschuldigte ist die Betreiberin eines Cafés, in dem ein nicht zugelas­sener Spielautomat nebst mutmaßlicher Ein-/Auszahlungslisten sichergestellt worden ist. Die Beschuldigte ist türkische Staatsangehörige; belastbare Erkenntnisse zu etwa­igen Vorstrafen liegen nicht vor.

Das Verfahren ist bei meiner Behörde noch nicht eingegangen, so dass ich nähere Auskünfte zur Person der Beschuldigten oder zum genauen Sachstand nicht zu erteilen vermag. Nach fernmündlicher Auskunft des Polizeipräsidiums Essen dauern die krimi­nalpolizeilichen Ermittlungen noch an. Daher befinde sich der Vorgang dort noch in Bearbeitung.‘

Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat am 28.09.2021 berichtet, gegen die Sach­behandlung des Leitenden Oberstaatsanwalts keine Bedenken zu haben.

  1. Welche Erkenntnisse zieht die Landesregierung aus dieser und ähnlichen vollzo­genen Razzien aus der Vergangenheit?

Die konzertierten Schwerpunkteinsätze werden im Rahmen einer sogenannten „Nadelsticht-aktik“ durchgeführt und sind Teil der Gesamtstrategie zur Umsetzung des erforderlichen ganz­heitlichen Ansatzes zur Bekämpfung der Clankriminalität. Neben konsequenter Analyse, Aus­wertung und Ermittlungsarbeit sowie der Prävention stellen diese Einsatzmaßnahmen eine zentrale Säule im Kampf gegen die Clankriminalität dar. Sie dienen

  • der Aufhellung krimineller Strukturen,
  • der Durchsetzung der Null-Toleranz-Strategie der Landesregierung,
  • der Stärkung des Respekts gegenüber allen Einsatzkräften,
  • der Verunsicherung der kriminellen Szene.

Neben der konsequenten Kontrolle der Einhaltung der geltenden Gesetze liefern diese Ein­satzmaßnahmen auch wertvolle Erkenntnisse in Bezug auf die kriminellen Strukturen, die für die Auswertung, Analyse und Ermittlungsarbeit von Bedeutung sind und nur durch die durch­geführten Kontrollmaßnahmen in diesem Umfang erlangt werden können.

  1. Inwieweit ist die Landesregierung im ständigen Austausch mit anderen Landesre­gierungen, um Sachstandskenntnisse auszutauschen und Straftaten vorzubeu­gen?

Eine Intensivierung der länderübergreifenden Zusammenarbeit ist durch die Einrichtung einer „Bund-Länder-Initiative zur Bekämpfung der Clan-kriminalität“ (BLICK) auf Bundesebene er­reicht worden. Teilnehmende Länder sind Berlin, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und das Zollkriminalamt.

Die Landesregierungen tauschen sich zu Konzepten und Handlungsempfehlungen aus, har­monisieren bei Bedarf Einsatz- und Ermittlungskonzepte zwischen den beteiligten Behörden, bauen Sicherheitskooperationen aus und erhöhen die Anzahl von regelmäßigen Verbundein­sätzen.

Die Polizei NRW setzt einen Fokus auf die Kooperation und Vernetzung sowohl mit Polizeibe­hörden anderer Länder als auch dem europäischen Ausland sowie mit externen Behörden. Hierzu können exemplarisch die Gewerbe- und Finanzkontrollen (z.B. mit den zuständigen Behörden Gewerbeamt, Bauamt, Zoll, Steuerfahndung, Ordnungsamt), die Prüfung zur Durch­setzung aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen (z.B. mit den zuständigen Behörden Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, der Bezirksregierung, der Ausländerbehörde, der Bundespolizei und der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Unna) sowie die Entwicklung präventiver Maßnahmen durch das Ministerium des Innern und andere Organisationen be­nannt werden.

Darüber hinaus findet ein ständiger Austausch zwischen den Auswerte- und Ermittlungsdienst­stellen der Länder sowohl im Rahmen der polizeilichen Gremienarbeit (Kommission Organi­sierte Kriminalität, AG Kripo und Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz) als auch bei der bilateralen polizeilichen Zusammenarbeit statt. Auch vernetzt die Arbeit der Sicherheitskoope­ration Ruhr mit Standort in Essen seit 2020 alle Partnerbehörden durch das Prinzip der „Zu­sammengeschobenen Schreibtische“.

  1. Welche konkreten Maßnahmen will die Landesregierung noch umsetzen, um die bestehende Clan-Kriminalität einzudämmen und zu bekämpfen?

Die bereits erfolgreich implementierte ganzheitliche Strategie zur Bekämpfung der Clankrimi-nalität wird konsequent fortgeführt. In diesem Zusammenhang werden die angewandten Maß­nahmen fortlaufend überprüft und erforderlichenfalls angepasst. Im Fokus stehen dabei wei­terhin die optimierte inner- und interbehördliche Vernetzung und der damit einhergehende In­formationsaustausch, der u. a. durch die Arbeit der Sicherheitskooperation Ruhr bereits spür­bar verbessert wurde.

Auch zukünftig werden konzertierte Einsatzmaßnahmen von Polizei und anderen beteiligten Behörden, forcierte Finanzermittlungen („Follow the Money“) und die Entwicklung von Präven-tionsmöglichkeiten umgesetzt.

In den Bereichen der allgemeinen und der Organisierten Kriminalität werden weiterhin Ermitt­lungsverfahren gegen kriminelle Clanangehörige geführt. Diese Ermittlungen sind zum Teil sehr zeitaufwändig und werden auch zukünftig mit hoher Intensität betrieben. In diesem Zu­sammenhang sind Finanzermittlungen und Maßnahmen der Vermögensabschöpfung wichtige Elemente der nachhaltigen Strafverfolgung zur Schwächung von kriminellen Strukturen. Diese Maßnahmen werden weiter intensiviert um den Tätern erwirtschaftete Gewinne zu entziehen.

Zur Stärkung dieser Ermittlungen ist im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) die Task Force „Bekämpfung von Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und des Ter­rorismus“ eingerichtet worden. Die ressortübergreifende Ermittlungsgruppe mit Mitarbeitern von Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung und Polizei ermittelt in den Bereichen der Terroris-musfinanzierung, gewerbsmäßiger Geldwäsche, Clankriminalität sowie organisierten Sozial-leistungsmissbrauchs und gewährleistet die vernetzte Ermittlungsarbeit.

Das Lagebild türkisch-arabischer Clankriminalität des LKA NRW wird jährlich fortgeführt.

Ebenfalls ist der Präventionsansatz zur Bekämpfung der Clankriminalität in NRW weiterhin zielführend. Dazu wurde schon 2020 speziell das Projekt „360° Integration, Orientierung, Per­spektiven“ mit Sitz in der Sicherheitskooperation Ruhr in Essen mit der Aufgabe geschaffen, präventive Ansätze in diesem Themenfeld national und international zu erheben oder bezogen auf Nordrhein-Westfalen spezifisch zu entwickeln.

So wurde bereits die Prävention mit Fokus auf Familienclans durch eine Erweiterung der seit zehn Jahren erfolgreich agierenden Initiative „Kurve kriegen“ in den Standorten Bochum, Dort­mund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Oberhausen und Recklinghausen gestärkt.

Unter „360° Integration, Orientierung, Perspektiven“ sind weitere Teilprojekte „Glaubhafte Bot­schafter“ (Vorbilder für Integration und Perspektiven), „Frauen in Clans“ (Schlüsselfunktion in­nerhalb der Familien) und „Narrative“ (Negative Geschichten, die sich von Generation zu Ge­neration weitertragen) initiiert. Diese werden durch eine wissenschaftliche Beratergruppe so­wie die Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle des LKA NRW begleitet.

Auswertungen und internationale Austausche zeigen, dass präventiv der Möglichkeit von über­griffigen Handlungen aus den Familienclans gegenüber Polizeibeschäftigten – auch unterhalb einer strafrechtlichen Relevanz – begegnet werden muss und auch kann. Hierzu wurde seitens „360 Grad – Integration, Orientierung, Perspektiven“ das Teilprojekt „Gefährdung/Bedrohungs-management“ initiiert.

Über die direkte Anbindung von „360 Grad – Integration, Orientierung, Perspektiven“ an die Sicherheitskooperation Ruhr ist der Informationstransfer und die konzeptionelle Verzahnung zwischen Repression und Prävention auch weiterhin garantiert.

Alle Maßnahmen werden auch zukünftig mit unverminderter Intensität fortgeführt.

 

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Beteiligte:
Markus Wagner