Kleine Anfrage 2403
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
21-Jähriger in Essen durch Clan-Mitglieder entführt und verletzt – Vergeltungstat für einen Einbruch?
Am 02.08.2023 sollen vier Mitglieder eines Clans mit libanesischen Wurzeln einen 21-Jährigen in Essen entführt haben. Ein Zeuge habe gegen Mitternacht die Polizei gerufen und gemeldet, dass ein Bekannter von mehreren Männern angegriffen und in ein Auto geschleppt wurde. Ungefähr dreieinhalb Stunden darauf erreichte die Polizei Essen erneut ein Notruf eines Anwohners, der einen Einbruch in seiner Nachbarschaft meldete. Er habe mehrere Männer in einer weißen Limousine und einem weißen Kastenwagen flüchten gesehen. Die eingesetzten Streifenwagen konnten kurz darauf die Autos ausfindig machen und zum Stoppen bringen. In einem der beiden Fahrzeuge befand sich ein 21-jährige Rumäne mit „starken Gesichtsverletzungen“.1 Die Clan-Mitglieder scheinen ihr Opfer und einen Komplizen für den Einbruch in eine ihrer Gastronomien verantwortlich zu machen, bei welchem ein fünfstelliger Betrag erbeutet worden sein soll. Der Clan versuchte also womöglich das Geld gewaltsam zurückzubekommen, indem sie den 21-Jährigen in die Wohnung seines mutmaßlichen Komplizen einbrechen ließen. Die vier festgenommenen Clan-Mitglieder, die zwischen 33 und 45 Jahre alt seien, wurden nun aufgrund des Vorwurfs der Geiselnahme und gefährlichen Körperverletzung durch die Anordnung eines Richters in Untersuchungshaft gebracht.2
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- Konnte festgestellt werden, ob das Opfer und der mutmaßliche Komplize tatsächlich in einen Einbruch in eine Gastronomie der Clan-Mitglieder verwickelt waren?
- Wie viele Fälle von Geiselnahme bzw. Freiheitsberaubung gab es seit 2015 in NRW? (Bitte nach Jahr, Ort und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
Markus Wagner
2 Ebenda.
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 2403 mit Schreiben vom 27. September 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen hat dem Ministerium der Justiz unter dem 06.09.2023 im Wesentlichen berichtet, dass ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gegen derzeit vier inhaftierte Beschuldigte im Alter von 33 bis 45 Jahren geführt werde. Zwei der Beschuldigten seien deutsch-libanesische Staatsangehörige, ein Beschuldigter deutscher und ein weiterer libanesischer Staatsangehöriger. Nach gegenwärtigem Ermittlungsstand hätten drei der Beschuldigten den Geschädigten in der Essener Innenstadt mit Gewalt in einen Wagen gezerrt und ihn gegen dessen Willen zu einer Diskothek verbracht, wo der vierte Beschuldigte und weitere, bislang nicht identifizierte Personen in den Wagen zugestiegen seien. Unter Gewaltanwendung sei der Geschädigte aufgefordert worden, den Aufenthaltsort einer Person zu benennen, mit der er mutmaßlich in die Diskothek eingebrochen sein und Geld entwendet haben soll. Nach der Preisgabe der mutmaßlichen Wohnanschrift dieser Person sei der Geschädigte aufgefordert worden, die Wohnungstüre aufzubrechen. Als dieses gescheitert sei, sei erneut auf den Geschädigten eingeschlagen worden. Dieser habe Schwellungen im Gesicht und eine Kieferhöhlen-Jochbein-Fraktur erlitten. Die Ermittlungen dauerten an.
Ein Beschuldigter sei bereits zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Ein weiterer Beschuldigter sei wegen unterschiedlicher Delikte zu Geldstrafen verurteilt worden. Ein Beschuldigter sei nicht vorbestraft. Bzgl. des weiteren Beschuldigten liege noch kein Strafregisterauszug vor.
Von einer detaillierten Aufschlüsselung der Vorstrafen der Beschuldigten und der Nennung des Vornamens der Beschuldigten deutscher Staatsangehörigkeit wird unter Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschuldigten, insbesondere auch im Hinblick auf das Resozialisierungsgebot abgesehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass wegen der zeitlichen und örtlichen Eingrenzung der Tat und weiterer, auch presseöffentlicher Angaben zu dem Verfahren eine Identifizierbarkeit wahrscheinlich oder jedenfalls möglich erscheint. Dem parlamentarischen Informationsinteresse wird durch die weiteren Angaben zum Sachstand sowie die allgemeinen Angaben zu Vorstrafen entsprochen.
- Konnte festgestellt werden, ob das Opfer und der mutmaßliche Komplize tatsächlich in einen Einbruch in eine Gastronomie der Clan-Mitglieder verwickelt waren?
Hierzu dauern die Ermittlungen an.
- Wie viele Fälle von Geiselnahme bzw. Freiheitsberaubung gab es seit 2015 in NRW? (Bitte nach Jahr, Ort und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die PKS NRW ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird.
Die Fallzahlen für die Deliktsbereiche „Freiheitsberaubung“ und „Geiselnahme“ jeweils für die Jahre 2015 bis 2022 bitte ich den folgenden Tabellen zu entnehmen: