Antrag
der Fraktion der AfD
Vor Literatur wird gewarnt – Triggerwarnungen an Hochschulen und Universitäten untersagen
I. Ausgangslage
In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtete Prof. Dr. Ingo Berensmeyer, Anglistik-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), von den immer häufiger vorkommenden „Trigger“-Warnungen, also Hinweisen im Lehrbetrieb und zu Literatur, dass das folgende Gesagte, Gelesene oder Gesehene möglicherweise von den Studenten als verstörend wahrgenommen werden könnte. Prof. Dr. Berensmeyer replizierte hierbei auf einem zuvor von der F.A.Z. veröffentlichten Gastbeitrag von Prof. Dr. Eva von Contzen, in dem sie sich mit dem Für und Wider von Triggerwarnungen auseinandersetzte. Auch wenn sie diese eher positiv bewertet, stellt sie jedoch klar, dass derartige Warnungen nicht die Freiheit der Kunst und Lehre infrage stellen dürfen. Insbesondere wird klargestellt, dass die Literaturwissenschaft sich mit dem, was schwierig, belastend, herausfordernd und fremd ist, auseinandersetzen muss.1
Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland konstatiert, dass Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind und die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung entbindet. Somit unterliegt die Wissenschaftsfreiheit anders als die Meinungsfreiheit nicht dem vollumfänglichen Schrankenvorbehalt nach Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes. Triggerwarnungen sollen nach gängiger Lesart bei von traumatisierenden Ereignissen betroffenen Personen eine mentale Wiederholung dieser Ereignisse verhindern, zumindest aber auf diese Gefahr hinweisen. Triggerwarnungen im wissenschaftlichen Lehrbetrieb werden jedoch immer kritischer betrachtet. Es wird vor allem eine Hemmung des Lehrbetriebes durch Triggerwarnungen befürchtet. So stellt Herr Prof. Dr. Berensmeyer fest, dass die im Namen einer wohlmeinenden „Fürsorge“ getätigten Warnungen den Idealen der universitären Lehre und dem Grundsatz des mündigen Bürgers widersprechen. Potentiell verstörende Themen, Gegenstände und Werte, die heutigen Vorstellungen und Empfindlichkeiten widersprechen, machen den Kern der Literatur aus. Deren Zweck sei es, gestaltend auf das Imaginäre, auf menschliche Träume, aber auch auf Albträume zuzugreifen, sodass sich der Leser diesen stellen muss.2
Die Hochschulleitung der Universität Bonn hat sich im Jahre 2021 sogar von einem Leitfaden für Lehrkräfte distanziert, da es sich bei diesem Leitfaden nicht um die Grundsätze der Lehre an der Universität gehandelt habe.3 Die Hochschulleitung wies ausdrücklich daraufhin, dass der veröffentlichte Text nicht im Einklang mit den Grundsätzen und Leitlinien der Lehre an der Universität Bonn stehe. Einschränkungen von Professoren und Dozenten bei der Auswahl ihrer Lehrthemen, Lehrinhalte und Lehrbeispiele oder gar der Ausschluss von bestimmten Themen im Voraus werden von der Universität Bonn nicht hingenommen, da dies nicht der Universitätskultur entspreche, denn Universitäten sind Orte des freien Diskurses.4
Triggerwarnungen sollen die alltägliche Belastung reduzieren, welche bei Wiedererlebens-symptomen als Kern von Posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten können. Derartige Inhalte sollen gezielt vermieden oder es soll eine „mentale“ Vorbereitung zu diesen Inhalten vorgenommen werden können. Doch nach neueren Untersuchungen scheint weder der Ansatz der emotionalen Vorbereitung noch der Vermeidung einen langfristigen Erfolg zu verzeichnen. So wurde in Studien nicht ersichtlich, dass sich vermeintlich traumatisierte Personen nach einer Triggerwarnung explizit Vorbereitungszeit nehmen, bevor sie sich belastende Inhalte zuführen. Auch entschied sich der überwiegende Teil der Studienteilnehmer dazu, belastende Inhalte trotz Triggerwarnung zu Gemüte zu führen. Vielmehr scheint der gegenteilige Fall gegeben zu sein. So gibt es Anhaltspunkte, dass die Erwartung negativer körperlicher Gesundheitssymptome diese erst hervorrufen bzw. verstärken können. Der Begriff der „Trig-gerwarnung“ impliziert eine Traumatisierung und könnte dementsprechend durch Priming-Pro-zesse negative Antizipationen verursachen. Da noch keine konsistente Befundlage vorliegt, die eine klare Evidenz darlegt, ob „neutrale“ Begriffe hier alternativ möglich wären, wird angeraten, Triggerwarnungen nur mit Bedacht einzusetzen. Vielmehr soll der Lehrplan mitsamt Kurslektüren zu Beginn des Semesters oder Schuljahres ausführlich besprochen werden, um den Schülern und Studenten eine ausführliche Informationsbasis vorzulegen, ohne auf konkrete belastende Inhalte vorzugreifen.5
II. Der Landtag stellt daher fest:
- Der kritische Umgang und die Auseinandersetzung mit Literatur, insbesondere mit unangenehmen und belastenden Thematiken, ist eine notwendige Voraussetzung, um Literatur und Textwerke im akademischen Rahmen zu extrahieren.
- Triggerwarnungen bei der Lektüre von Literatur in Vorlesungen und Seminaren schränken die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre gemäß Art. 5 des Grundgesetzes unverhältnismäßig ein.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- die Hochschulen und Universitäten in Nordrhein-Westfalen darauf hinzuweisen, dass Triggerwarnungen bei der Lektüre von Literatur in Vorlesungen und Seminaren die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre gemäß Art. 5 des Grundgesetzes (GG) unverhältnismäßig einschränken und deswegen nicht anzuwenden sein sollten.
- Studien zu initiieren, welche die negativen Auswirkungen von Triggerwarnungen weiter eruieren und die langfristigen möglichen negativen Auswirkungen akademisch aufarbeiten.
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Christian Loose
und Fraktion
1 https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/der-aesthetische-lehrwert-der-trigger-warnings-17704168.html (abgerufen am 06.08.2024).
2 https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/hoersaal/wissenschaft-braucht-kein-betreutes-lesen-replik-auf-eva-von-contzen-17787412.html (abgerufen am 06.08.2024).
3 https://www.forschung-und-lehre.de/management/universitaet-bonn-distanziert-sich-von-leitfaden-4051 (abgerufen am 06.08.2024).
4 https://www.uni-bonn.de/de/neues/stellungnahme-des-rektorats-der-universitaet-bonn-zu-einer-veroeffentli-chung-des-gleichstellungsbueros (abgerufen 06.08.2024).
5 https://www.psychotherapeutenjournal.de/ptk/web.nsf/gfx/med_dome-d3gdhe_5d0a7/$file/PTJ_2024_1_Arti-kel%20Wahlsdorf%20et%20al.pdf (abgerufen am 06.08.2024).