Kleine Anfrage 3190
des Abgeordneten Carlo Clemens AfD
Abrisse und Umnutzungen von Kirchengebäuden in Nordrhein-Westfalen
In Deutschland findet eine beschleunigt zunehmende Veränderung der religiösen Bekenntnisse statt. 1950 waren in Westdeutschland und West-Berlin bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 50 Millionen Einwohnern noch fast 23 Millionen Bürger Mitglied der römisch-katholischen Kirche (44,3 %) und über 26 Millionen Mitglied der EKD (50,5 %).1 Im wiedervereinigten Deutschland des Jahres 2022 waren bei einer Gesamteinwohnerzahl von über 84 Millionen Menschen nur noch knapp 21 Millionen Mitglied der römisch-katholischen Kirche (24,8 %) und leicht über 19 Millionen Mitglied der EKD (22,7 %).2
Laut einer Erhebung der Studiengesellschaft Friedensforschung gab es im Jahr 2004 in Deutschland 24.500 katholische und 21.100 evangelische Kirchen.3 2023 meldete der NDR, dass die Kirchen bis 2060 voraussichtlich rund 40.000 Immobilien, darunter zahlreiche Kirchen, aufgeben müssen.4
Zwar wird offiziell erklärt, dass keine großflächigen Kirchenabrisse geplant seien, doch kam es bereits in den letzten Jahren zu einigen Demontagen. In dem NDR-Bericht wird als Beispiel die 2021 abgerissene Corvinuskirche in Hannover aus den 1960er Jahren genannt. Das Portal katholisch.de berichtete 2017, dass im Bistum Essen bereits 105 Kirchen geschlossen, 52 profaniert – entweiht – und 31 abgerissen worden seien. Im Bistum Münster seien 55 Gotteshäuser profaniert und 24 abgebrochen worden. Der Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhard schätzt die weitere Entwicklung wie folgt ein: „Aber wir stehen in dieser Entwicklung auch erst am Anfang. Wenn sich kein Umdenken einstellt, ist für die kommenden Jahre ein starker Anstieg von Abrissen absehbar.“5
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung die oben beschriebene Entwicklung bei den Kirchengebäuden in Nordrhein-Westfalen?
- Gibt es Prognosen über den langfristigen Bedarf an Kirchengebäuden in NRW in den nächsten Jahren und Jahrzehnten (bitte falls möglich nach Konfessionen aufschlüsseln)?
- Sind der Landesregierung aktuell geplante Kirchenabrisse bzw. -umnutzungen in NRW bekannt (falls ja: bitte nach Abriss, Umnutzung, Standort, Kirchengemeinde und Art des Kirchengebäudes aufschlüsseln)?
- Welche Kirchenabrisse bzw. -umnutzungen in NRW sind der Landesregierung in den letzten zehn Jahren bekannt geworden (bitte nach Abriss, Umnutzung, Standort, Kirchengemeinde und Art des Kirchengebäudes aufschlüsseln)?
- Was plant die Landesregierung, um in Zukunft die Erhaltung von nicht mehr liturgisch genutzten Kirchengebäuden in NRW zu gewährleisten (bitte nach Förderprogrammen, Fördermitteln u. a. Unterstützungsmaßnahmen aufschlüsseln)?
Carlo Clemens
1 Vgl. https://fowid.de/meldung/deutschland-konfessionen.
2 Vgl. https://www.kirchenaustritt.de/statistik/religionszugehoerigkeit.
5 Vgl. https://www.katholisch.de/artikel/14773-kirchenabrisse-wir-stehen-erst-am-anfang.
Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung hat die Kleine Anfrage 3190 mit Schreiben vom 19. Februar 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie bewertet die Landesregierung die oben beschriebene Entwicklung bei den Kirchengebäuden in Nordrhein-Westfalen?
Die beschriebene Entwicklung ist Ergebnis der Gesamtentwicklung der konfessionell gebundenen Menschen im Land Nordrhein-Westfalen. Die Entwicklung entzieht sich der Wertung der Landesregierung.
- Gibt es Prognosen über den langfristigen Bedarf an Kirchengebäuden in NRW in den nächsten Jahren und Jahrzehnten?
Der Landesregierung liegen solche Daten nicht vor.
- Sind der Landesregierung aktuell geplante Kirchenabrisse bzw. -umnutzungen in NRW bekannt (falls ja: bitte nach Abriss, Umnutzung, Standort, Kirchengemeinde und Art des Kirchengebäudes aufschlüsseln)?
Nein.
- Welche Kirchenabrisse bzw. -umnutzungen in NRW sind der Landesregierung in den letzten zehn Jahren bekannt geworden (bitte nach Abriss, Umnutzung, Standort, Kirchengemeinde und Art des Kirchengebäudes aufschlüsseln)?
Systematische Erhebungen liegen nicht vor, jedoch sind im Rahmen der Stadtentwicklungs-und Wohnraumförderung des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung eine Vielzahl von Umnutzungsprojekten bekannt, die im Folgenden beispielhaft aufgeführt sind:
Umnutzungen:
− Martinikirche Bielefeld | Veranstaltungsraum und Gastronomie
− Paul-Gerhardt-Kirche Bielefeld | Synagoge „Beit Tikwa”
− Friedenskirche Bochum | Stadtteilzentrum „Q1 – Eins im Quartier“
− St.-Marien-Kirche Bochum | Umbau als Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtung zum Anneliese Brost Musikforum
− Heilig Kreuz Bottrop | Kultureller und musischer Veranstaltungsraum
− Deusenkirche Dortmund | Umbau und Ergänzung zum Begegnungszentrum
− Maria Königin Kirche Dülmen | Wohnen
− St. Adelheid Geldern | Seniorenwohneinrichtung „Adelheid-Haus“
− Lukas-Gemeindezentrum Gelsenkirchen | Stadtteilzentrum Hassel
− Heilig-Kreuz-Kirche Gelsenkirchen | „Multifunktionshaus“
− Markuskirche Gelsenkirchen Hassel | Wohnen
− Markuskirche Gladbeck, | Martin-Luther-Forum-Ruhr
− Matthäuskirche Grevenbroich | Wohnen
− Martin-Luther-Kirche Hagen | Kindertagesstätte
− Thomas Morus Leverkusen-Schlebusch | Wohnen
− Erlöserkirche Marl-Brassert | Barrierefreie und denkmalgerechte Umgestaltung eines Bürgertreffs
− Herz Jesu Kirche Mönchengladbach | Wohnen
− Dreifaltigkeitskirche Münster | Soziales Wohnprojekt und Gewerberäume
Des Weiteren wird auf die Internetseite www.zukunft-kirchen-raeume.de zu verweisen.
Abrisse:
Kirchen werden aus unterschiedlichsten Gründen abgerissen. Ein Überblick von Abrissen in Nordrhein-Westfalen findet man unter https://www.moderne-regional.de. Hier sind für Nordrhein-Westfalen 222 Abrisse gelistet. Viele Kirchen, die im Zuge des Braunkohletagebaus abgerissen wurden, sind in den Umsiedlungsorten als Ersatz neu errichtet worden. So unter anderem St. Lambertus Erkelenz (Immerather Dom).
Aktuell konnte die Kirche der Gemeinde St. Albanus und Leonhardus in Kerpen-Manheim erhalten werden.
- Was plant die Landesregierung, um in Zukunft die Erhaltung von nicht mehr liturgisch genutzten Kirchengebäuden in NRW zu gewährleisten (bitte nach Förderprogrammen, Fördermitteln u. a. Unterstützungsmaßnahmen aufschlüsseln)?
Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung unterstützt im Rahmen der Städtebau- und Wohnraumförderung oder der Denkmalpflege unter anderem Projekte, die auch eine Umnutzung von (ehemaligen) kirchlichen Gebäuden vorsehen. Diese Einzelfälle hängen stark von den örtlichen Gegebenheiten und den kommunalen Konzepten ab. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung unterstützt aktuell das Kooperationsprojekt „Zukunft – Kirchen – Räume. Kirchengebäude erhalten, anpassen und umnutzen“ des Vereins Baukultur Nordrhein-Westfalen (siehe hierzu www.zukunft-kirchen-raeume.de).