Kleine Anfrage 2822
des Abgeordneten Klaus Esser AfD
Aktuelle UDV-Studie zeigt wachsende Probleme zwischen Radfahrern und Fußgängern: Welche Rückschlüsse zieht die Landesregierung?
Eine neue Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) kommt zu der Erkenntnis, dass bei Fuß-Rad-Unfällen überwiegend der Radfahrer der Unfallverursacher ist. Besonders erschreckend: In rund einem Viertel der Fälle floh der Verursacher vom Unfallort – mit allen Konsequenzen für das zurückbleibende Unfallopfer. Die zentralen Ergebnisse einer neuen Studie zu Radfahrer-Fußgänger-Unfällen wurden von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) am 19.10.2023 in Münster vorgestellt.1 In diesem Zusammenhang werden auch Zahlen für 2022 angeführt: In NRW hat es demnach 1160 Zusammenstöße zwischen Radfahrern und Fußgängern gegeben, bei denen Menschen zu Schaden kamen. 181 Personen wurden dabei schwer verletzt, vier Personen starben. Deutschlandweit gab es 720 Schwerverletzte und 13 Todesfälle bei sogenannten Fuß-Rad-Unfällen.2
Nach Auffassung der Studienersteller wird diese Unfallentwicklung in den kommenden Jahren „dynamisch zunehmen“.3 Will man den Verkaufszahlen folgen, nimmt der Radverkehr zu und viele dieser neuen Räder weisen auch eine stärkere Fahrleistung auf, die auf E-Bikes und E-Lastenrädern zurückgehen. Insgesamt werden damit Fahrräder statistisch gesehen auch schneller und schwerer. Die Bevölkerung wird auf der anderen Seite immer älter, was Folgen hat und sich unter anderem in reduzierten Reaktionsvermögen sowie eingeschränkter Handhabung schwerer Geräte aufgrund nachlassender Kräfte bemerkbar macht. Als
Unfallschwerpunkte weist die vorgelegte UDV-Studie vor allem Fußgängerzonen und Haltestellenbereiche aus. Gerade die Umgestaltungen von reinen Fußgängerzonen haben zuletzt zu einer Reihe von Konflikten und Unfällen mit der Beteiligung von Radfahrern gebracht. Die Düsseldorfer Schadowstraße und die Rheinuferpromenade werden bspw. als gefährliche Stellen für Fußgänger und Radfahrer genannt.4 Der UDV empfiehlt Fußgängerzonen und Parks für den Radverkehr geschlossen zu halten.5
Daher frage ich die Landesregierung:
- Befasst sich die Landesregierung vor dem Hintergrund der geplanten „Verkehrswende“ mit den Ergebnisse der aktuellen UDV-Studie?
- Welche Unfallzahlen bei Zusammenstößen zwischen Radfahrern und Fußgängern liegen für die Zeit zwischen 1.1.2023 und 30.09.2023 vor?
- Wie viele Fußgängerzonen gibt es in NRW, die gleichzeitig für den Radverkehr geöffnet wurden bzw. die auch über eine eigene Radspur verfügen? (Bitte Orte und Zeitpunkt der Umgestaltung bzw. erweiterten Nutzung für den Radverkehr benennen)
- Wird es seitens der Landesregierung Empfehlungen hinsichtlich der künftigen kommunalen Ausgestaltung der Rad-Fuß-Verkehrswege geben, um Ballungsräume für die Bürger sicherer zu gestalten?
- Welche gemeinschaftlich genutzten Rad-Fuß-Verkehrswege wurden im Zusammenhang mit der Reaktivierung stillgelegter Bahntrassen sowie bei „Bürgerradwegen“ in den letzten fünf Jahren geschaffen?
Klaus Esser
2 https://www1.wdr.de/nachrichten/radfahrer-fussgaenger-unfaelle-studie-100.html
5 https://www.n-tv.de/ticker/Unfaelle-zwischen-Fussgaengern-und-Fahrraedern-werden-ueberwiegend-von-Radfahrern-verursacht-article24475526.html bzw. https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/unfaelle-zwischen-radfahrern-und-fussgaengern-immer-schlimmer-id239837347.html
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 2822 mit Schreiben vom 29. November 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.
- Befasst sich die Landesregierung vor dem Hintergrund der geplanten „Verkehrswende“ mit den Ergebnissen der aktuellen UDV-Studie?
Die Ergebnisse der UDV-Studie liegen der Landesregierung vor und werden aktuell beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein- Westfalen (LZPD NRW) ausgewertet.
Die Polizei Nordrhein-Westfalen hat unter anderem die Aufgabe, Verkehrsunfälle zu verhindern. Die Auswertung von Verkehrsunfällen liefert hierbei wichtige Erkenntnisse für die Ausrichtung der polizeilichen Prä-ventionsarbeit.
Die sichere Gestaltung des Verkehrsraums, insbesondere das Zusam-menspiel verschiedener Verkehrsbeteiligungsarten in einem gemeinsa-men Verkehrsraum, ist Bestandteil der Präven-tionsarbeit.
Bei Unfallhäufungen hat sich das Instrument der Unfallkommissionsarbeit bewährt.
Zur Förderung der Sicherheit im Straßenverkehr für alle Verkehrsbeteili-gungsarten werden die Kreispolizeibehörden auch zukünftig auf Basis der örtlichen Unfalllage zielgerichtete, präventive und repressive Maß-nahmen treffen.
Hierbei werden auch die Ergebnisse der UDV-Studie berücksichtigt, sofern sie relevant sind.
- Welche Unfallzahlen bei Zusammenstößen zwischen Radfahrern und Fußgängern liegen für die Zeit zwischen 1.1.2023 und 30.09.2023 vor?
Als Grundlage für die Berechnung liegen aktuell die vorläufigen Zahlen für Januar bis einschließlich August 2023 vor. Bei der Auswertung wurden die Verkehrsbeteiligungsarten 71 (Fahrrad) sowie 81 (Fußgängerinnen und Fußgänger) und 84 (Fußgängerinnen und Fußgänger mit Sport- oder Spielgerät) berücksichtigt.
Insgesamt resultiert hieraus eine Zahl von 492 Unfällen, an welchen ausschließlich die oben genannten Gruppen beteiligt waren.
- Wie viele Fußgängerzonen gibt es in NRW, die gleichzeitig für den Radverkehr geöffnet wurden bzw. die auch über eine eigene Radspur verfügen? (Bitte Orte und Zeitpunkt der Umgestaltung bzw. erweiterten Nutzung für den Radverkehr benennen)
Die Entscheidung über die Anordnung von Fußgängerzonen sowie deren Öffnung für den Radverkehr wird vor dem Hintergrund der nach Artikel 28 Grundgesetz und Artikel 78 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltung von der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde getroffen. Die Landesregierung ist nicht ermächtigt, hierauf Einfluss zu nehmen und führt zudem keine Listen über die einzelnen Anordnungen von Fußgängerzonen in Nordrhein-Westfalen. Die Ermittlung solcher Daten wäre im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht leistbar.
- Wird es seitens der Landesregierung Empfehlungen hinsichtlich der künftigen kommunalen Ausgestaltung der Rad-Fuß-Verkehrswege geben, um Ballungsräume für die Bürger sicherer zu gestalten?
Das Land Nordrhein-Westfalen regelt in dem Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, dass die Träger der Straßenbaulast die Funktion von Gehwegen als geschützten Raum, gerade auch für besonders schutzbedürftige Verkehrsteilnehmende, bei Planungen und Maßnahmen mit Auswirkungen auf Gehwege planen und wahren. Ausreichend breite und zusammenhängende Gehwege leisten einen maßgeblichen Beitrag zur Verbesserung der Mobilität und zur Erhöhung der Sicherheit und der Aufenthaltsqualität des Fußverkehrs. Bei dem Neu-, Aus- und Umbau von Straßen sollen Gehwege bei der Straßenraumaufteilung und Straßenraumgestaltung besonders berücksichtigt werden. Ferner sollen bei dem Neu-, Aus- und Umbau von Straßen Radverkehr und Fußverkehr innerhalb der Ortslagen grundsätzlich getrennt geführt werden. Eine Mitbenutzung von Gehwegen durch den Radverkehr soll aus Verkehrssicherheitsgründen nur nachrangig gegenüber anderen Führungsformen für den Radverkehr vorgesehen werden.
Die Richtlinien zur Förderung der Nahmobilität in den Städten, Gemeinden und Kreisen des Landes Nordrhein-Westfalen führen ergänzend aus, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten sind. Insbesondere sind die Technischen Regelwerke und Wissensdokumente der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. (FGSV) in der jeweils geltenden Fassung zu berücksichtigen. Bei Radschnellverbindungen ist der Leitfaden für Planung, Bau und Betrieb von Radschnellverbindungen in Nordrhein-Westfalen des für Verkehr zuständigen Ministeriums in der jeweils geltenden Fassung zu beachten.
Darüber hinaus fördert das Land Nordrhein-Westfalen die Arbeitsgemeinschaft fußgänger-und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V. (AGFS NRW), die ihren Mitgliedern und Partnern über das Jahr hinweg verschiedene Formate und Veranstaltungen zur fachlichen Weiterbildung anbietet. Den Mitgliedskommunen stehen darüber hinaus aktuelle Aktionen und Kampagnen für den lokalen Einsatz zur Verfügung.
- Welche gemeinschaftlich genutzten Rad-Fuß-Verkehrswege wurden im Zusammenhang mit der Reaktivierung stillgelegter Bahntrassen sowie bei „Bürgerradwegen“ in den letzten fünf Jahren geschaffen?
In kommunaler Baulast wurden durch die Förderung nach den Förderrichtlinien Nahmobilität folgende gemeinschaftlich genutzten Rad-Fuß-Verkehrswege im Zusammenhang mit der Reaktivierung stillgelegter Bahntrassen geschaffen:
– Stadt Soest – Radvorrangroute über Bahntrassenradweg zwischen Nottebohmweg und Pengel-Anton-Radweg, Abschnitt 1
– Stadt Soest – Radvorrangroute über Bahntrassenradweg zwischen Nottebohmweg und Pengel-Anton-Radweg, Abschnitt 2
– Stadt Herne – Radweg Bahntrasse „Friedrich der Große“ zwischen Werderstraße und Gneisenaustraße
– Stadt Schwelm – Bahntrassenradweg von der Ruhr zur Wupper, Abschnitt Stadtgrenze Gevelsberg bis Haßlinghauser Straße
– Stadt Gevelsberg – Bahntrassenradweg von der Ruhr zur Wupper, Abschnitt Stadtgrenze Schwelm bis Bahnhof Gevelsberg-West
– Stadt Paderborn – Geh-/Radweg „Heimatweg“ auf der Trasse der ehemaligen Almetal-bahn in Paderborn-Wewer
– Stadt Leverkusen – OT Opladen (Imbacher Weg bis Lützenkirchener Straße)
– Städteregion Aachen – Aachen Haaren (Grüner Weg/Prager Ring bis Friedenstraße)
– Kreis Düren – Kreisgrenze AC/DN bis Jülich, Rübenstraße
– Gemeinde Lindlar – Lindlar-Welzen bis Gemeindegrenze zu Overath
– Stadt Overath – Overath-Bilstein bis Stadtgrenze zu Lindlar
– Stadt Dorsten – Radwegelückenschluss ehemalige Zechenbahntrasse Fürst Leopold
– Stadt Ochtrup – Asphaltierung des Radweges der ehemaligen Bahntrasse Ochtrup-Rheine auf dem Stadtgebiet Ochtrup bis zur Vechtebrücke 1. BA
– Stadt Ochtrup – Asphaltierung des Radweges der ehemaligen Bahntrasse „Ochtrup-Rheine“ von Vechtebrücke bis Langhorster Weg 2. BA
In der Baulast des Landes wurden folgende gemeinschaftlich genutzten Rad-Fuß-Verkehrswege im Zusammenhang mit der Reaktivierung stillgelegter Bahntrassen sowie bei „Bürgerradwegen“ geschaffen:
Bürgerradwege 2018-2022 (Straße und Bezeichnung)
– L 9 Moers/Holderberg
– L 163 Weilerswist – Swisttal
– L 207 Dreiborn/Katzenbroich – B 258
– L 362 Issum
– L 506 Billerbeck – Altenberge
– L 519 Sundern/Sorpesee – Hachen
– L 520 Münster/Wolbeck – Sendenhorst
– L 536 Rüthen/Westereiden – Erwitte/Eikeloh
– L 549 Salzkotten/Schwelle
– L 552 Warburg – Warburg/Dössel
– L 561 Herscheid/Hüinghausen
– L 570 nördl. Schöppingen
– L 582 Schöppingen – L 582
– L 591 Ibbenbüren/Dörenthe – Tecklenburg/Brochterbeck
– L 671 Walstedde
– L 686 Meschede/Olpe – Frenkhausen
– L 687 Sunder/Hagen – Allendorf
– L 735 Erwitte
– L 735 Anröchte/Berge
– L 758 Detmold/Mosebeck
– L 767 Preußisch Oldendorf
– L 771 Lübbecke/Gehlenbeck
– L 772 Bad Oeynhausen/Volmerdingsen
– L 778 Vlotho/Valdorf
– L 778 Steinhagen/Brockhagen
– L 783 Spenge
– L 793 Sünninghausen – Diestedde
– L 823 Horn Bad Meinberg – Steinheim
– L 828 Horn Bad Meinberg/Veldrom
– L 836 Rietberg
– L 854 Medebach/Düdinghausen
– L 876 Hüllhorst
– L 913 Brilon/Hoppecke – Thülen
– L 922 Bielefeld/Schröttinghausen
– L 943 Horn Bad Meinberg
– L 943 Horn Bad Meinberg/Wehren
– L 954 Steinheim/Sandebeck – Horn Bad Meinberg
– L 961 Dörentrup/Spork
– L 966 Halle/Kölkebeck – Bokel
– L 967 Lemgo/Kirchheide – Kalletal
– Radwege auf stillgelegten Bahntrassen 2018-2022 (Straße und Bezeichnung)
– RS 1 Mülheim a.d.R./Hochschule Ruhr West – Ruhrbrücke Mülheim a.d.R.
– RS 1 Gelsenkirchen/Stadtgrenze Essen – Stadtgrenze Bochum