Akute Personalnot beim ÖPNV: Was plant die Landesregierung?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 719
des Abgeordneten Klaus Esser vom 07.11.2022

Akute Personalnot beim ÖPNV: Was plant die Landesregierung?

Planung, Organisation und Ausgestaltung des kommunalen ÖPNV sind Aufgabe der Kreise und kreisfreien Städte bzw. der mittleren sowie großen kreisangehörigen Städte mit eigenen Verkehrsunternehmen.

Viele Verkehrsunternehmen haben mit Personalnot bzw. Krankschreibungen zu kämpfen, so auch die DB Regio NRW, die den RE 8 für mehrere Wochen quasi stilllegt.1 Auch die KVB mussten schon Buslinien vorrübergehend einstellen.2

Ein Novum sind Personalmangel und Sorgen bezüglich der Besetzung von Stellen in NRW nicht: Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) warnte u.a. zu Beginn des Jahres, dass in den kommenden zehn Jahren Zehntausende Bus- und Straßenbahnfahrer sowie Lokführer gebraucht werden.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Beabsichtigt das Land NRW die Kommunen bei der Bewältigung der aktuellen Personalnot zu unterstützen?
  2. Welche Erkenntnisse zum hohen Krankenstand beim Personal von Verkehrsbetrieben liegen der Landesregierung vor?
  3. Falls keine Erkenntnisse zum hohen Krankenstand und der Personalnot vorliegen, wird eine entsprechende Erhebung angedacht?
  4. Lassen sich vom Land bereitgestellte Regionalisierungsmittel zur Förderung des ÖPNV und SPNV für die Anwerbung und außertarifliche Vergütung von qualifiziertem Personal verwenden?
  5. Wird die Landesregierung einen Präventionsplan für künftige personelle Notlagen bei NRW-Verkehrsbetrieben vorbereiten?

Klaus Esser

 

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1 Htt p s :/ / rp- o n l i n e .de/nrw/ s t a e d t e /rommerskirchen/ j u e c h e n-und-rommerskirchen-kommen-ueberrascht-v o m-a u s f a l l -des-re -8_ a i d-75 16 51 07

2 Htt p s : / / www. R u n d s c h a u -online.de/region/ k o e l n /wegen-personalmangel- k v b -stellen-vier-b u s l i n i e n-in-koeln-ein-39 798 79 2 ? cb =1 66 0638050700&

3 Htt p s : / / www1. W d r .de/nachrichten/o e p n v 0-lokfuehrer-busfahrer – m a n g e l-100. H t m l


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 719 mit Schrei­ben vom 29. November 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) u.a. leistungsstärker und verlässlicher wird.

Um die Verlässlichkeit von straßen- und schienengebundenem Öffentlichen Personennahver­kehr zu gewährleisten und damit die Attraktivität des ÖPNV als nachhaltige Mobilitätsalternative insgesamt zu erhöhen, ist eine ausreichende Personalausstattung bei Bus und Bahn erforderlich. Die Unterstützung und Maßnahmen zur Entlastung der Verkehrs­branche sind der Landesregierung daher ein wichtiges Anliegen, um die erforderliche Mobilitätswende zu einem Erfolg zu führen.

Nach der gesetzlichen Grundkonzeption ist es primär Aufgabe der Kommunen für den Öffent­lichen Straßenpersonenverkehr (ÖSPV) bzw. der (kommunal getragenen) Zweckverbände für den SPNV, den ÖPNV zu organisieren und sich hierfür entsprechender Verkehrsunternehmen zu bedienen. Das Land fungiert nicht unmittelbar als operativer Akteur.

Dennoch ist dem Land Nordrhein-Westfalen der steigende Bedarf an Fachkräften für Bus und Bahn bekannt. Die Landesregierung unterstützt die Branche in enger Abstimmung, u.a. seit Januar 2019 durch das Landesprogramm Fokus Bahn NRW. Es gilt, gemeinsam dem Fach­kräftemangel entgegenzuwirken und die Qualifizierung zu modernisieren.

  1. Beabsichtigt das Land NRW die Kommunen bei der Bewältigung der aktuellen Per­sonalnot zu unterstützen?

Der in der Kleinen Anfrage in Bezug genommene „Personalnotstand“ zeigt sich primär im An­gebot von Verkehrsleistungen. Um den geschilderten Herausforderungen im ÖPNV entspre­chend zu begegnen, bedarf es einer Unterstützung zunächst der Verkehrsunternehmen – und nicht der Kommunen selbst. Richtigerweise ist es zunächst Aufgabe der jeweiligen Verkehrs­unternehmen, für eine ausreichende Personalausstattung zu sorgen.

Gleichwohl beobachtet die Landesregierung die Personalentwicklung im ÖPNV bereits seit Jahren aufmerksam.

Um die zuständigen Akteure, wie Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen, zu unterstützen, wurde im Januar 2019 z.B. das Landesprogramm Fokus Bahn NRW etabliert – als bundesweit einzigartige, unternehmensübergreifende Steuerungs- und Austauschplattform.

Das Landesprogramm Fokus Bahn NRW ist eine Gemeinschaftsinitiative der 10 Nahverkehrs-bahnen und der drei Aufgabenträger in NRW unter Federführung des für Verkehr zuständigen Ministeriums.

Fokus Bahn widmet sich bereits seit der Gründung intensiv der Herausforderung des steigen­den Personalbedarfs im SPNV bei Triebfahrzeugführenden, Zugbegleitenden, Disponentinnen und Disponenten und Planerinnen und Planern. So hat Fokus Bahn NRW über umfangreiche Personalmarketing-Maßnahmen, enge Vernetzung mit Arbeitsagenturen und Jobcentern, In­tegrationsprogramme für mittlerweile über 60 Geflüchtete, Gewinnung von Frauen für den Lok-führerberuf, Etablierung von unternehmensübergreifenden Kursen etc. dafür gesorgt, dass alle gegenwärtig geplanten Ausbildungsplätze mit qualifizierten Bewerbern und Bewerberinnen besetzt werden können und das akute Triebfahrzeugführerdefizit zunächst beseitigt ist.

Die bisherigen Erfolge zeigen, dass eine Verstetigung dieser Ansätze lohnenswert sein kann. So ermittelt und bewertet die Landesregierung gerade mit Fokus Bahn NRW und den Akteuren weitere mögliche Lösungsansätze, um die Branche zielgerichtet zu unterstützen.

Auch im Bereich des ÖSPV steht die Landesregierung in einem engen Austausch mit Verbän­den.

Es ist zugleich aber auch die Aufgabe der Wirtschaft bzw. Branche selbst, mit einer angemes­senen Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen Berufe bei Bus und Bahn attraktiver zu ge­stalten, Fachkräfte anzuwerben und auszubilden. Die Landessregierung unterstützt diese Be­strebungen.

  1. Welche Erkenntnisse zum hohen Krankenstand beim Personal von Verkehrsbe­trieben liegen der Landesregierung vor?
  2. Falls keine Erkenntnisse zum hohen Krankenstand und der Personalnot vorliegen, wird eine entsprechende Erhebung angedacht?

Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Krankenstände des Personals sind – neben weiteren möglichen Einflüssen, wie beispielsweise ausreichende Nachwuchsgewinnung, Vereinbarkeit oder Attraktivität des Berufsbilds – ein Faktor, der zu Personalengpässen im ÖPNV führen kann. Für eine verlässliche ÖPNV-Bedienung ist zunächst nur erforderlich, dass ausreichend fachliches Personal zur Verfügung steht – unabhängig von der exakten Ursache des teilweise aufgetretenen Personalbedarfs.

Der Landesregierung liegen keine detaillierten eigenen Erkenntnisse zu Krankenständen der in Nordrhein-Westfalen tätigen Verkehrsunternehmen vor. Einer solchen Erhebung bedarf es aus o.g. Gründen auch nicht. Sie würde zudem (datenschutz-)rechtlichen Bedenken begeg­nen.

Die Landesregierung steht allerdings mit den Verkehrsunternehmen und Verbänden der Ver­kehrsbranche in einem regelmäßigen Austausch zur SPNV-Betriebslage und zur generellen Herausforderung des Personalbedarfs.

  1. Lassen sich vom Land bereitgestellte Regionalisierungsmittel zur Förderung des ÖPNV und SPNV für die Anwerbung und außertarifliche Vergütung von qualifizier­tem Personal verwenden?

Die Regionalisierungsmittel können grundsätzlich für die benannten Zwecke eingesetzt wer­den, soweit sichergestellt ist, dass das Personal auch dem ÖPNV dient. Es obliegt jedoch alleine den Aufgabenträgern als Empfänger der Pauschalen nach § 11 ÖPNVG NRW und den Verkehrsunternehmen, an die die Pauschalen weitergeleitet werden, die Finanzmittel zweck­mäßig und gesetzeskonform zu verwenden. Dies schließt auch die Regelung der Personalver­gütung ein.

  1. Wird die Landesregierung einen Präventionsplan für künftige personelle Notlagen bei NRW-Verkehrsbetrieben vorbereiten?

Es ist Aufgabe der vertraglich gebundenen bzw. konzessionierten Verkehrsunternehmen, für eine ausreichende personelle Ausstattung und die Sicherstellung der Verkehrsangebote zu sorgen.

Im Bereich des SPNV sind zudem Mindestpersonalbesetzungen in den Verkehrsverträgen ge­regelt. Im Falle von Mängeln, die zu Qualitätseinbußen bei Bereitstellung der Verkehrsleistung führen, greifen vertraglich festgeschriebene Pönalen.

Die Landesregierung steht zugleich mit den Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen zu dieser Thematik in einem regelmäßigen Austausch. Vordringliches Ziel der Abstimmungen zwischen den Akteuren muss sein, dass keine ÖPNV-Angebote längerfristig eingestellt wer­den.

 

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Beteiligte:
Klaus Esser