Kleine Anfrage 3338der Abgeordneten Herbert Strotebeck und Sven W. Tritschler vom 22.01.2020
Altschuldenproblematik der Kommunen – welche Fehler wurden gemacht?
Der Bundesfinanzminister hat im Dezember seine Bereitschaft zur Entschuldung von 2.500 besonders hoch verschuldete Kommunen bekundet.1 Diese soll gemeinsam mit den Ländern erfolgen. Gerade die Kommunen in Nordrhein-Westfalen werden aktuell von Kassenkrediten i.H.v. 23 Milliarden Euro belastet.2 Das entsprach Ende 2018 mit 1.261 Euro pro Kopf der dritthöchsten Kassenkreditverschuldung in Deutschland. Die geringste Pro-Kopf-Verschuldung lag in Bayern mit 13 Euro, in Baden-Württemberg mit 22 Euro und in Sachsen mit 23 Euro vor.
Im Zusammenhang mit der medialen Diskussion über dieses Thema wird Ministerpräsident Armin Laschet im nachfolgenden Textabschnitt aus „Die Welt“3 zitiert:
´Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, dessen Bundesland der größte Profiteur einer Einigung wäre, macht entsprechend ebenfalls Druck. „Das Problem verschärft sich, wenn die Zinsen wieder ansteigen. Dann wird die Luft der Kommunen wirklich knapp“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die große Koalition müsse das Thema jetzt zeitnah angehen. Er gab zu, dass die hohen Bestände an Kassenkrediten „ein Aufsichtsversagen“ über die vergangenen 30 Jahre sei. Wie viel Geld Nordrhein-Westfalen selbst zum Schuldenerlass beisteuern will, ist bislang nicht bekannt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, dessen Bundesland der größte Profiteur einer Einigung wäre, macht entsprechend ebenfalls Druck. „Das Problem verschärft sich, wenn die Zinsen wieder ansteigen. Dann wird die Luft der Kommunen wirklich knapp“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die große Koalition müsse das Thema jetzt zeitnah angehen. Er gab zu, dass die hohen Bestände an Kassenkrediten „ein Aufsichtsversagen“ über die vergangenen 30 Jahre sei. Wie viel Geld Nordrhein-Westfalen selbst zum Schuldenerlass beisteuern will, ist bislang nicht bekannt.´
Der Ministerpräsident räumt also in diesem Zusammenhang ein vergangenes Aufsichtsversagen durch das Land ein.
Wir fragen daher die Landesregierung:
1. Was meinte der Ministerpräsident genau mit „Aufsichtsversagen“? (Wir um eine detaillierte Nennung von Beispielen von Aufsichtsversagen durch Land Nordrhein-Westfalen.)
2. Wie hoch wäre die Verschuldung der Kommunen in NRW heute, wenn es nicht zu dem vom Ministerpräsidenten dargelegten „Aufsichtsversagen“ gekommen wäre?
3. Welche anderen Ursachen haben zur Überschuldung so vieler Kommunen gerade auch im Vergleich zu anderen Bundesländern beigetragen? (Wir bitten hier um eine Aufschlüsselung von Faktoren für die Kommunen und das Land verantwortlich sind und exogener Faktoren, auf die weder Land noch Kommunen Einfluss haben.)
4. Wie erklärt die Landesregierung die erheblich geringere Pro-Kopf-Verschuldung in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen?
5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung seit ihrem Amtsantritt eingeleitet, um die bestehende Verschuldung der Kommunen zu senken und eine zukünftige Überschuldung der Kommunen in NRW zu verhindern?
Sven W. Tritschler
Herbert Strotebeck
2 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/09/PD19_352_713.html https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/09/PD19_352_713.html
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 19.02.2020
Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 3338 mit Schreiben vom 19. Februar 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet.
1. Was meinte der Ministerpräsident genau mit „Aufsichtsversagen“? (Wir bitten um eine detaillierte Nennung von Beispielen von Aufsichtsversagen durch Land Nordrhein-Westfalen.)
2. Wie hoch wäre die Verschuldung der Kommunen in NRW heute, wenn es nicht zu dem vom Ministerpräsidenten dargelegten „Aufsichtsversagen“ gekommen wäre?
3. Welche anderen Ursachen haben zur Überschuldung so vieler Kommunen gerade auch im Vergleich zu anderen Bundesländern beigetragen? (Wir bitten hier um eine Aufschlüsselung von Faktoren für die Kommunen und das Land verantwortlich sind und exogener Faktoren, auf die weder Land noch Kommunen Einfluss haben.)
4. Wie erklärt die Landesregierung die erheblich geringere Pro-Kopf-Verschuldung in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen?
Die Fragen 1 bis 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die kommunale Schuldenentwicklung ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenwirkens unterschiedlicher Einflussfaktoren. Dies gilt insbesondere für die Liquiditäts- bzw. Kassenkredite, die im Mittelpunkt der Diskussion über die kommunalen Altschulden stehen. Die Ursachen reichen von strukturellen Faktoren wie wirtschafts- und sozialstrukturellen Problemlagen über rechtliche und institutionelle Einflüsse (z.B. die Steuer- und Sozialgesetzgebung des Bundes, die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs sowie die Rolle der Kommunalaufsicht) bis hin zu lokalen Faktoren.
Die Frage nach den Ursachen kommunaler Haushaltsprobleme und Schulden ist in der Vergangenheit Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Die Facharbeitsgruppe „Kommunale Altschulden“ der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat im Rahmen ihrer Tätigkeit eine Übersicht über zentrale Ergebnisse dieser Untersuchungen erarbeitet, die auf der Internetseite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat abgerufen werden kann.
Neben den strukturellen und lokalpolitischen Faktoren wird gemeinhin auch der Aufsichtspraxis eine Bedeutung für die Höhe und Entwicklung der kommunalen Schulden zugeschrieben. Soweit Herr Ministerpräsident Laschet in dem – in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage zitierten – Artikel der Zeitung „Die Welt“ einen Zusammenhang zwischen der Höhe der kommunalen Altschulden einerseits und der Aufsichtspraxis andererseits anspricht, bezieht sich dieser auf eine allgemeine politische Einschätzung.
5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung seit ihrem Amtsantritt eingeleitet, um die bestehende Verschuldung der Kommunen zu senken und eine zukünftige Überschuldung der Kommunen in NRW zu verhindern?
Es wird auf die unter https://www.mhkbg.nrw/themen/kommunales/unsere-gemeinden-gewachsene-europaeische-staedte auf den Internetseiten meines Hauses abrufbare Broschüre hingewiesen.