Kleine Anfrage 6081des Abgeordneten Markus Wagner vom 22.10.2021
Angriff auf Kippa-Träger in Köln
Zur Aufklärung des antisemitischen Angriffs auf einen 18-jährigen Iraner jüdischen Glaubens im August 2021 im Kaiser-Wilhelm-Park in Köln sind die Wohnungen der beiden Tatverdächtigen durchsucht worden.1
Vor dem Hintergrund der Kleinen Anfrage 5933 beziehe ich mich auf die Antworten der Landesregierung, insbesondere auf die zu den Fragen 2 und 4, wonach ein Tatverdächtiger sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt. Der Vorfall wurde dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – nicht zuzuordnen“ zugewiesen.
Nur dann, wenn ein Sachverhalt weder unter den Phänomenbereichen PMK -links-, noch PMK -rechts-, noch PMK -ausländische Ideologie- noch PMK -religiöse Ideologie- subsumierbar ist, wird der Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität -nicht zuzuordnen“ gewählt.2
Da in diesem Fall eine Person jüdischen Glaubens Opfer einer Straftat geworden ist, käme auch eine Erfassung unter die Phänomenbereiche „Politisch motivierte Kriminalität – ausländische Ideologie“ oder „Politisch motivierte Kriminalität – religiöse Ideologie“ in Betracht.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Bewertungsmaßstäbe bezüglich des Tatverdachts, der Merkmale des Tatverdächtigen oder sonstiger Erkenntnisse über den Tatverdächtigen werden herangezogen, um nach Ansicht der Landesregierung eine antisemitische Straftat in den Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – ausländische Ideologie“ einzuordnen?
- Welche Bewertungsmaßstäbe bezüglich des Tatverdachts, der Merkmale des Tatverdächtigen oder sonstiger Erkenntnisse über den Tatverdächtigen werden herangezogen, um nach Ansicht der Landesregierung eine antisemitische Straftat in den Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – religiöse Ideologie “ einzuordnen?
- Inwieweit wird bei doppelten Staatsbürgerschaften hinsichtlich einer nichtdeutschen Staatsbürgerschaft und einer Herkunft aus muslimisch geprägten Staaten evaluiert, ob diese Sozialisationseigenschaft mitursächlich für die Begehung einer antisemitischen Tat gewesen sein kann?
- Warum wurde die Tat dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität -nicht zuzuordnen“ zugewiesen?
Markus Wagner
2 https://polizei.nrw/sites/default/files/2017-11/Definitionssystem%20PMK.pdf
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 6081 mit Schreiben vom 24. November 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet.
- Welche Bewertungsmaßstäbe bezüglich des Tatverdachts, der Merkmale des Tatverdächtigen oder sonstiger Erkenntnisse über den Tatverdächtigen werden herangezogen, um nach Ansicht der Landesregierung eine antisemitische Straftat in den Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – ausländische Ideologie“ einzuordnen?
- Welche Bewertungsmaßstäbe bezüglich des Tatverdachts, der Merkmale des Tatverdächtigen oder sonstiger Erkenntnisse über den Tatverdächtigen werden herangezogen, um nach Ansicht der Landesregierung eine antisemitische Straftat in den Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – religiöse Ideologie “ einzuordnen?
- Inwieweit wird bei doppelten Staatsbürgerschaften hinsichtlich einer nichtdeutschen Staatsbürgerschaft und einer Herkunft aus muslimisch geprägten Staaten evaluiert, ob diese Sozialisationseigenschaft mitursächlich für die Begehung einer antisemitischen Tat gewesen sein kann?
Die Fragen 1, 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch Motivierte Kriminalität“.
Dem Phänomenbereich PMK – ausländische Ideologie – werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine aus dem Ausland stammende nichtreligiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war, insbesondere, wenn sie darauf gerichtet ist, Verhältnisse und Entwicklungen im In- und Ausland zu beeinflussen. Gleiches gilt, wenn aus dem Ausland heraus Verhältnisse und Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland beeinflusst werden sollen. Die Staatsangehörigkeit des Täters ist hierbei unerheblich.
Dem Phänomenbereich PMK – religiöse Ideologie – werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine religiöse Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war.
Zu jedem Sachverhalt erfolgt eine Einzelfallprüfung und jede Information zur Tat, zum Tatgeschehen, zum Geschädigten und zum Täter (das beinhaltet auch den Migrationshintergrund der beschuldigten Person) fließt in die Bewertung ein.
- Warum wurde die Tat dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – nicht zuzuordnen“ zugewiesen?
Der Geschädigte war aufgrund seiner Kippa als Angehöriger des jüdischen Glaubens erkennbar. Er wurde aus einer Gruppe heraus mit den Worten „Scheiß Jude“ beleidigt und körperlich angegangen.
Aufgrund des aktuellen Ermittlungsstandes besteht der Verdacht, dass es sich um eine antisemitische Straftat gemäß den Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) handelt. Für eine Zuordnung zu den Phänomen-bereichen PMK – rechts -, PMK – links -, PMK – religiöse Ideologie – bzw. PMK – ausländische Ideologie – liegen keine eindeutigen Hinweise vor. Daher wird der Sachverhalt derzeit als PMK – nicht zuzuordnen – bewertet. Sollten während der weiteren Ermittlungen Hinweise auf eine andere Motivlage bekannt werden, erfolgt gemäß den Richtlinien für den KPMD-PMK eine Überprüfung dieser Zuordnung.