Anstieg von Straßenkriminalität in Deutschland – Wie sicher ist NRW?

Kleine Anfrage
vom 02.01.2024

Kleine Anfrage 3132

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Anstieg von Straßenkriminalität in Deutschland Wie sicher ist NRW?

In Bremen wurde durch die zuständige Polizei eine Sonderkommission eingerichtet, die sich speziell mit Raubüberfällen auseinandersetzt, die von jungen Tätern begangen werden. Der Name der Kommission lautet dementsprechend „Junge Räuber“.1 Zurückzuführen ist das Einrichten dieser Kommission auf die in kurzer Zeit rapide angestiegenen Vorfälle von Raubüberfällen in der Bremer Innenstadt sowie in Bahnhofsnähe. Bis Ende September dieses Jahres wurden in der Innenstadt bereits 172 Raubdelikte gemeldet – mehr als im gesamten Vorjahr 2022. Zudem seien rund 60 % der gefassten Täter Kinder, Heranwachsende oder junge Erwachsene, die oft aus den Maghreb-Staaten stammen sollen und keine Aufenthaltserlaubnis haben.

In Dresden wurde bereits 2022 eine ähnliche Sondereinheit gegründet. Diese heißt „Iuventus“ und befasst sich ebenfalls mit einem starken Anstieg von brutalen Raubüberfällen in der sächsischen Landeshauptstadt. Die Leiterin der Dresdner Sonderkommission stellt vor allem heraus, dass ihrer Einschätzung nach die „Hemmschwelle zur Gewaltanwendung“2 gesunken sei. So habe es schon immer Diebstähle und Überfälle gegeben, aber längst nicht in so einem Ausmaß und mit so einer Brutalität, wie es heute der Fall ist. Ähnliches kann auch in der bayerischen Landeshauptstadt München beobachtet werden, obwohl diese sogar als besonders sicher gelten soll, wurden 2022 bereits 703 Raubdelikte registriert. Das seien so viele wie seit ganzen zehn Jahren nicht mehr. Auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) beklagte, dass dieser Trend anhalte. Seiner Einschätzung nach würden viele Jugendliche falsche Vorbilder idealisieren und sich zudem Gruppen anschließen, bei denen die Anwendung von Gewalt zum Alltag gehört. Zudem würden die Straftaten in Teilen nicht einmal deswegen begangen werden, um Beute zu ergattern, sondern sogar, um sie für soziale Netzwerke zu filmen. Das Problem sei, dass die Jugendlichen sich immer weniger als Teil der Gesellschaft sehen und deshalb eher andere Zugehörigkeiten suchen würden. Allerdings gehe es bei diesen Angriffen heutzutage deutlich hemmungsloser zu als noch vor ein paar Jahren. Der Polizeipräsident Thomas Hampel merkte dazu an, das es noch vor etwa 20 Jahren Grenzen gegeben hätte, sodass beispielsweise ein Opfer, das am Boden lag, nicht mehr angegriffen wurde. Heute hingegen werde auch auf ein solches Opfer, welches längst wehrlos ist, weiter eingetreten.3

Generell haben sich in Deutschland Meldungen über brutal oder dreist begangene Raubüberfälle und ähnliche Attacken, die oft von Gruppen bzw. mindestens zwei Tätern begangen werden, gehäuft. Aufgrund dieser Entwicklung soll in Mannheim die Innenstadt nun doch zu einer Waffenverbotszone erklärt werden, nachdem etwa vor einem halben Jahr ein dementsprechender Antrag abgelehnt wurde. So habe es im Sommer erneut einen Anstieg von schwerer Straßenkriminalität gegeben, wobei häufig auch Messer eingesetzt wurden. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 konnten acht Messerstraftaten registriert werden. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2023 wurden nun bereits 21 dieser Delikte, also fast dreimal so viele, registriert. Auch in Frankfurt wurde das Bahnhofsviertel Anfang November zu einer Waffenverbotszone erklärt, da die Polizei zu viele „Rohheitsdelikte“4, wie Straßen Raub und Körperverletzungen, verzeichnete.5

Insgesamt sei es jedoch schwierig, die von vielen Verwaltungen und Polizeibehörden beschriebene Entwicklung von steigenden Fallzahlen mit Daten zu unterlegen, da die Kriminalität in den Jahren der Pandemie als Ganzes zurückgegangen war. Zusätzlich werden die Kriminalstatistiken von Kommunen, Ländern und dem Bund unterschiedlich aufbereitet, was einen Überblick erschwert. Die Bundesinnenministerin Faeser spielt zudem die steigenden Fallzahlen damit herunter, dass die Bereitschaft zur Anzeigeerstattung zugenommen habe. Allerdings sei mittlerweile ein „massives Gefühl der Verunsicherung“ bei vielen Bürgern etabliert. Dies sei unter anderem anhand von Städten wie Mönchengladbach zu erklären, einer Stadt mit etwa 260.000 Einwohnern, in der zwischen Januar und Ende September bereits 4.186 Straßenkriminalitätsdelikte erfasst wurden.6 Dabei habe es sich unter anderem um Diebstahl-, Raubüberfall- und Körperverletzungsdelikte gehandelt. So wurden im Durchschnitt pro Tag etwa 15 bis 16 Straftaten auf öffentlichen Plätzen in Mönchengladbach verübt. Dieses Bild beunruhigt auch die Polizeigewerkschaft. Diese beschreibt jedoch das Problem, das die aktuelle Belastungssituation wegen „personeller Defizite“7 kaum bewältigt werden könne. So sei es der Fall, dass bereits überlastete Ermittler weiter überstrapaziert arbeiten müssen und auch Kräfte an anderen Stellen fehlen. Des Weiteren wird kritisiert, dass die Identifizierung von Tätern teilweise durch „fehlende Ermittlungsinstrumente“8 behindert werde. An dieser Stelle könnten beispielsweise Geräte wie Kameras hilfreich sein. So wurden im Juli 2019 am Hamburger Hansaplatz, einem früheren Brennpunkt der Drogenkriminalität, mehrere Kameras installiert. Die Drogenkriminalität soll daraufhin in den ersten 6 Monaten um 62 % gesunken sein und auch die Raubüberfälle sanken um 73 %. Das Problem sei jedoch, dass Überwachungskameras an vielen Orten, wenn sie überhaupt genehmigt werden, massiv eingeschränkt sind, beispielsweise nur zu bestimmten Zeiten aufnehmen dürfen und auch nur bestimmte Bereiche anvisieren. So müsse die Gegend beispielsweise eine besondere Belastung durch Straßenkriminalität aufweisen. Auch KI-gesteuerte Kameras, die durch verdächtige Bewegungen wie Fallen, Treten oder Schlagen ausgelöst werden, seien bis jetzt nur in Pilotprojekten im Einsatz und befinden sich außerdem in einer rechtlichen Grauzone.9

Der Chef des Bundeskriminalamts sieht die Migration, die Inflation und die wirtschaftliche Situation als die drei Hauptfaktoren der aktuellen Lage. So beschreibt er, dass die meisten Jugendlichen durch Straftaten, wie Ladendiebstähle, Beleidigungen oder leichte Körperverletzungen auffallen würden. Die Tendenz, Raubüberfälle zu begehen und gewalttätiger zu werden, hinge jedoch von Faktoren wie der eigenen Armut oder Gewalterfahrungen in der Kindheit ab. Bremens SPD-Innensenator benennt die ungesteuerte Zuwanderung als Hauptgrund des massiven Anstiegs der Kriminalität.10 So beschreibt er, dass die meisten Raubüberfälle hauptsächlich von jungen Tätern aus den Maghreb-Staaten verübt werden. Die Drogengeschäfte werden hauptsächlich durch Zuwanderer aus Guinea geleitet. So kenne die Polizei zwar die Identität vieler Täter, könne aber nichts weiteres tun, als immer wieder Haftbefehle zu erstellen. So sollten mehr als 60 Personen aus Guinea bereits wieder in ihr Heimatland zurückgeführt werden. Dies konnte allerdings nur bei zwei Personen umgesetzt werden, da das entsprechende Rückführungsabkommen, welches die Bundesregierung aushandeln müsste, fehlt. Auch die Auswertung der Sonderkommission „Iuventus“ in Dresden legt dar, dass die Polizei in ihrem Handlungsraum deutlich eingeschränkt ist. So gab es bei insgesamt 186 ermittelten Tätern nur fünf Verurteilungen und 17 Personen, die sich aktuell in Untersuchungshaft befinden. Sechs weitere wurden in sogenannte Haftvermeidungsanstalten untergebracht, da es sich bei ihnen um Jugendliche handelt und es bei ihnen nur schwer umsetzbar sei, Untersuchungshaft anzuordnen. Die Leiterin der Sonderkommission gab abschließend zu Wort, dass das Phänomen zurückgedrängt worden sei, es aber nicht realistisch sei, es vollständig zu verdrängen.11

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Fälle von „Straßenkriminalität“ hat es seit 2015 bis heute pro Jahr in nordrhein-westfälischen Städten gegeben? (Bitte nach Ort und Delikt aufschlüsseln sowie das Geschlecht der Täter angeben.)
  2. Welches Alter haben die für die in Frage 1 abgefragte „Straßenkriminalität“ verantwortlichen Tatverdächtigen?
  3. Welche Nationalität haben die für die in Frage 1 abgefragte „Straßenkriminalität“ verantwortlichen Tatverdächtigen? (Bitte bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  4. Wie viele dieser Delikte wurden in sogenannten „Waffenverbotszonen“ begangen? (Bitte nach Jahr, Ort und Delikt sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  5. Sind der Landesregierung Sonderkommissionen in nordrhein-westfälischen Städten bekannt, die sich (ähnlich wie in Dresden und Bremen) mit dem Anstieg von Straßenkriminalität, vor allem unter Jugendlichen, auseinandersetzen? (Wenn ja, bitte den Ort der eingesetzten Kommission sowie jeweils eine Bilanz in die Antwort miteinbeziehen.)

Markus Wagner

 

MMD18-7571

 

1 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus248538478/Kriminalitaet-Wie-Ausmass-und-Brutalitaet-von-Raubueberfaellen-zunehmen.html.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.

5 Ebenda.

6 Ebenda.

7 Ebenda.

8 Ebenda.

9 Ebenda.

10 Ebenda.

11 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3132 mit Schreiben vom 31. Januar 2024 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Als Datenbasis für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung dient die Poli­zeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfas­sung.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nord­rhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssiche-rungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten – auch im Zusammenhang mit Straßenkriminalität – für die Jahre 2023 und 2024 derzeit noch nicht qualitätsgesichert vor.

In der Polizeilichen Kriminalstatistik wird bundeseinheitlich nur eine Staatsangehörigkeit für eine Person (Tatverdächtiger oder Opfer) erfasst. Personen, die eine deutsche und eine nicht­deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, werden mit der deutschen Staatsangehörigkeit er­fasst. Die Beantwortung von Fragen zu Mehrfachstaatsangehörigkeiten ist daher aus der Po­lizeilichen Kriminalstatistik heraus nicht möglich.

Der Straßenkriminalität werden ausgewählte Deliktsbereiche zugeordnet und in der Polizeili­chen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen in einem Summenschlüssel ausgewiesen. Die zu­gehörigen Delikte werden ausschließlich oder überwiegend auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen einschließlich öffentlicher Verkehrsmittel begangen. Im Detail umfasst der Sum­menschlüssel folgende Straftaten:

  • Sexuelle Belästigung
  • Straftaten aus Gruppen
  • Exhibitionistische Handlungen und Erregung öffentlichen Ärgernisses
  • Raubüberfälle auf Geld- und Werttransporte
  • Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer
  • Handtaschenraub
  • Sonstige Raubüberfälle auf Straßen, Wegen oder Plätzen
  • Gefährliche und schwere Körperverletzung auf Straßen, Wegen oder Plätzen
  • Erpresserischer Menschenraub i. V. m. Raubüberfall auf Geld- und Werttransporte
  • Geiselnahme i. V. m. Raubüberfall auf Geld- und Werttransporte
  • Diebstahl an/aus Kraftfahrzeugen insgesamt
  • Taschendiebstahl insgesamt
  • Diebstahl von Kraftwagen (einschl. unbefugter Ingebrauchnahme)
  • Diebstahl von Mopeds und Krafträdern (einschl. unbefugter Ingebrauchnahme)
  • Diebstahl von Fahrrädern (einschl. unbefugter Ingebrauchnahme)
  • Diebstahl von/aus Automaten
  • Landfriedensbruch
  • Sachbeschädigung an Kraftfahrzeugen
  • Sonstige Sachbeschädigung auf Straßen, Wegen oder Plätzen
  1. Wie viele Fälle von „Straßenkriminalität“ hat es seit 2015 bis heute pro Jahr in nordrhein-westfälischen Städten gegeben? (Bitte nach Ort und Delikt aufschlüs­seln sowie das Geschlecht der Täter angeben.)

In dem Zeitraum von 2015 bis 2022 wurden für gesamt Nordrhein-Westfalen 2.609.764 Fälle von „Straßenkriminalität“ erfasst. Die Fallzahlen für die einzelnen Kreispolizeibehörden und Berichtsjahre bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen.

  1. Welches Alter haben die für die in Frage 1 abgefragte „Straßenkriminalität“ ver­antwortlichen Tatverdächtigen?

Die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen im Deliktsbereich „Straßenkriminalität“ für Nord­rhein-Westfalen insgesamt, aufgeschlüsselt nach Alterskohorten und Berichtsjahren, bitte ich der Anlage 2 zu entnehmen.

  1. Welche Nationalität haben die für die in Frage 1 abgefragte „Straßenkriminalität“ verantwortlichen Tatverdächtigen? (Bitte bei Deutschen die Mehrfachstaatsange­hörigkeit extra ausweisen.)

Die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen im Deliktsbereich „Straßenkriminalität“ für Nord­rhein-Westfalen insgesamt, aufgeschlüsselt nach Staatsangehörigkeit und Berichtsjahren, bitte ich der Anlage 3 zu entnehmen.

  1. Wie viele dieser Delikte wurden in sogenannten „Waffenverbotszonen“ began­gen? (Bitte nach Jahr, Ort und Delikt sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörig­keit extra ausweisen.)

Die Waffenverbotszonenverordnung Nordrhein-Westfalen gilt mit Inkrafttreten zum 16.12.2021 bislang für die in Köln und Düsseldorf festgelegten und in der Anlage 4 dargestellten räumli­chen Geltungsbereiche. Für das Jahr 2022 wurden insgesamt 3.376 Fälle der Straßenkrimi­nalität an Tatörtlichkeiten innerhalb der Waffenverbotszonen in der Polizeilichen Kriminalsta­tistik Nordrhein-Westfalen erfasst, hiervon 1.792 Fälle für Düsseldorf und 1.584 Fälle für Köln. Zeitliche Beschränkungen der Einrichtung von Waffenverbotszonen konnten in der Auswer­tung nicht berücksichtigt werden.

  1. Sind der Landesregierung Sonderkommissionen in nordrhein-westfälischen Städ­ten bekannt, die sich (ähnlich wie in Dresden und Bremen) mit dem Anstieg von Straßenkriminalität, vor allem unter Jugendlichen, auseinandersetzen? (Wenn ja, bitte den Ort der eingesetzten Kommission sowie jeweils eine Bilanz in die Antwort miteinbeziehen.)

Seit dem Jahr 2015 wurden dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen 107 Ermittlungs­kommissionen (EK) bzw. Ermittlungsgruppen (EG) der nordrhein-westfälischen Kreispolizei­behörden im Bereich der „Straßenkriminalität“ gemeldet. Hiervon ermittelten 13 EK bzw. EG im Schwerpunkt gegen jugendliche Tatverdächtige. Beispielsweise sind hier die EG „Gang“ der Kreispolizeibehörde Hagen, die EK „Scharn“ der Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke oder die EK „Apfel“ der Kreispolizeibehörde Bielefeld zu nennen, die sich mit Straßenkrimina­lität jugendlicher Tatverdächtiger befassten.

 

MMD18-7946

Beteiligte:
Markus Wagner