Antisemitische Straftaten in Dortmund

Kleine Anfrage
vom 22.01.2021

Kleine Anfrage 4865der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Markus Wagner vom 22.01.2021

 

Antisemitische Straftaten in Dortmund

Im Rahmen der Kleinen Anfrage 47511 wurde nach Erkenntnissen der Landesregierung bezüglich einer antisemitischen Straftat in Dortmund gefragt. Der in diesem Verfahren zuständige Leitende Staatsanwalt führte in diesem Zusammenhang aus:

„Das gegen Unbekannt geführte Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung vom 14.12.2020 eingestellt worden, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Da die Schmierereien bei Anzeigeerstattung bereits vollständig entfernt worden waren, konnten Spurensicherungsmaßnahmen nicht erfolgen. Eine Videoüberwachung war weder am Lokal der Geschädigten noch in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhanden. Weiterführende Ermittlungsansätze sind nicht vorhanden.“

Auch im Zusammenhang mit einer weiteren antisemitischen Tat konnte bisher kein Täter ermittelt werden. So wurden nach Aussage des Polizeipräsidiums Dortmund „etwa 11 km […] entfernt […] am 16.11.2020 am Eingang einer Grundschule in Dortmund Farbschmierereien festgestellt. Es wurden u.a. „Hakenkreuze“ und die Schriftzüge „Juden sind Sch****“ und „ACAB“ aufgebracht. Ein Tatverdächtiger konnte bislang nicht ermittelt werden. Erkenntnisse über einen Tatzusammenhang zum angefragten Sachverhalt liegen derzeit nicht vor.“

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wurden die genannten Vorfälle als politisch motivierte Straftaten eingestuft?
  2. Wurden die genannten Vorfälle bereits einem Phänomenbereich der PMK zugewiesen?
  3. Wenn ja: Welche Einordnung wurde vorgenommen und wie begründet sich in diesen Fällen die entsprechende Zuordnung?
  4. Wenn nein: Von welcher Einstufung ist auszugehen, wenn sich keine weiteren Ermittlungsergebnisse einstellen sollten und sich folglich weder Tatverdächtige noch Täter ermitteln lassen?
  5. Inwiefern liegen momentan Anhaltspunkte vor, die dazu beitragen könnten, dass es nicht zu der Einstufung „PMK nicht zuzuordnen“ kommen wird?

Gabriele Walger-Demolsky
Markus Wagner

 

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1 Vgl. Lt. Vorlage 17/12158


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4865 mit Schreiben vom 16. Februar 2021 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems PMK.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105­108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

  1. Wurden die genannten Vorfälle als politisch motivierte Straftaten eingestuft?

Beide angefragte Straftaten erfüllen die Definition zur PMK und sind daher als politisch motivierte Straftaten eingestuft.

  1. Wurden die genannten Vorfälle bereits einem Phänomenbereich der PMK zugewiesen?
  2. Wenn ja: Welche Einordnung wurde vorgenommen und wie begründet sich in diesen Fällen die entsprechende Zuordnung?
  3. Wenn nein: Von welcher Einstufung ist auszugehen, wenn sich keine weiteren Ermittlungsergebnisse einstellen sollten und sich folglich weder Tatverdächtige noch Täter ermitteln lassen?

Die Fragen 2 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Beide Sachverhalte wurden gemäß den Vorgaben der bundesweiten Richtlinien des KPMD-PMK in einer Einzelfallprüfung gesichtet, bewertet und abschließend dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet.

Wie in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4751 (Drucksache 17/12282) dargelegt, wurden weitere antisemitische Schmierereien festgestellt, die Bezüge zum Phänomenbereich PMK-Rechts aufweisen. Die zeitliche Nähe zum Jahrestag der Reichsprogromnacht ist ein weiteres Indiz für eine antisemitische Einstellung der/des Täter(s). Aus diesen Gründen erfolgte oben genannte Zuordnung.

  1. Inwiefern liegen momentan Anhaltspunkte vor, die dazu beitragen könnten, dass es zu der Einstufung „PMK-Nicht zuzuordnen“ kommen wird?

Aktuell liegen keine Erkenntnisse zu einer anderen Motivlage vor.

 

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