Kleine Anfrage 5458der Abgeordneten Andreas Keith, Markus Wagner und Sven Tritschler vom 12.05.2021
Antisemitische Vorfälle vor Synagogen in Nordrhein-Westfalen
In den vergangenen Tagen feuerten Hamas-Terroristen mehr als 1.000 Raketen auf Israel. Die israelischen Streitkräfte gaben dazu per Twitter bekannt, dass sie als Reaktion eine Reihe bedeutender Terrorziele und Terroristen im gesamten Gazastreifen getroffen hätten und dies der schwerste Luftschlag seit 2014 gewesen sei.1
Die Abneigung gegenüber jüdischem Leben hat am Dienstagabend auch Nordrhein-Westfalen erreicht. Vor zwei Synagogen wurden israelische Fahnen angezündet.
In Münster teilte die Polizei mit, dass sie am Abend 13 Tatverdächtige stellen konnte. Mehrere Zeugen hatten der Polizei per Notruf mitgeteilt, dass sich „eine etwa 15-köpfige Gruppe mit arabischem Aussehen“ vor der Synagoge aufhalte, deren Mitglieder laut Parolen skandieren und eine israelische Fahne verbrennen. Die Synagoge selbst wurde nicht beschädigt.
In Bonn nahm die Polizei nach eigenen Angaben zufolge drei Tatverdächtige fest. Die Tatverdächtigen sollen den Eingang der Synagoge in der Tempelstraße in Bonn mit Steinen beschädigt und mit Feuer „hantiert“ haben. Die Einsatzkräfte vor Ort stellten eine weiß-blaue angezündete Flagge sicher.2
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie viele antisemitische bzw. antiisraelische Straftaten sind der Landesregierung seit Montag, den 10. Mai 2021, bekannt? (Bitte aufschlüsseln nach Deliktsbereichen)
- Wie viel Prozent der ermittelten Gesamtzahl an Tatverdächtigen besaß zu diesem Zeitpunkt nicht die deutsche Staatsbürgerschaft?
- Wie viel Prozent der ermittelten Gesamtzahl an Tatverdächtigen besaß zu diesem Zeitpunkt eine doppelte Staatsbürgerschaft? (Bitte analog zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 12 der Fraktion der AfD hierzu eine Erhebung in den zum jeweiligen Tatzeitpunkt für die Personen zuständigen Meldeämtern in Nordrhein-Westfalen durchführen.)
- Wie lauten die Vornamen der Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit? (Falls die Landesregierung datenschutzrechtliche Bedenken anmelden sollte, sei auf den Bericht der Landesregierung, Vorlage 17/2067, vom 13. Mai 2019 verwiesen, in dem die angefragte Verfahrensweise möglich gewesen ist. Bei identischer Schreibweise eines Vornamens die Angabe bitte um einen Zahlenwert ergänzen, sodass erkennbar ist, wie viele Tatverdächtige denselben Namen getragen haben)
Andreas Keith
Markus Wagner
Sven Tritschler
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 5458 mit Schreiben vom 9. Juni 2021 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Datenbasis zur Beantwortung der Kleinen Anfrage sind Meldungen einer Sondererhebung, in deren Rahmen die Kreispolizeibehörden (KPB) des Landes Nordrhein-Westfalen die ihnen bekannt gewordenen Fälle von antisemitischen bzw. antiisraelischen Straftaten im Kontext des aktuellen Nahost-Konflikts an das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) melden. Der Erhebungszeitraum für die Beantwortung ist der Zeitraum vom 10.05.2021 bis einschließlich 21.05.2021. Eine valide phänomenologische Klassifizierung, z.B. als antisemitische oder antiisraelische Straftat, ist zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der andauernden Ermittlungen nicht möglich. Diese kann in der Regel erst nach Abschluss der umfänglichen Ermittlungen und nach rechtlicher Bewertung der zuständigen Staatsanwaltschaft erfolgen. Die hier gegenständliche Datenerhebung ist aufgrund der laufenden Ermittlungen daher als vorläufig zu bewerten und unterliegt regelmäßigen Veränderungen.
- Wie viele antisemitische bzw. antiisraelische Straftaten sind der Landesregierung seit Montag, den 10. Mai 2021, bekannt? (Bitte aufschlüsseln nach Deliktsberei-chen)
Für den Zeitraum 10.05.2021 bis einschließlich 21.05.2021 wurden dem LKA NRW insgesamt 90 mutmaßlich antisemitische bzw. antiisraelische Sachverhalte gemeldet.
Sechs Sachverhalte wurden unmittelbar durch die jeweilige KPB der zuständigen Staatsanwaltschaft zur rechtlichen Bewertung übersandt. Die Entscheidungen der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften, ob und ggf. welche Straftaten vorliegen, stehen noch aus.
Zu den übrigen 84 Sachverhalten werden die polizeilichen Ermittlungsverfahren – vorbehaltlich der Entscheidung der zuständigen Staatsanwaltschaft – wie folgt geführt:
- 33 Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung
- 14 Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung bzw. gemeinschädlicher Sachbeschädigung
- Zehn Ermittlungsverfahren wegen Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten
- Zehn Ermittlungsverfahren wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
- Vier Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung
- Drei Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung bzw. gefährlicher Körperverletzung
- Drei Ermittlungsverfahren wegen Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten
- Zwei Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz
- Zwei Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung
- Ein Ermittlungsverfahren wegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften
- Ein Ermittlungsverfahren wegen Datenveränderung (Schadsoftware auf dem PC einer jüdischen Gemeinde)
- Ein Ermittlungsverfahren wegen Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte im Rahmen einer Versammlung
- Wie viel Prozent der ermittelten Gesamtzahl an Tatverdächtigen besaß zu diesem Zeitpunkt nicht die deutsche Staatsbürgerschaft?
Für den Tatzeitraum 10.05.2021 bis einschließlich 21.05.2021 wurden insgesamt 145 Tatverdächtige zu 90 Sachverhalten erfasst. 52 Tatverdächtige konnten namentlich identifiziert werden, davon wurden zwei Personen zu jeweils zwei Straftaten als Tatverdächtige erfasst.
Von insofern 50 einmal erfassten und identifizierten Tatverdächtigen haben 29 keine deutsche Staatsangehörigkeit. Das entspricht einem Anteil von 58%.
- Wie viel Prozent der ermittelten Gesamtzahl an Tatverdächtigen besaß zu diesem Zeitpunkt eine doppelte Staatsbürgerschaft? (Bitte analog zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 12 der Fraktion der AfD hierzu eine Erhebung in den zum jeweiligen Tatzeitpunkt für die Personen zuständigen Meldeämtern in Nordrhein-Westfalen durchführen.)
Von den o.g. 50 einmal erfassten und identifizierten Tatverdächtigen haben sechs eine doppelte Staatsangehörigkeit. Das entspricht einem Anteil von 12%.
- Wie lauten die Vornamen der Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit? (Falls die Landesregierung datenschutzrechtliche Bedenken anmelden sollte, sei auf den Bericht der Landesregierung, Vorlage 17/2067, vom 13. Mai 2019 verwiesen, in dem die angefragte Verfahrensweise möglich gewesen ist. Bei identischer Schreibweise eines Vornamens die Angabe bitte um einen Zahlenwert ergänzen, sodass erkennbar ist, wie viele Tatverdächtige denselben Namen getragen haben)
Die Vornamen der einmal erfassten und identifizierten Tatverdächtigen, die (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit haben, bitte ich der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:
Tatverdächtiger (TV) Nr. | Vorname |
TV 1 | Adel |
TV 2 | Sarah |
TV 3 | Rudi |
TV 4 | Lorenz |
TV 5 | Samir |
TV 6 | Souleymane |
TV 7 | Gehad |
TV 8 | Tarek |
TV 9 | Mohammed |
TV 10 | Klemens |
TV 11 | Ferhat |
TV 12 | Mohamed |
TV 13 | Isa |
TV 15 | Ali |
TV 16 | Felix |
TV 17 | Ahmet |
TV 18 | Alexander |
TV 19 | Rebecca |
TV 20 | Sascha |
TV 21 | Daoud |