„Antisemitismus im Islamismus“ – Steht die Landesregierung zum staatspolitischen Konsens?

Kleine Anfrage
vom 04.02.2020

Kleine Anfrage 3390der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 04.02.2020

 

„Antisemitismus im Islamismus“ – Steht die Landesregierung zum staatspolitischen Konsens?

Seit 2015 erfasst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) antisemitische Vorkommnisse mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund in Deutschland. In diesem Zusammenhang wurde, in Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen, die Broschüre „Antisemitismus im Islamismus“ verfasst. Die letzte Fassung wurde im Juni 2019 veröffentlicht.1

Bereits in der Einleitung wird darauf verwiesen, dass sich ein antisemitisches Weltbild nicht auf das rechtsextremistische Spektrum beschränkt. So lassen sich auch im Linksextremismus antizionistische und antisemitische Ansätze erkennen. Als bedeutsamer werden allerdings antisemitische Auffassungen im Islamismus bewertet. Danach bildet das „Feindbild Judentum“ einen zentralen Pfeiler, auf den sich die Argumentationen aller islamistischen Gruppierungen stützen.

Bedeutsam ist dies nach Ansicht des Verfassungsschutzes vor dem Hintergrund einer quantitativ bedeutsamen Zuwanderung von Muslimen seit spätestens 2014 im Rahmen der Flüchtlingskrise, da sehr viele dieser Menschen aus Ländern stammen, in denen antisemitische Einstellungen seit Jahrzehnten alltäglich sind. Als Beleg wird auf das Ergebnis einer weltweiten Befragung verwiesen, wonach antisemitische Thesen in wichtigen Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge (z.B. Irak und Iran) eine große Zustimmung erfahren. Diese „antisemitische Prägung“ vieler Flüchtlinge könnte einen Ansatzpunkt für eine islamistische Radikalisierung darstellen. Weiter heißt es: „Die in der Sozialisation in den Herkunftsregionen vermittelten (latenten) antisemitischen Stereotype wirken auf die Umworbenen vertraut und erhöhen so die Wahrscheinlichkeit, dass schließlich auch andere islamistische Thesen als „Wahrheit“ akzeptiert werden.“

Das BfV empfiehlt eindringlich, Menschen, die beruflichen Kontakt zu muslimischen Personen mit Migrationshintergrund und/oder Flüchtlingen haben, auf das potentielle Vorhandensein eines antisemitischen Gedankenguts vorzubereiten. Hervorgehoben werden muss dabei, dass es sich ausdrücklich nicht um den Islam als (grundgesetzlich geschützte) Religion handelt, sondern um den „Islamismus“ als Form des politischen Extremismus, der wie folgt bewertet wird: „Mit ihrer Auslegung des Islam stehen Islamisten insbesondere im Widerspruch zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen der Volkssouveränität, der Trennung von Staat und Religion, der freien Meinungsäußerung und der allgemeinen Gleichberechtigung. Islamistische Organisationen werden daher in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet.“

Das von islamistischen Gruppierungen und Einzelpersonen verbreitete antisemitische Gedankengut wird dabei schon heute als „eine erhebliche Herausforderung für das friedliche und tolerante Zusammenleben in Deutschland“ dargestellt. Der aktiven Auseinandersetzung mit solchem Gedankengut komme in den nächsten Jahren eine wachsende Bedeutung zu.

Zum Kerngedanken antisemitischer Stereotype im Islamismus zählte der Ansatz, dass Juden im Verborgenen nach der Weltherrschaft strebten bzw. diese bereits ausübten und somit die Weltpolitik und -wirtschaft kontrollierten. Prägend seien bei vielen islamistischen Gruppen auch der antizionistische Kampf gegen die Existenz des Staates Israel sowie die fehlende Differenzierung zwischen dem Staat Israel und dem jüdischen Volk.

Folgende Islamistische Organisationen und Strömungen werden, bezogen auf den Antisemitismus, besonders kritisch bewertet: Muslimbruderschaft, HAMAS, Hizb Allah, Hizb ut-Tahir, Milli Görüs, IS, Salafismus. Alle genannten Organisationen und Strömungen stehen aktuell im Fokus des Landesamts für Verfassungsschutz NRW.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Die Erfassung antisemitischer Ereignisse mit islamistischem Hintergrund in Deutschland hat, wie der hier aufgeführten Broschüre zu entnehmen ist, für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2017 bundesweit mehr als 100 Vorkommnisse ergeben, von antizionistischen Predigten über antisemitische Graffiti bis hin zu verbalen und körperlichen Attacken gegen Einzelpersonen. Wie viele Ereignisse haben sich diesbezüglich seit 2017 in Nordrhein-Westfalen ereignet? (Bitte nach Jahr, Anzahl, und Art des Ereignisses auflisten)

2. Welche konkreten Maßnahmen (Aufklärung, Prävention, Sanktionierung) gegen den islamistischen Antisemitismus gibt es aktuell bzw. nach derzeitiger Planung zukünftig in Nordrhein-Westfalen? (Bitte alle Maßnahmen aufführen inkl. der jeweiligen Fördersumme und der Personalausstattung der Maßnahme)

3. Mit welchen konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung zu verhindern, dass sich in Folge des verstärkten Zuzugs zahlreicher Personen aus „antisemitisch geprägten Ländern“ das Problem des Antisemitismus’ mit islamistischem Ursprung in Nordrhein-Westfalen weiter vergrößert?

4. Mit welchen konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung ein Übergreifen islamistischer, antisemitischer und antizionistischer Denkmuster und Verhaltensweisen auf gemäßigte, liberale muslimische Gemeinden, die ausschließlich von ihrer grundgesetzlich verbrieften Religionsfreiheit Gebrauch machen, zu verhindern?

5. Auf der Teilnehmerliste der Auftaktveranstaltung der Initiative der Landesregierung, „Muslimisches Engagement in NRW“, finden sich Organisationen aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft. In welcher Form wird es bei der Auswahl der beteiligten Organisationen am Projekt „Muslimisches Engagement in NRW“ eine nachträgliche Überprüfung auf islamistische, antisemitische und antizionistische Grundeinstellungen der teilnehmenden Organisationen und Einzelpersonen geben, verbunden mit einem möglichen Ausschluss?

Gabriele Walger-Demolsky

 

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1 Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/pb-islamismus/broschuere-2019-06-antisemitismus-im-islamismus


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, vewrfasst am 11.03.2020

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3390 mit Schreiben vom 11. März 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, der Ministerin für Schule und Bildung und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.

1. Die Erfassung antisemitischer Ereignisse mit islamistischem Hintergrund in Deutschland hat, wie der hier aufgeführten Broschüre zu entnehmen ist, für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2017 bundesweit mehr als 100 Vorkommnisse ergeben, von antizionistischen Predigten über antisemitische Graffiti bis hin zu verbalen und körperlichen Attacken gegen Einzelpersonen. Wie viele Ereignisse haben sich diesbezüglich seit 2017 in Nordrhein-Westfalen ereignet? (Bitte nach Jahr, Anzahl, und Art des Ereignisses auflisten)

Der Begriff „Ereignisse“ umfasst auch solche Sachverhalte, die unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit liegen. Hierzu können keine validen Angaben gemacht werden.

Die nachfolgenden Auswertungen sind auf Basis des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) erfolgt.

Aufgrund der geringen Fallzahl, die sich in diesem Fall aus dem KPMD-PMK ergeben hat, erfolgte eine manuelle Auswertung der einzelnen Sachverhalte.

Im Zeitraum von Anfang 2017 bis Ende 2019 wurden in Nordrhein-Westfalen elf antisemitische Straftaten mit vermutetem bzw. erwiesenem islamistischen Hintergrund registriert, die sich wie folgt aufschlüsseln:

Jahr         Anzahl    Delikt
2017

5

1x Bedrohung

1x Sachbeschädigung

2x Volksverhetzung

1x    Störung   des    öffentlichen   Friedens    durch
Androhung von Straftaten

2018

3

3x Volksverhetzung
2019

32

3x Beleidigung

2 Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt für das Jahr 2019 ist noch nicht abgeschlossen. Demnach kann es noch zu geringfügigen Veränderungen der Fallzahlen für das Jahr 2019 kommen.

 

2. Welche konkreten Maßnahmen (Aufklärung, Prävention, Sanktionierung) gegen den islamistischen Antisemitismus gibt es aktuell bzw. nach derzeitiger Planung zukünftig in Nordrhein-Westfalen? (Bitte alle Maßnahmen aufführen inkl. der jeweiligen Fördersumme und der Personalausstattung der Maßnahme)

3. Welchen konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung zu verhindern, dass sich in Folge des verstärkten Zuzugs zahlreicher Personen aus „antisemitisch geprägten Ländern“ das Problem des Antisemitismus’ mit islamistischem Ursprung in Nordrhein-Westfalen weiter vergrößert?

4. Welchen konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung ein Übergreifen islamistischer, antisemitischer und antizionistischer Denkmuster und Verhaltensweisen auf gemäßigte, liberale muslimische Gemeinden, die ausschließlich von ihrer grundgesetzlich verbrieften Religionsfreiheit Gebrauch machen, zu verhindern?

Die Fragen 2, 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Am 23. September 2019 veranstalteten die Jüdische Gemeinde Düsseldorf, das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen und das Bürgerbündnis „Düsseldorfer Appell“ gemeinsam die Fachtagung „Antisemitismus – alter Hass in neuen Formen?“. Etwa 170 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Politik und Verbänden, Sicherheitsbehörden und Bildungspraxis nahmen daran teil. Im Rahmen von Vorträgen und Workshops wurden Erscheinungsformen des Antisemitismus im Rechtsextremismus, im Islamismus und in bestimmten Teilen des Linksextremismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes sensibilisieren im Rahmen von Aufklärungsveranstaltungen für diverse Zielgruppen zum Thema Islamismus. In eigenen Veranstaltungen oder in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen oder staatlichen Partnern informiert der Verfassungsschutz regelmäßig Politik und Öffentlichkeit. Da Erscheinungsformen des Antisemitismus feste Bestandteile der islamistischen Ideologie sind, werden antisemitische Diskurse und Narrative in Vortragsveranstaltungen des Verfassungsschutzes aufgegriffen und dazu sensibilisiert.

Das vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz finanzierte Präventionsprogramm „Wegweiser – gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus“ bietet neben einer Beratungs-und Unterstützungsstruktur flächendeckende Sensibilisierung in Nordrhein-Westfalen. Die Sensibilisierung über islamistische Ideologie und Lebenswelten beinhaltet auch das Thema Antisemitismus. Die in den Bereichen Bildung, Jugend und Integration beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden auf diesem Weg befähigt, islamistische Inhalte und Feindbildkonstruktionen – und damit auch antisemitische – in ihrem Umfeld zu erkennen. Darüber hinaus berät „Wegweiser“ Ratsuchende und Institutionen im Kontext Islamismus und bietet somit auch Handlungsunterstützung für Ratsuchende, die Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Antisemitismus wahrnehmen.

Die Polizei Nordrhein-Westfalen beteiligt sich am Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes. Die dort entwickelten Medien (z. B. „Mitreden!“ oder „Radikalisierung erkennen und Anwerbung verhindern.“) stehen allen Polizeibehörden zur Verfügung und können so flächendeckend eingesetzt werden.

Darüber hinaus wirken die Kreispolizeibehörden in Netzwerken – z. B. im „Netzwerk gegen Antisemitismus“ mit. In diese Netzwerkarbeit ist regelmäßig auch der Kontaktbeamte für muslimische Institutionen (KMI) eingebunden, um zu gewährleisten, dass Antisemitismus als international verachtenswert kommuniziert wird.

Die Landesregierung hat bereits 2018 die Funktion der Antisemitismusbeauftragten geschaffen. Sie ist mit der Überprüfung, Vernetzung und wo erforderlich auch der Stärkung aller Maßnahmen des Landes gegen Antisemitismus jeglichen Ursprungs befasst.

Die Interministerielle Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rassismus sowie das Landesnetzwerk gegen Rechtsextremismus prüfen im Rahmen der Weiterentwicklung des Integrierten Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus und Rassismus, die bislang schon breite Beteiligung nicht-staatlicher Organisationen innerhalb des Netzwerkes um weitere Organisationen zu erweitern, um einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit mit noch breiterer Basis entgegen zu treten und Prävention und Hilfsangebote in diesem Bereich noch flächendeckender umzusetzen.

Die Landesregierung setzt darüber hinaus unterschiedliche Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung jeglicher Form von Diskriminierung und Rassismus in der Gesellschaft um.

So bildet die Antidiskriminierungsarbeit einen der zentralen Bausteine des Förderprogramms der Integrationsagenturen in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege. In diesem Rahmen setzen die 186 Integrationsagenturen in Nordrhein-Westfalen unter anderem Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus um, die auf die Bedarfe und die Situation der Menschen in den Sozialräumen zugeschnitten sind. Bestandteil des Förderprogramms sind 13 Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit, die Beratung und Unterstützung für von Diskriminierung Betroffene bieten. Darüber hinaus fördert das Land im Rahmen des Förderprogramms für Migrantenselbstorganisationen zahlreiche Einzelprojekte, die die Bekämpfung von Antisemitismus zum Gegenstand haben.

Die Landesregierung fördert den Verein „Begegnen e. V.“ ab 2020 mit jährlich 180.000 € im Rahmen einer institutionellen Förderung. „Begegnen e.V.“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, insbesondere für junge Menschen jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubens neben Vorträgen und Bildungsveranstaltungen vor allem gemeinsame Begegnungsreisen zu Orten der Vernichtung im heutigen Polen und in Deutschland, aber auch zu Orten der friedlichen Koexistenz in der Geschichte Europas durchzuführen. Durch die Förderung von Begegnungen soll das Verständnis füreinander bei gleichzeitiger Wahrung der unterschiedlichen Lebensweisen gefördert werden. Dies dient auch der Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus.

Die Landesregierung setzt auf eine frühzeitige Prävention, welche die Stärkung der sozialen Kompetenzen fokussiert und sich gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit richtet.

Das Schulgesetz NRW legt unter anderem die Weckung der „Achtung vor der Würde des Menschen und [der] Bereitschaft zum sozialen Handeln“ als zentrale Bildungs- und Erziehungsziele fest. Es sieht eine Erziehung „im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung“ vor. Durch die Vermittlung von erforderlichen Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen werden die Heranwachsenden – unabhängig von ihrer Herkunft, wirtschaftlicher Lage und Geschlecht dazu befähigt, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten. Durch eine fundierte Sach-, Reflexions- und Urteilskompetenz lernen Schülerinnen und Schüler, extremistische Tendenzen zu erkennen, sich von ihnen zu distanzieren und sich couragiert für die Werte unserer demokratischen Gesellschaft und gegen jede Form von Antisemitismus einzusetzen.

Schulen sollen durch ein Klima der Wertschätzung und gegenseitiger Akzeptanz geprägt sein, das dazu beiträgt, extremistischen Positionen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in jeder Form entgegenzuwirken. Es gilt, pauschalisierende Verallgemeinerungen, die weitere relevante Faktoren ausblenden, zu vermeiden. So müssen Unterschiede im Hinblick auf familiäre Sozialisation, regionale Narrative und mediale Aspekte im Kontext der jeweiligen Herkunftsländer beachtet werden, da hier hinsichtlich der Ausprägung antisemitischer Einstellungen unter Musliminnen und Muslime weltweit teils immense Unterscheide bestehen. Im präventiven und intervenierenden Handeln bei gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist es von besonderer Bedeutung, eine differenzschaffende Trennungslinie zwischen Schülerinnen und Schülern muslimischen Glaubens und „deutschen“ Lernenden zu vermeiden, die eine rassistische Deutungspraxis bedeuten würde. In der Aufarbeitung eines antisemitischen Vorfalles muss deutlich werden, dass ausschließlich der Inhalt einer Aussage sanktioniert wird und nicht vermutete Absichten oder Weltbilder. In der Kommunikation muss dabei zwischen der kritisierten Aussage und der (mutmaßlichen) religiös-kulturellen Identität der oder des betreffenden Lernenden unterschieden werden.

Nordrhein-Westfalen tritt Antisemitismus an Schulen mit einer klaren Haltung deutlich entgegen und fördert strukturell und konzeptionell schulische Prävention und Intervention. Dies gilt für alle Formen antisemitischer Haltungen, da antisemitische Stereotype, Erzählungen und Verschwörungsmythen in allen gesellschaftlichen Gruppen, Milieus und Schichten vorkommen können. Ihnen sachkompetent zu begegnen, ist eine wichtige Aufgabe, die sich für Lehrkräfte, aber auch für alle Mitglieder der Zivilgesellschaft, ergibt. Schule kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie zentrale Kompetenzen vermittelt, um menschenfeindlichen Haltungen entschlossen entgegenzutreten.

In Nordrhein-Westfalen bestehen in Bezug auf antisemitische Vorfälle an Schulen klare rechtliche Regelungen. Die Neufassung des gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums des Innern, des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, des Ministeriums für Schule und Bildung und des Ministeriums der Justiz vom 19. November 2019 „Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität“ (BASS 18 – 03 Nr.1) gibt vor, dass soweit sich der Verdacht eines Vergehens ergibt, die Schulleitung zu prüfen hat, ob pädagogische/schulpsychologische Unterstützung, erzieherische Einwirkungen beziehungsweise Ordnungsmaßnahmen ausreichen oder ob wegen der Schwere der Tat eine Benachrichtigung der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erforderlich ist. Politisch motivierte Straftaten, unter die antisemitische Äußerungen und Delikte fallen, sind hier explizit genannt.

Die Schulen sind zudem auf Grundlage einer Schulmail des Ministeriums für Schule und Bildung vom 8. Mai 2018 dazu aufgefordert, Antisemitismus entschieden entgegenzutreten und antisemitische Straftaten bei der Polizei anzuzeigen.

In dem im Mai 2019 vorgestellten Aktionsplan zur Gewaltprävention „Für Demokratie und Respekt“ wird die zentrale Bedeutung, gegen Antisemitismus in seinen Anfängen und gegen offen ausgeprägte Diskriminierung vorzugehen, an mehreren Stellen explizit herausgestellt. Die Schulen sollen antisemitischen Tendenzen in jeder Form präventiv und interventiv entgegenwirken.

Ein wichtiger Ansprechpartner für Schulen ist die Schulpsychologie. Für 2020 sind dafür zusätzlich 50 neue Stellen vorgesehen. Damit wird die Zahl der Stellen im Landesdienst auf 239 steigen. Hinzu kommen 54 Stellen für Beratungslehrkräfte oder sozialpädagogische Fachkräfte, die bereits mit dem Haushalt 2019 eingerichtet wurden und die Schulen vor allem bei der Gewalt- und Extremismusprävention unterstützen, auch im Bereich Antisemitismus.

Auch das Programm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ engagiert sich gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. In der programmeigenen Publikationsreihe „Bausteine“ wird beispielsweise das Thema „Antisemitismus und Migration“ untersucht, wodurch die Sach- und Handlungskompetenz der Lehrkräfte gestärkt wird.

Durch die Vereinbarung zur „Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Antisemitismus in nordrhein-westfälischen Schulen“, die das Ministerium für Schule und Bildung im November 2019 mit der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf K.d.ö.R. geschlossen hat, werden Schulen fortan beim Umgang mit Antisemitismus noch stärker unterstützt.

Die Landeszentrale für politische Bildung initiiert Bildungsprozesse, um im Vorfeld und in Frühphasen der Entwicklung antidemokratischer Haltungen jungen Menschen aller Nationalitäten und Religionen menschenrechtsorientierte Werte und Normen zu vermitteln und damit respektvolles Handeln als unabdingbare Haltung in unserer demokratischen Gesellschaft zu stärken. Mit ihren Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Antisemitismus wird die Landeszentrale allen Facetten der Gesellschaft gerecht. Das bedeutet, dass alle Artikulationsformen des aktuellen Antisemitismus thematisiert werden, auch islamistischer Antisemitismus. Im Publikationsangebot der Landeszentrale thematisieren die Titel „Globaler Antisemitismus“ von Samuel Salzborn und – ab April 2020 – „Vorurteile abbauen – Mauern niederreißen. Judentum und Antisemitismus“ von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Düsseldorf e.V. explizit Formen des aktuellen Antisemitismus.

Um gewaltbereitem Salafismus präventiv zu begegnen, werden die bei der „Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, Landesstelle NRW“ (AJS) angesiedelten Projekte „Plan P. – Jugend stark machen gegen salafistische Radikalisierung“ sowie „bildmachen – Radikalisierungsprävention und politische Bildung in digitalen Lebenswelten“ von der Landeszentrale für politische Bildung gefördert.

Das Ministerium für Schule und Bildung unterstützt die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen jährlich bei der Durchführung verschiedener Veranstaltungen für schulische und außerschulische Fachkräfte. Hierzu zählen Angebote wie Veranstaltungsreihen „Vielfältiger Islam versus gewaltbereiter Salafismus“ oder „Einstiegsprozesse in den Rechtsextremismus und Islamismus“.

5. Auf der Teilnehmerliste der Auftaktveranstaltung der Initiative der Landesregierung „Muslimisches Engagement in NRW“, finden sich Organisationen aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft. In welcher Form wird es bei der Auswahl der beteiligten Organisationen am Projekt „Muslimisches Engagement in NRW“ eine nachträgliche Überprüfung auf islamistische, antisemitische und antizionistische Grundeinstellungen der teilnehmenden Organisationen und Einzelpersonen geben, verbunden mit einem möglichen Ausschluss?

Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat am 1. Juli 2019 im Rahmen des gleichnamigen Fachkongresses die Koordinierungsstelle Muslimisches Engagement in NRW (KME NRW) eröffnet und offen dazu eingeladen. Eine Teilnahme am Kongress oder anderen Veranstaltungen der KME NRW stellt weder eine Form der Kooperation bzw. Zusammenarbeit mit der Landesregierung noch eine Zusage hierzu dar.

Voraussetzung für jede Zusammenarbeit mit dem Land ist, dass sich die mitwirkenden Vereine zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und ihr Handeln an der geltenden Rechtsordnung ausrichten. Dabei berücksichtigt die Landesregierung die zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu den Positionen und Mitgliedern der Organisationen.

 

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