Kleine Anfrage 2044
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Aus Psychiatrie Entflohene haben sich gestellt – Fremdgefährdung war nicht ausgeschlossen
Am Donnerstag, den 27.04.2023, waren zwei Insassen der psychiatrischen Einrichtung in Viersen-Süchteln entflohen. Bei den Flüchtigen handelte es sich um einen 21-jährigen Brandstifter und einen 36-jährigen Räuber und Vergewaltiger.1 Sie sollen zuvor im Garten der Anstalt ein Loch in den Zaun geschnitten haben, sodass sie entkommen konnten. Eine Sprecherin der Klinik, welche vom Landschaftsverband Rheinland geführt wird, sagte zudem, dass die Insassen zwar im geschlossenen Maßregelvollzug saßen, jedoch nicht im Hochsicherheitsbereich.2 Die Flucht wurde gegen 21.30 Uhr bemerkt, woraufhin unverzüglich eine Fahndung begann. Die eingesetzten Spürhunde verfolgten die Spur bis zu einer Bushaltestelle, an der die Fährte endete. Nach dem 36-Jährigen wurde am Freitagabend zusätzlich mit Bildern gefahndet. Beide stellten sich unabhängig voneinander am Samstag, den 29.04., der Polizei.3 Sie kamen etwa 30 Kilometer weit bis Düsseldorf. Als der Fahndungsdruck zu groß wurde, stellte sich zunächst der 36-Jährige S. am Samstagmittag. Am Abend folgte dann der 21-Jährige und stellte sich auf der Polizeiwache in der Stadtmitte. Beide wurden daraufhin zurück in die psychiatrische Klinik gebracht, aus welcher sie zwei Tage zuvor ausgebrochen waren. Eine potenzielle Fremdgefährdung bestand laut einer Sprecherin über den gesamten Zeitraum der Flucht.4
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- Wie konnten die entflohenen Verbrecher so lange unbeaufsichtigt sein und das nötige Werkzeug bekommen, um unbemerkt das Loch in den Zaun zu schneiden?
- Warum befanden sich die Insassen während ihrer Inhaftierung nur im geschlossenen Maßregelvollzug und nicht im Hochsicherheitsbereich?
- Wird nach dem Vorfall geplant die Sicherheitsstufe der Entflohenen zu erhöhen, sodass sie sich von nun an im Hochsicherheitsbereich befinden?
- Ist bekannt, ob die Entflohenen während ihrer Flucht Straftaten begangen haben? (Falls ja, bitte nach Delikt, Täter und Ort der Tat aufschlüsseln.)
Markus Wagner
2 Ebenda.
3 Ebenda.
4 Ebenda.
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2044 mit Schreiben vom 26. Juni 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Die polizeilichen Ermittlungen im Sinne der Fragestellung umfassten alle polizeilichen Maßnahmen, um den Aufenthaltsort der beiden abgängigen Personen, die gem. § 63 StPO in der LVR-Klinik Viersen untergebracht waren, festzustellen.
Hierzu wurden unter anderem umfangreiche Fahndungsmaßnahmen – etwa eine Öffentlichkeitsfahndung – initiiert, die nicht zuletzt dazu führten, dass beide Personen unabhängig voneinander am 29.04.2023 bei der Bundespolizei und einer Polizeiwache der Kreispolizeibehörde Düsseldorf vorstellig wurden. Beide Personen wurden in der Folge an das Personal der LVR-Klinik Viersen übergeben.
Die Führung eines etwaigen Ermittlungsverfahrens im Sinne der Fragestellung obläge zuständigkeitshalber der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach.
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Mönchengladbach hat dem Ministerium der Justiz unter dem 06.07.2023 hierzu berichtet, dass der in der Kleinen Anfrage angesprochene Vorfall nicht Gegenstand eines bei seiner Behörde anhängigen Ermittlungsverfahrens sei. Nach Auskunft der Kreispolizeibehörde Viersen seien die Entflohenen in Vollstreckungsverfahren anderer Strafvollstreckungsbehörden in der LVR-Klinik untergebracht gewesen. Den polizeilichen Angaben zufolge sei die Flucht unter Nutzung einer bereits vorhandenen Beschädigung im Zaun des Klinikgeländes erfolgt. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefangenenbefreiung oder eine Sachbeschädigung lägen danach nicht vor.
- Wie konnten die entflohenen Verbrecher so lange unbeaufsichtigt sein und das nötige Werkzeug bekommen, um unbemerkt das Loch in den Zaun zu schneiden?
Auf die betroffene Klinikstation werden nur untergebrachte Personen verlegt, von denen nach fachlicher Einschätzung der therapeutischen Leitung keine Fluchtgefahr ausgeht. Daher haben die untergebrachten Personen der Station die Möglichkeit, Gartenausgänge unbeaufsichtigt wahrzunehmen. Der Gartenbereich der Station ist grundsätzlich für die untergebrachten Personen bis 21 Uhr zugänglich und durch einen nicht forensisch gesicherten Maschendrahtzaun geschützt. Dieser wurde – soweit bekannt – ohne Werkzeug von den untergebrachten Personen so manipuliert, dass diese entweichen konnten.
- Warum befanden sich die Insassen während ihrer Inhaftierung nur im geschlossenen Maßregelvollzug und nicht im Hochsicherheitsbereich?
- Wird nach dem Vorfall geplant die Sicherheitsstufe der Entflohenen zu erhöhen, sodass sie sich von nun an im Hochsicherheitsbereich befinden?
Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Das Maß der Freiheitsentziehung richtet sich gemäß § 4 StrUG NRW nach der von der untergebrachten Person ausgehenden prognostizierten Gefahr. Art und Weise sowie Intensität der Freiheitsentziehung sind auf die zu erwartenden erheblichen rechtswidrigen Taten zu beziehen und an ihnen auszurichten. Das Maß der Freiheitsentziehung ist im Hinblick auf dieses Ziel fortlaufend zu überprüfen. Dies betrifft insbesondere auch nach einer Entweichung wieder aufgenommene untergebrachte Personen.
- Ist bekannt, ob die Entflohenen während ihrer Flucht Straftaten begangen haben? (Falls ja, bitte nach Delikt, Täter und Ort der Tat aufschlüsseln.)
Erkenntnisse über etwaige während der Flucht begangene Straftaten liegen nicht vor.