Kleine Anfrage 3638
des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD
Ausbreitung und Bekämpfung invasiver Neophyten: Die Herkulesstaude
Die Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum), auch als Riesenbärenklau bekannt, ist ein invasiver Neophyt und wurde im 19. Jahrhundert als Zierpflanze aus dem Kaukasus nach Europa eingeführt.
Die 2 bis 4 Meter hoch werdende Staude wird durch die Zunahme an Brachflächen, Uferrandstreifen, Industriebrachen und ähnlichen nicht genutzten Flächen gefördert, sodass sich die Problempflanze seit einigen Jahrzehnten immer stärker ausbreitet. Hauptverbreitungswege sind dabei Gewässer mit ihren Überschwemmungsgebieten und Verkehrsanlagen, wobei die Verbreitung auch über Erdbewegungen, Baumaßnahmen sowie über den Menschen als Zierpflanze im Garten, durch wilde Komposthalden oder Aussaat als Bienenweide erfolgt.1
Die Pionierpflanze vermehrt sich über die große Anzahl von Samen, wobei eine einzige ausgewachsenen Pflanze bis zu 100.000 schwimmfähige Samen produziert, von denen einzelne bis zu zehn Jahre keimfähig bleiben können, sodass eine einzige Pflanze einen neuen Bestand gründen kann.
2017 wurde die Herkulesstaude in die EU-Liste der invasiven Arten aufgenommen und somit gelten EU-weite Handels- und Freisetzungsverbote. Die negativen Wirkungen auf die Biodiversität sollen durch Maßnahmen wirksam gemindert werden.2
Heracleum mantegazzianum gehört zu den problematischsten Pflanzen in Nordrhein-Westfalen. Vor allem die Ruhr und die südlichen Zuflüsse Lenne, Bigge, Volme, Ennepe und Wupper sind stark mit Riesen-Bärenklau besiedelt. Besonders im südlichen Ruhrgebiet ist an den Ufern streckenweise jeder nicht kultivierte Quadratmeter außerhalb der Wälder mit dem invasiven Neophyten bedeckt. Im Ballungsraum Rhein-Ruhr und an seinem Rande konnte sich die Problempflanze schnell ausbreiten, weil dort gestörte vegetationsfreie Plätze und Brachflächen vorzufinden sind, die Landwirtschaft einem starken Wandel unterzogen ist und rege Bautätigkeit herrscht. Regionen mit früh einsetzender systematischer Bekämpfung scheinen weniger betroffen zu sein.3
Die hohe Vermehrungsfähigkeit und die Hochwüchsigkeit der Herkulesstaude führen zum fast vollständigen Fehlen konkurrierender Pflanzen. In den bevorzugt besiedelten Flussauen kommt es somit zu dichten Beständen, von denen die ausgehende Beschattung zur teilweisen Verdrängung der heimischen Pflanzen und der von ihr abhängigen Fauna führt.4 Eine Folge an Uferböschungen sind oft Abbrüche, da die Wurzeln des Riesen-Bärenklau die Erde nicht so gut festhalten wie die heimischen Uferpflanzen.5
Durch Heracleum mantegazzianum besteht eine gesundheitliche Gefahr für den Menschen. Nach Kontakt mit der Pflanze kommt es zur Entwicklung einer Phytophotodermatitis. Gelangen die im Pflanzensaft enthaltenden photosensibilisierenden Furanocumarine auf die Haut und werden diese Hautpartien mit Sonnenlicht oder UV-Licht beschienen, sind starke schmerzhafte bzw. juckende Hautreizungen die Folge. Diese können sich zu verbrennungsähnlichen Erscheinungen entwickeln. Außerdem kann es zum Auftreten langanhaltender nässender Wunden kommen, die mit Pigmentveränderungen der Haut einhergehen können.
Bei besonders sensiblen Menschen sollen diese Reaktionen schon bei einfacher Berührung mit der Pflanze auftreten. Als besonders schwerwiegende Folgen eines Kontaktes mit der Pflanze sind Fieber, Schweißausbrüche, Atemnot, Bronchitiden und Kreislaufschocks beschrieben. Diese Reaktionen sollen auch durch länger dauernde Inhalation der Furanocumarine, die an besonders heißen Tagen aus der Pflanze abgegeben werden, auftreten können. Kinder gelten als besonders gefährdet, wenn sie in unmittelbarer Nähe dieser Pflanzen spielen.6
Einer weiteren Ausbreitung der Pflanze sollte vorgebeugt werden, indem geeignete Bekämpfungsmaßnahmen angewandt werden. Das Ausgraben und tiefe Abstechen der Wurzel mit einem Spaten ist dabei die sicherste Maßnahme zur Bekämpfung. Das einmalige oder gelegentliche Entfernen des Austriebs durch Mähen, Mulchen oder Abschneiden besitzt hingegen einen geringen Bekämpfungserfolg, weil die Herkulesstaude solange neue Triebe bildet, wie in der Wurzel genügend Nährstoffe vorhanden sind. Somit muss das Mähen 6- bis 8-mal in der Vegetationsperiode und über mehrere Jahre hinweg erfolgen.
Die Bekämpfungsmaßnahme der Beweidung sollte frühzeitig in der Saison beginnen, wenn die Pflanze noch kleiner ist. Schafe und Rinder fressen die jungen Triebe nach einer kurzen Eingewöhnungsphase. Vergiftungen der Tiere durch Riesen-Bärenklau wurden nicht beobachtet, wobei Hautreizungen bei den Tieren nicht auszuschließen sind.
Damit die Bestände an Riesen-Bärenklau zurückgedrängt werden, ist es wichtig, der Bildung und Ausbreitung der Samen entgegenzuwirken. Der Samenstand sollte ab Mitte Juli abgeschnitten werden, wenn die Mitteldolde bereits grüne Früchte ausgebildet hat, aber bevor die Früchte erste braune Streifen zeigen und auszufallen beginnen. Damit die Verschleppung von Samen verhindert wird, müssen die Samenstände eingesammelt und durch Verbrennung vernichtet werden. Mit dieser Maßnahme lassen sich über mehrere Jahre gute Erfolge erreichen.
Gegen die Problempflanze hat sich das Herbizid Garlon 4, das auch für den Bereich Nichtkulturland eine Zulassung hat und nur dikotyle Pflanzen bekämpft, als wirksam erwiesen.7
Vor diesem Hintergrund frage ich:
- Welche Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Herkulesstaude wurden in Nordrhein-Westfalen in den letzten fünf Jahren forciert, um die Ausbildung weiterer Massenvorkommen zu verhindern? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und finanzielle Mittel je Maßnahme)
- Wie hat sich der Bestand der Herkulesstaude seit 2008 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Landkreis)
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über ökonomische Auswirkungen, wie beispielsweise über Kosten für die Bekämpfung und Behandlungskosten für die gesundheitliche Auswirkungen sowie für Uferschäden durch Erosion, die aus der Verbreitung der Herkulesstaude resultieren?
- Wie viele Fälle einer Phytophotodermatitis bzw. Symptome einer Hautveränderung durch Heracleum mantegazzianum gab es seit 2008 in Nordrhein-Westfalen?
- Wie bewertet die Landesregierung naturschutzfachlich die Invasivität der Herkulesstaude?
Zacharias Schalley
1 https://www.amnf.de/fileadmin/user_upload/dokumente/1710_1296_1.PDF
2https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/1_infoblaetter/LANUV_Info_04_Riesenbaerenklau_201 7_WEB.pdf
3 https://www.lanuv.nrw.de/landesamt/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/details/304-riesen-baerenklau-bzw-herkulesstaude-jetzt-reifen-die-samen-letzte-chance-fuer-eine-bekaempfung
4 https://www.nabu-bad-nauheim.de/projekte/riesenbaerenklau.html
5https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/1_infoblaetter/LANUV_Info_04_Riesenbaerenklau_201 7_WEB.pdf
6 https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00027605/Riesenb%C3%A4renklau.pdf
7 https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00027605/Riesenb%C3%A4renklau.pdf
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 3638 mit Schreiben vom 13. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit Gesundheit und Soziales beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Von 100 durch den Menschen über biologische Barrieren hinweg eingeführte Arten („Neobi-ota“) etablieren sich im Mittel 10 dauerhaft. Von denen wiederum kann sich eine Art (= 1%) problematisch entwickeln, indem sie einen negativen Einfluss auf Gesundheit, Wirtschaft oder auf die Biodiversität ausübt. Diese 1% werden als „invasiv“ eingestuft. Der Umgang mit ihnen wird EU-weit durch die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten geregelt. Auf der nationalen Ebene regelt § 40a Bundesnaturschutzgesetz den Umgang mit diesen gebietsfremden invasiven Arten (IAS, Invasive Alien Species).
Der ursprünglich aus dem Kaukasus stammende Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzi-anum) zählt zu den IAS. Er verändert durch Bildung von Dominanzbeständen die Vegetation. Seine Pflanzenteile enthalten Furocumarin, das in Verbindung mit Sonneneinwirkungen bei Menschen zu hautallergischen Reaktionen führt.
Die Art gilt jedoch in Europa mittlerweile als etabliert und wird nicht mehr flächenhaft getilgt, sondern bei örtlichen Konflikten gemäß Artikel 19 der VO (EU) Nr. 1143/2014 punktuell bekämpft. Die häufigste Maßnahme ist eine wiederholte Mahd vor der Blüte und ggf. die Entkus-selung, d.h. das Entfernen der Wurzelstöcke. Auf den Einsatz von Giften wird zur Vermeidung von Kollateralschäden weitgehend verzichtet.
- Welche Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Herkulesstaude wurden in Nordrhein-Westfalen in den letzten fünf Jahren forciert, um die Ausbildung weiterer Massenvorkommen zu verhindern? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und finanzielle Mittel je Maßnahme)
Neben den bekannten Vorgaben der EU und des BNatSchG bezüglich des Managements in-vasiver Neobiota sind hier methodisch unterschiedliche Maßnahmentypen oder Arten der Bekämpfung bekannt. Welche davon in Nordrhein-Westfalen forciert bzw. angewendet wurden, kann im Detail derzeit nicht beantwortet werden. Es handelt sich hier um praktische Fragen der Gewässerunterhaltung. Für die ganz überwiegende Zahl der Gewässer in Nordrhein-Westfalen ist das Land nicht für die Unterhaltung zuständig. Daher liegen hier keine systematisch gesammelten Daten über durchgeführte Managementmaßnahmen für den erbetenen Berichtszeitraum 2019 bis 2024 vor.
- Wie hat sich der Bestand der Herkulesstaude seit 2008 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Landkreis)
Nach einer exponentiellen Ausbreitungsphase der Herkulesstaude seit den 1980er Jahren hat sich die Entwicklung im Wesentlichen durch die vermehrte Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung über die Gefahren und durch die massive chemische Bekämpfung entlang von Verkehrswegen im Rahmen der Verkehrssicherung deutlich abgeschwächt. Durch den Naturschutz veranlasste Managementmaßnahmen fanden im Wesentlichen in Schutzgebieten zum Schutz gefährdeter Lebensräume und Arten statt. Im Rahmen des ersten IAS-Berichts an die EU-Kommission, der die durch den Naturschutz veranlassten Maßnahmen in der ersten Berichtsperiode (2015 bis 2018) umfasst, wurden Maßnahmen aus 23 Landkreisen und kreisfreien Städten berichtet. Die Populationsentwicklung ist in diesem Zeitraum stabil.
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über ökonomische Auswirkungen, wie beispielsweise über Kosten für die Bekämpfung und Behandlungskosten für die gesundheitliche Auswirkungen sowie für Uferschäden durch Erosion, die aus der Verbreitung der Herkulesstaude resultieren?
Der Landesregierung liegen keine Informationen zu Behandlungskosten für die gesundheitlichen Auswirkungen vor. Die Verbreitung der Herkulesstaude erzeugt keine Uferschäden durch Erosion. Erosionen entstehen dadurch, dass das fließende Wasser durch die ihm eigene Schleppkraft lockeres Material von der Uferböschung abträgt. Ohnehin sind Erosionen als Bestandteil einer natürlichen Gewässerdynamik nicht grundsätzlich als Schaden zu bezeichnen. Die Staude selbst und ihr Wachstum führen nicht zur Verlagerung von Bodenmaterial.
- Wie viele Fälle einer Phytophotodermatitis bzw. Symptome einer Hautveränderung durch Heracleum mantegazzianum gab es seit 2008 in Nordrhein-Westfalen?
Der Landesregierung liegen keine Informationen zu Fällen mit einer Phytophotodermatitis bzw. mit Symptomen einer Hautveränderung durch Heracleum mantegazzianum vor.
- Wie bewertet die Landesregierung naturschutzfachlich die Invasivität der Herku-lesstaude?
Die Fähigkeit hohe und dichte Vegetationsdecken zu bilden und schneller zu wachsen als die heimischen Pflanzen, gepaart mit einer reichen Samenproduktion und einer robusten Keimung und Jungpflanzenentwicklung, ist verantwortlich für die Invasivität der Herkulesstaude. Bereits aus einer Einzelpflanze können Dominanzbestände entstehen. Herkulesstauden verdrängen in der Regel weit verbreitete, nitrophytische (d.h. stickstoffliebende) Arten wie Brennnessel, Gemeinen Pestwurz oder Wasserdost. Da sich die Herkulesstaude mittels mechanisch/physi-kalischer und chemischer Maßnahmen gut bekämpfen lässt, ist im Fall der Konkurrenz mit gefährdeten Arten oder Lebensräumen eine lokale Bekämpfung in der Regel sehr erfolgreich. Eine flächendeckende Tilgung insbesondere im Überschwemmungsbereich von größeren Flüssen, an Ufern, Wegrainen und auf Sukzessions- und Brachflächen ist aber nicht mehr möglich und gemäß der Vorgaben aus Art. 19 der VO (EU) Nr. 1143/2014 auch nicht mehr vorgesehen.