Kleine Anfrage 3902
des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD
Ausschluss von öffentlich teilfinanzierten Podiumsdiskussionen
Die Junge Plattform Pulheim e. V. (JuPP e. V.) veranstaltete am 25.05.2024 in Pulheim im Pfarrheim eine Podiumsdiskussion zur Europawahl, die in den sozialen Medien und mit Plakaten in Pulheim beworben wurde. Teilgenommen haben die Kandidaten der CDU, der SPD, der Grünen, der FDP und der Linken.1
Trotz Nachfrage und Wunsch zur Teilnahme wurde der AfD-Kandidatin die Teilnahme an der Podiumsdiskussion verwehrt.
Der Verein JuPP – Junge Plattform Pulheim e. V. ist eine gemeinnützige Körperschaft2 und erhält staatliche Mittel vom Land Nordrhein-Westfalen.
Gemäß § 55 I Nr. 1 S. 3 AO darf eine solche Körperschaft ihre Mittel weder für die unmittelbare noch für die mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwenden. Unter Mittel sind die institutionelle Förderung seitens des Staates sowie die hieraus finanzierten sächlichen und personellen Mittel der Körperschaft zu verstehen.
Von § 55 I Nr. 1 S. 3 AO wird nicht nur die Förderung einer Partei umfasst, sondern es sind auch gegen eine Partei gerichtete Maßnahmen als gemeinnützigkeitsschädlich anzusehen, da eine dabei verursachte Schwächung den übrigen Parteien zugutekommt.
Gemeinnützige Körperschaften dürfen sich demnach nicht parteipolitisch betätigen. Das bedeutet, sie dürfen keine politischen Parteien unterstützen oder deren Wahlkampfaktivitäten fördern. Ihre politischen Aktivitäten müssen sich auf die Förderung des gemeinnützigen Zwecks konzentrieren und dürfen nicht darauf abzielen, politische Vorteile für eine bestimmte Partei zu erlangen.
Vor dem Hintergrund der Teilfinanzierung des Vereins durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes NRW stellt eine Nicht-Einladung der AfD zur oben genannten Podiumsdiskussion einen schwerwiegenden Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht dar und widerspricht zudem der Meinungspluralität.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Fördersummen hat die Junge Plattform Pulheim e.V. (JuPP e.V.) in den letzten zehn Jahren vom Land Nordrhein-Westfalen erhalten? (Bitte nach Fördersumme und Jahr für die letzten zehn Jahre aufschlüsseln)
- Unter welchen rechtlichen Bedingungen ist es öffentlich teilfinanzierten gemeinnützigen Körperschaften gestattet, parteipolitisch zu agieren und einzelne Parteien oder Fraktionen von Veranstaltungen auszuschließen oder nicht einzuladen?
- Erkennt die Landesregierung in dem vorliegenden Fall einen Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht sowie gegen die Vorgaben und Rahmenbedingungen, die für gemeinnützige Körperschaften gelten?
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, wenn einzelne Parteien oder Fraktionen unrechtmäßig von öffentlich teilfinanzierten Podiumsdiskussionen ausgeschlossen werden?
- Sind bei der Landesregierung Beschwerden bezüglich des Ausschlusses einzelner Parteien oder Fraktionen von Veranstaltungen eingegangen? (Bitte nach Anzahl der Beschwerden, Jahr und betroffener Partei bzw. Fraktion aufschlüsseln)
Zacharias Schalley
1 https://jupp-pulheim.de/ (abgerufen am 29.05.2024)
2 Vgl. § 52 I AO
Der Minister der Finanzen hat die Kleine Anfrage 3902 mit Schreiben vom 5. Juli 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet.
- Welche Fördersummen hat die Junge Plattform Pulheim e.V. (JuPP e.V.) in den letzten zehn Jahren vom Land Nordrhein-Westfalen erhalten? (Bitte nach Fördersumme und Jahr für die letzten zehn Jahre aufschlüsseln)
Seit Einführung der digitalen Erfassung der Förderungen im Rahmen des Kinder- und Jugend-förderplans NRW zum Jahr 2018 sind keine unmittelbaren Förderungen des genannten Trägers bekannt. Eine Förderung vor 2018 kann lediglich durch die jeweilige Bewilligungsbehörde im Rahmen einer Akteneinsicht geprüft werden, welche mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden und im Rahmen der Frist zur Beantwortung einer kleinen Anfrage nicht leistbar ist.
- Unter welchen rechtlichen Bedingungen ist es öffentlich teilfinanzierten gemeinnützigen Körperschaften gestattet, parteipolitisch zu agieren und einzelne Parteien oder Fraktionen von Veranstaltungen auszuschließen oder nicht einzuladen?
Die Kinder und Jugendhilfe ist geprägt von einer großen Vielfalt an Trägern mit unterschiedlicher Wertorientierung und einer damit verbundenen Angebots-, Methoden- und Inhaltsvielfalt. Diese Vielfalt ist in § 3 SGB VIII festgeschrieben. Darüber hinaus sichert das SGB VIII freien Trägern ein hohes Maß an Selbstständigkeit bei der Durchführung von Angeboten zu (§ 4 SGB VIII). Im Rahmen außerschulischer Bildungsmaßnahmen als Teil der Angebote der Kinder-und Jugendhilfe ist es nach Auffassung der Landesregierung daher nicht erforderlich, dass Träger in diesen Maßnahmen alle politischen bzw. parteipolitischen Positionen berücksichtigen. Damit liegt nach hiesiger Auffassung auch kein Verstoß gegen die Vorgaben des SGB VIII vor.
Bei der Anwendung des bundesgesetzlich geregelten Gemeinnützigkeitsrechts handelt die Landesfinanzverwaltung NRW im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung. Eine parteipolitische Betätigung ist mit der Gemeinnützigkeit unvereinbar. Einzelheiten sind im bundeseinheitlichen Anwendungserlass zur Abgabenordnung, Nr. 16 zu § 52, geregelt.
- Erkennt die Landesregierung in dem vorliegenden Fall einen Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht sowie gegen die Vorgaben und Rahmenbedingungen, die für gemeinnützige Körperschaften gelten?
Nein. Einen Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht erkennt die Landesregierung in dem vorliegenden Fall nicht.
Bezogen auf die Vorgaben und Rahmenbedingungen des Gemeinnützigkeitsrechts ist es der Landesregierung im Hinblick auf die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 der Abgabenordnung verwehrt, Angaben zu den steuerlichen Verhältnissen in einem konkreten Einzelfall zu machen.
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, wenn einzelne Parteien oder Fraktionen unrechtmäßig von öffentlich teilfinanzierten Podiumsdiskussionen ausgeschlossen werden?
Evtl. erhebliche bzw. nachhaltige Verstöße gegen das Gemeinnützigkeitsrecht können zur Aberkennung des Gemeinnützigkeitsstatus durch das zuständige Finanzamt führen. Eine Zuständigkeit der Landesregierung besteht insoweit nicht.
- Sind bei der Landesregierung Beschwerden bezüglich des Ausschlusses einzelner Parteien oder Fraktionen von Veranstaltungen eingegangen? (Bitte nach Anzahl der Beschwerden, Jahr und betroffener Partei bzw. Fraktion aufschlüsseln)
Nein.