Kleine Anfrage 327
des Abgeordneten Carlo Clemens vom 15.08.2022
Auswirkungen der Zinswende auf die nordrhein-westfälische Wohnungswirtschaft
Die laufende Zinswende hat zu einer spürbaren Verteuerung von Immobilienkrediten geführt.1 Da Wohnungsunternehmen die Teuerungseffekte der hohen Inflation im regulierten deutschen Markt nicht einfach auf die Mieter umlegen können und aufgrund der europäischen Energiekrise mit zusätzlichen Kostensteigerungen zu rechnen ist, planen Immobilienkonzerne wie Vonovia, LEG und TAG Verkäufe von Portfolios oder Beteiligungen. Deutsche Wohn-AGs bieten vermehrt Wohnraum im niedrigen Preissegment an, der besonders in Großstädten und Ballungsgebieten Nordrhein-Westfalens nachgefragt wird. Eine Verteuerung dieses Preissegments würde die angespannte Situation des Wohnungsmarktes zusätzlich verschärfen.2
Um den Wohnungsmarkt im niedrigen Preissegment zu entlasten, befürwortet z.B. die niedersächsische SPD-Landtagsfraktion die Schaffung einer landeseigenen Wohnungsbaugesell-schaft.3 Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalens sieht vor, kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Baugruppen zu unterstützen.4
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Welche Pläne verfolgt die Landesregierung in der aktuellen Situation, um gemäß Koalitionsvertrag kooperative und gemeinwohlorientierte Wohnungsbauakteure wie kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Baugruppen zu stärken?
- Wie bewertet die Landesregierung die angekündigten Verkäufe von Portfolios und Beteiligungen privater Immobilienkonzerne vor dem Hintergrund der angespannten Wohnraumsituation in Städten und Ballungsräumen mit Hinblick auf die Gewährleistung günstiger Mieten?
- Sieht die Landesregierung Anpassungsbedarf bei den eigenen Zielmarken hinsichtlich der Schaffung und Bewilligung von sozialem Wohnraum?
- Sieht die Landesregierung Anpassungsbedarf bei den eigenen Zielmarken bei Zuschüssen der NRW.Bank für investive Maßnahmen im Wohnungsbestand?
- Wie bewertet die Landesregierung Überlegungen zur Schaffung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft?
Carlo Clemens
2 https://www.iz.de/finanzen/news/-harte-landung-fuer-deutsche-wohn-ags-2000009145
3 https://www.zeit.de/news/2022-05/18/spd-bekraeftigt-forderung-nach-landeswohnungsbaugesellschaft
4 https://www.cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-nrw.de/files/zukunftsvertrag_cdu-grune.pdf
Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung hat die Kleine Anfrage 327 mit Schreiben vom 2. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet.
1. Welche Pläne verfolgt die Landesregierung in der aktuellen Situation, um gemäß Koalitionsvertrag kooperative und gemeinwohlorientierte Wohnungsbauakteure wie kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Baugruppen zu stärken?
3. Sieht die Landesregierung Anpassungsbedarf bei den eigenen Zielmarken hinsichtlich der Schaffung und Bewilligung von sozialem Wohnraum?
4. Sieht die Landesregierung Anpassungsbedarf bei den eigenen Zielmarken bei Zuschüssen der NRW.Bank für investive Maßnahmen im Wohnungsbestand?
Die Fragen 1, 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die Landesregierung reagiert in der öffentlichen Wohnraumförderung zeitnah und effektiv auf aktuelle Herausforderungen wie Baukostensteigerungen und Inflation. Neben einer deutlichen Aufstockung der Förderpauschalen in 2022 um 20 Prozent hat das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung mit Erlass vom 4. August 2022 den Weg für Investoren im öffentlichen Wohnungsbau eröffnet, ein Ergänzungsdarlehen in Höhe von bis zu 20 Prozent zu beantragen. Voraussetzung: Es wurde im Jahr 2021 eine Förderzusage aus der öffentlichen Wohnraumförderung erteilt.
Hiervon profitieren auch die vielen Projekte kommunaler Wohnungsunternehmen und von Genossenschaften. Für die von Bewohnern getragene Neugründung von Genossenschaften gibt es bereits eine besondere Förderung, bei der zur Zeit Verbesserungsmöglichkeiten geprüft werden.
- Wie bewertet die Landesregierung die angekündigten Verkäufe von Portfolios und Beteiligungen privater Immobilienkonzerne vor dem Hintergrund der angespannten Wohnraumsituation in Städten und Ballungsräumen mit Hinblick auf die Gewährleistung günstiger Mieten?
Dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung ist nicht bekannt, inwiefern sich mögliche Verkaufsabsichten auf Bestände in Nordrhein-Westfalen erstrecken.
Sofern Wohnungsbestände veräußert werden, gilt für Mietwohnungen, die seit 2001 öffentlich gefördert wurden, dass diese auch nach einem Verkauf unverändert den vereinbarten Bele-gungs- und Mietpreisbindungen unterliegen. Für Mietwohnungen, die vor dem Jahr 2001 öffentlich gefördert wurden, gilt das ebenso. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Bindungsfristen mit einer vorzeitigen Rückzahlung von Förderdarlehen verkürzt werden können (sog. „Nachwirkungsfrist“).
Bei allen übrigen, frei finanzierten Mietwohnungen unterliegt die Nettokaltmiete auch nach dem Verkauf den Beschränkungen des bundesgesetzlich geregelten Mietrechts. In den Kommunen, die in der Mieterschutzverordnung festgelegt sind, gelten zusätzliche Begrenzungen von Neuvertrags- und Bestandsmieten sowie ein erweiterter Kündigungsschutz.
- Wie bewertet die Landesregierung Überlegungen zur Schaffung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft?
In Nordrhein-Westfalen gibt es keinen Mangel an Bauwilligen im Wohnungsbau, so dass die Gründung einer staatlichen Landes-Wohnungsbaugesellschaft nicht angezeigt ist.