Bahnhofsviertel Grevenbroich – Hat der Rechtsstaat bereits die Kontrolle verloren?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1484

des Abgeordneten Markus Wagner vom 06.03.2023

Bahnhofsviertel Grevenbroich Hat der Rechtsstaat bereits die Kontrolle verloren?

„Es gibt im Bereich Bahnstraße und Rheydter Straße junge Männer zwischen 18 und 23 Jahren, die vor nichts Angst haben und die sehr aggressiv unterwegs sind. Es geht ihnen darum, Macht zu zeigen – zu zeigen: ,Wir haben alles unter Kontrolle, wir sind die größere Familie, das ist unser Revier‘.“1

So schildert ein Insider die Zustände im Bahnhofsviertel von Grevenbroich. Die Rheinische Post berichtet, dass ihr Hinweise darauf vorliegen, dass es seit Monaten immer wieder zu Prügeleien im Quartier komme. Erschwerend komme hinzu, dass viele Gewalttaten im Verborgenen blieben und nicht der Polizei gemeldet werden. So hätten Opfer-Familien derart Angst vor weiterer Eskalation, dass zum Teil sogar Schutzgelder bezahlt würden. Andere wiederum würden nach einem Angriff Rachepläne schmieden.2

Anfang Januar 2023 wurde ein 24-jähriger Mann mitten im Feierabendverkehr auf der Kreuzung Bahnhofstraße/Ostwall von einer Gruppe junger Männer blutig geprügelt. Obwohl der Vorfall von vielen beobachtet wird, schreitet niemand ein. Als die Polizei schließlich eintrifft, sind die Täter bereits geflüchtet. Anfang Februar 2023 kommt es erneut zu einer Gewalttat nahe der Kreuzung Rheydter Straße/Dechant-Schütz-Straße. Vor einem Café schlagen mehrere Täter auf einen 41-Jährigen ein. Und auch hier bleiben die Täter unerkannt.3

Der zuständige Sprecher der Kreispolizeibehörde Neuss, bestätigt, dass es im Bereich Bahnhofstraße/Rheydter Straße auffällige junge Erwachsene und Heranwachsende gibt, „vorwiegend männliche Jugendliche verschiedenster Nationalitäten, die in unbestimmten Abständen immer mal wieder polizeiliches Einschreiten erforderlich machen“.4 Allerdings könne die Polizei hierbei keine rivalisierenden Zusammenschlüsse erkennen.

Wie die Rheinische Post berichtet, gab es im Bereich Bahnhofstraße/Rheydter Straße 2022 insgesamt 13 Einsätze aufgrund gemeldeter Körperverletzungen. Mit Blick auf möglicherweise auffällige Familien teilte der Pressesprecher der Stadt Grevenbroich mit, dass es „keine besonderen Erkenntnisse, die über die altersüblichen Auffälligkeiten hinausgehen“, gebe. „Im gesamten Stadtgebiet [gebe es] immer mal wieder Gruppen von Jugendlichen, die durch störendes Verhalten und/oder Ordnungswidrigkeiten und kleinere Straftaten bis hin zu Körperverletzungsdelikten auffallen“.5

Allerdings gibt es auch Stimmen, die die Situation anders bewerten. Ein Mitglied der „Wähleralternative Mein Grevenbroich“ berichtet davon, dass sich die Lage im Viertel in den vergangenen Wochen „noch einmal drastisch verschlimmert“ habe und Auseinandersetzungen an der Tagesordnung stünden. Weiter heißt es, dass sich die Polizeieinsätze häufen und sich Anwohner „seit langem in ihrem Wohnumfeld nicht mehr sicher“ fühlen.6 Zum einen fordert die Wählerinitiative einen festen Stützpunkt des Ordnungsdienstes an der Rheydter Straße, zum anderen eine Intensivierung der Ordnungspartnerschaft mit der Polizei.7

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben geschilderten Delikten? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Welche Straßen und Stadtbereiche der Stadt Grevenbroich werden momentan bzw. seit 2015 gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) eingestuft? (Bitte nach Datum und Dauer auflisten.)
  3. Sind unter den Tatverdächtigen solche, die als Intensivtäter geführt werden?
  4. Wie viele Straftaten gab es in Grevenbroich von 2015 bis heute? (Bitte Tatverdächtige nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln und bei deutschen etwaige Mehrfach-Staatsangehörigkeiten extra ausweisen.)
  5. Wie viele der verurteilten Täter gemäß Frage 4, die sich als Ausländer in Grevenbroich aufhielten, sind abgeschoben worden?

Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. h t tp s : / / r p- o n l in e . de/nrw/staedte/grevenbroich/bahnhofsviertel-grevenbroich-schlaeger-banden-im-quartier-v1_aid-83979533.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.

5 Ebenda.

6 Ebenda.

7 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1484 mit Schreiben vom 29. März 2023 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration sowie dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben geschilderten Delikten? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Mönchengladbach hat dem Ministerium der Justiz unter dem 10.03.2023 unter anderem wie folgt berichtet:

„In dem Ermittlungsverfahren wegen des Vorfalls Anfang Januar 2023, das sich bislang gegen Unbekannt richtet und den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) zum Ge­genstand hat, dauern die Ermittlungen an. […] Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen wurde am 3. Januar 2023 gegen 18.30 Uhr im Kreuzungsbereich der Bahnstraße/Montz-straße/Ostwall in Grevenbroich ein 24jähriger Mann von einer aus ca. 10 Personen bestehen­den Gruppe männlicher Jugendlicher/junger Männer umringt und sodann von jedenfalls einer zu der Gruppe gehörenden Person u. a. gegen den Kopf geschlagen, wodurch der Geschä­digte eine blutende Wunde erlitt.

Der weitere in der Kleinen Anfrage angesprochene Vorfall ist Gegenstand des bei meiner Be­hörde anhängigen Ermittlungsverfahrens […] gegen Unbekannt wegen gefährlicher Körper­verletzung (§ 224 StGB), in dem die Ermittlungen gleichfalls andauern. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen wurde am 28. Januar 2023 gegen 18.45 Uhr auf dem Gehweg der Rheydter Straße in Grevenbroich ein 41jähriger Mann unvermittelt von einer Gruppe von Män­nern angegriffen, die auf ihn einschlugen und eintraten. Infolgedessen erlitt der Geschädigte ein Schädelhirntrauma sowie eine Oberkiefer- und Rippenfraktur.“

  1. Welche Straßen und Stadtbereiche der Stadt Grevenbroich werden momentan bzw. seit 2015 gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-West­falen (PolG NRW) eingestuft? (Bitte nach Datum und Dauer auflisten.)

Im Gebiet der Stadt Grevenbroich sind seit dem Jahr 2015 keine Straßen oder Stadtbereiche als Orte im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) eingestuft.

An den in der Kleinen Anfrage benannten Örtlichkeiten wurden und werden durch die Kreis­polizeibehörde Rhein-Kreis Neuss u. a. folgende Maßnahmen getroffen:

  • Durchführen von verstärkter Aufklärung im Rahmen der Streife
  • Durchführen von verstärkten Fuß- und Radstreifen durch den Bezirksdienst
  • Ergänzende Bestreifung durch Kräfte des Schwerpunktdienstes sowie durch Kradfah-rer
  • Durchführen von gemeinsamen Streifen mit dem Ordnungs- und Servicedienst der Stadt Grevenbroich
  • Durchführen dienststellenübergreifender Sondereinsätze
  1. Sind unter den Tatverdächtigen solche, die als Intensivtäter geführt werden?

Da sich die Ermittlungsverfahren derzeit gegen Unbekannt richten, kann keine Aussage dazu getroffen werden, ob es sich bei den Tatverdächtigen um Intensivtäter gehandelt hat.

  1. Wie viele Straftaten gab es in Grevenbroich von 2015 bis heute? (Bitte Tatverdäch­tige nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit aufschlüsseln und bei deut­schen etwaige Mehrfach-Staatsangehörigkeiten extra ausweisen.)

Als Datenbasis für die Beantwortung der Frage dient die Polizeiliche Kriminalstatistik Nord­rhein-Westfalen (PKS NRW). Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfas­sung.

Die Gesamtzahlen aller erfassten Straftaten für den Bereich Grevenbroich von 2015 bis 2022 bitte ich der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr bekannt gewordene Fälle
2015 4 103
2016 4 309
2017 3 748
2018 3 793
2019 3 433
2020 3 798
2021 3 196
2022 3 801

Quelle: PKS NRW

  1. Wie viele der verurteilten Täter gemäß Frage 4, die sich als Ausländer in Grevenbroich aufhielten, sind abgeschoben worden?

Eine Statistik im Sinne der Fragestellung liegt der Landesregierung nicht vor. Eine entspre­chende händische Auswertung des in Frage 5 genannten Personenkreises ist in der zur Be­antwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwal­tungsaufwand nicht möglich.

 

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Beteiligte:
Markus Wagner