Kleine Anfrage 4105
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Bayern: Verfassungsschutz beobachtet Abgeordneten – Wie verfährt Nordrhein-Westfalen?
Wie der Bayerische Rundfunk Mitte Mai dieses Jahres berichtete, werde fortan ein Abgeordneter der AfD-Fraktion vom Verfassungsschutz beobachtet. Zuvor habe das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ein halbes Jahr lang geprüft, ob es Abgeordnete der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag beobachten darf. Obwohl die Voraussetzungen für die Beobachtung von Abgeordneten sehr hoch seien und diese 2013 vom Bundesverfassungsgericht klar gezogen worden seien, liegen nun „bei der betreffenden Person […] hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass sie ihr Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht und diese aktiv und aggressiv bekämpft“. Bei weiteren Personen „einer niedrigen einstelligen Zahl“ werde die Prüfphase verlängert.1
Abgeordnete genießen in Deutschland durch das Grundgesetz ein freies Mandat, was ihnen eine „freie Kommunikationsbeziehung“ mit den Wählern ermöglicht. Ein Eingriff in diese Freiheit könne nur in seltenen Fällen gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Die Voraussetzungen dafür liegen jetzt wohl in Bayern vor. Damit ist ein Novum eingetreten, denn seit 2013 ist es noch nie vorgekommen, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz einen Abgeordneten beobachtet und darüber informiert. Mit solchen Informationen hält man sich auch in anderen Bundesländern bedeckt.2
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags wurden respektive werden von 2000 bis heute vom Verfassungsschutz überprüft, ob man sie beobachten darf? (Bitte einzeln auflisten.)
- Welche konkreten Gründe lagen respektive liegen vor, dass eine solche Überprüfung stattgefunden hat?
- Über welchen Zeitraum wurden diese Überprüfungen durchgeführt? (Bitte einzeln auflisten.)
- Welche Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags wurden respektive werden von 2000 bis heute vom Verfassungsschutz beobachtet? (Bitte einzeln auflisten.)
- Welche konkreten Gründe lagen respektive liegen vor, dass das jeweilige Mitglied des Landtags als Beobachtungsobjekt eingestuft wurde?
Markus Wagner
2 Ebenda.
Der Minister des Inneren hat die Kleine Anfrage 4105 mit Schreiben vom 6. August 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Welche Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags wurden respektive werden von 2000 bis heute vom Verfassungsschutz überprüft, ob man sie beobachten darf? (Bitte einzeln auflisten.)
- Welche konkreten Gründe lagen respektive liegen vor, dass eine solche Überprüfung stattgefunden hat?
- Über welchen Zeitraum wurden diese Überprüfungen durchgeführt? (Bitte einzeln auflisten.)
- Welche Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags wurden respektive werden von 2000 bis heute vom Verfassungsschutz beobachtet? (Bitte einzeln auflisten.)
- Welche konkreten Gründe lagen respektive liegen vor, dass das jeweilige Mitglied des Landtags als Beobachtungsobjekt eingestuft wurde?
Die Fragen 1 bis 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
In Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags aus § 3 Abs. 1 Verfassungs-schutzgesetz Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) beobachtet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz Personenzusammenschlüsse und Einzelpersonen, bei denen jedenfalls tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen.
An die Beobachtung und damit verbundenen Speicherung personenbezogener Daten von Abgeordneten stellt das VSG NRW – unter Berücksichtigung des Rechts auf ein freies Mandat aus Artikel 38 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts – hohe Anforderungen, vgl. § 8 Abs. 2 VSG NRW.
Demnach ist eine Speicherung personenbezogener Daten eines Mitglieds des Europäischen Parlaments, des Bundestags oder eines Landesparlaments nur dann zulässig, wenn im Einzelfall der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine Einschränkung des freien Mandats erforderlich macht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die oder der Abgeordnete das Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft. Über die Erforderlichkeit der Speicherung entscheidet der für Inneres zuständige Minister nach Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Die auf das notwendige Mindestmaß zu beschränkende Speicherung ist umgehend zu beenden, sofern sie zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht mehr erforderlich ist.
Einer darüberhinausgehenden Beantwortung stehen vorliegend Interessen des Staatswohls entgegen, da die Beantwortung die operative Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde stören würde. Nach sorgfältiger Abwägung überwiegen die Staatswohlinteressen gegenüber dem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht des Landtages Nordrhein-Westfalen.