Bedrohung durch den Islamismus – Wie gefährdet ist Nordrhein-Westfalen?

Kleine Anfrage
vom 17.07.2024

Kleine Anfrage 4158

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Bedrohung durch den Islamismus Wie gefährdet ist Nordrhein-Westfalen?

„Der Islamismus ist weiter auf dem Vormarsch.“1

Als am 14. Mai 2024 das „Lagebild Islamismus in Nordrhein-Westfalen“ vorgestellt wurde, machte Innenminister Herbert Reul (CSU) deutlich, dass vom Islamismus eine immer größere Gefahr ausgehe. Das Personenpotential allein in Nordrhein-Westfalen liegt derzeit bei 2.600 extremistischen Salafisten, die nachrichtendienstlich bekannt sind. Davon gehören 2.000 dem politischen und 600 dem gewaltorientierten Spektrum an. Wie das Lagebild aufzeigt, sind die islamistisch motivierten Straftaten 2023 im Vergleich zum Vorjahr von 60 auf 305 Fälle angestiegen und haben sich damit mehr als verfünffacht. Selbst der Verfassungsschutz beschreibt die „abstrakte Gefahr für terroristische Anschläge“ als hoch. Gerade im Hinblick auf die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft in Deutschland sollten die Sicherheitsbehörden im Sinne der Bürger äußerst alarmiert sein. Auch wenn es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine konkrete Bedrohungslage gibt, wie Herbert Reul weiter ausführte, hat die Erfahrung gezeigt, dass „gerade im Islamismus […] aus Extremisten ganz schnell Terroristen werden“ können.2

Nach Ansicht der Behörden geht die größte Bedrohung zurzeit vom Islamischen Staat – Provinz Khorasan aus, einem IS-Ableger, der die Fähigkeiten besitzen soll, auch im Westen große, koordinierte Anschläge ausführen zu können. Der politische Salafismus kümmere sich insbesondere um die Missionierungsarbeit, den Gewinn neuer Anhänger und die Verbreitung eines extremistischen Islamverständnisses. In diesem Zusammenhang wies Herbert Reul auf Folgendes hin:

„Das Internet wird mehr und mehr zum Hochleistungsmotor für Radikalisierung. Extremistische Inhalte kommen innerhalb kürzester Zeit auf Knopfdruck rund um die Uhr in den Newsfeed unserer Kinder und Jugendlichen.“3

In den sozialen Netzwerken, vorrangig bei TikTok, werden geschickt statt religiöser Predigten vermeintlich lebensnahe Themen mit Hassbotschaften verknüpft, die dann umgangssprachlich kommuniziert werden. So werden manche Hasspredigten auf TikTok 10 Millionen Mal, Videos auf YouTube 15 Millionen Mal abgerufen. Ihre Inhalte ähneln sich permanent: antisemitische Botschaften, Lobpreisung des Jihads, Gewalt gegen Juden.4

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Werden islamistische Accounts in den sozialen Medien überwacht und ausgewertet?
  2. Was folgt aus diesen Auswertungen?
  3. Werden bei Einbürgerungen die politisch-religiösen Aktivitäten der Begehrer unserer Staatsbürgerschaft überprüft?
  4. Welche sozialen Medien und Messenger nutzen Islamisten?
  5. Hat die Landesregierung versucht, islamistische Accounts sperren zu lassen?

Markus Wagner

 

MMD18-10015

 

1 https://www.nzz.ch/international/nrw-innenminister-herbert-reul-der-islamismus-ist-weiter-auf-dem-vormarsch-ld.1830313.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4158 mit Schreiben vom 23. August 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Werden islamistische Accounts in den sozialen Medien überwacht und ausgewer­tet?

Um insbesondere im virtuellen Raum stattfindende Radikalisierungsprozesse festzustellen und hieraus resultierende Gefahren abzuwehren, schöpfen die Sicherheitsbehörden alle techni­schen, personellen und rechtlich zulässigen Möglichkeiten und Handlungsspielräume konse­quent aus. Insofern beobachtet und wertet die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen is­lamistische Inhalte im Internet im Sinne der Anfrage sowohl aufgrund von konkreten Hinweisen als auch anlassunabhängig aus. Auch der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hat is­lamistische Bestrebungen im Internet grundsätzlich und anlassbezogen im Blick.

  1. Was folgt aus diesen Auswertungen?

Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen fertigt bei einem festgestellten Anfangsverdacht auf strafbare Inhalte umgehend eine Strafanzeige und leitet ein entsprechendes Ermittlungs­verfahren ein. Gleichzeitig erfolgt die Prüfung und erforderlichenfalls Veranlassung von lage­angepassten polizeilichen Maßnahmen der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Hierzu wer­den beweiserhebliche Informationen gesichert, um insbesondere Beweismittelverlusten vor­zubeugen. Dies erfordert eine kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung kriminalpoli­zeilicher Ermittlungen an die sich dynamisch fortentwickelnde Digitallandschaft. Zusätzlich können so potentielle Gefahren oder bevorstehende Straftaten erkannt und verhindert werden.

In diesem Kontext ist überdies zu konstatieren, dass polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenab­wehr auch unabhängig von konkreten Strafverfahren durchgeführt werden können. Die im Zuge der Auswertung gewonnenen Erkenntnisse fließen zudem unter anderem in die Erstel­lung von Lagebildern der Politisch motivierten Kriminalität ein.

Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags informiert der nordrhein-westfälische Verfassungs­schutz Öffentlichkeit und Politik über durch Auswertungen gewonnene Erkenntnisse zu extre­mistischen Bestrebungen und vermittelt diese unter anderem in Form von Berichten, Lagebil­dern und Vorträgen. Nach gesetzlicher Maßgabe und unter Einhaltung entsprechender Vor­schriften übermittelt der Verfassungsschutz Auswertungsergebnisse auch an andere Behör­den, insbesondere dann, wenn strafbare Handlungen und/oder Aussagen vorliegen oder die Abwehr unmittelbarer Gefahren tangiert ist.

  1. Werden bei Einbürgerungen die politisch-religiösen Aktivitäten der Begehrer un­serer Staatsbürgerschaft überprüft?

Im Rahmen der Einbürgerung werden politisch-religiöse Aktivitäten überprüft, falls es sich um verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne des § 11 S. 1 Nr. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) handelt. Darüber hinaus haben antragstellende Personen spätestens vor der Aushän­digung der Einbürgerungsurkunde sowohl die Bekenntnisse zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die national­sozialistische Unrechtsherrschaft und ihre Folgen als auch die sog. Loyalitätserklärung abzu­geben.

Die nordrhein-westfälische Verfassungsschutzbehörde unterrichtet im Rahmen der Einbürge­rungsverfahren die Staatsangehörigkeitsbehörden nach Maßgabe der bestehenden Übermitt­lungsvorschriften über Erkenntnisse, die im Einzelfall einer Einbürgerung entgegenstehen.

  1. Welche sozialen Medien und Messenger nutzen Islamisten?

Islamistische Akteure nutzen nahezu alle Möglichkeiten der Indoktrina-tion ihrer Botschaften und zum Austausch mit Gleichgesinnten in Chatgruppen sozialer Netzwerke sowie über Mes-sengerdienste.

Die Gestaltung der Inhalte variiert dabei in Abhängigkeit von den jeweiligen Netzwerken und reicht von einfachen Textbotschaften bis hin zu aufwändig gestalteten audiovisuellen Forma­ten. Aufgrund der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Angebote reagieren islamistische Ak­teure entsprechend schnell auf neue technische Möglichkeiten und richten ihre Kommunika­tion dahingehend aus.

Insofern ist eine abschließende Aufzählung von sozialen Netzwerken und Plattformen im Sinne der Anfrage aufgrund der dynamischen Angebotserweiterung im Internet und dem agi­len Nutzungsverhalten islamistischer Akteure nicht möglich.

  1. Hat die Landesregierung versucht, islamistische Accounts sperren zu lassen?

Am 28. April 2021 wurde innerhalb der Europäischen Union (EU) im Hinblick auf eine einheit­liche Regelung im Umgang mit terroristischen Online-Inhalten, die Terrorist Content Online-Verordnung (TCO-VO) beschlossen. Die TCO-VO muss seit dem 07. Juni 2022 von allen EU-Mitgliedstaaten angewendet werden. Ziel der Verordnung ist das Bekämpfen, Eindämmen und zeitnahe Entfernen entsprechender Inhalte aus dem Internet.

Das Bundeskriminalamt (BKA) übernimmt in Deutschland die zentrale Rolle bei der Umset­zung der Verordnung und ist alleinbevollmächtigte Behörde für den Erlass von Entfernungs­anordnungen. Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen kann insofern lediglich die Sper­rung islamistischer Accounts und Websites im Sinne der Anfrage anregen; dies erfolgt regel­mäßig.

Darüber hinaus haben vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz übermittelte Informa­tionen auch schon vor Inkrafttreten der TCO-VO in vielen Fällen die Einleitung straf- oder ver­einsrechtlicher Maßnahmen ermöglicht. In der Konsequenz konnten auch hierdurch islamis­tisch-extremistische Inhalte, die aus entsprechenden extremistischen Strukturen hervorgehen, aus dem Internet entfernt werden. Islamistische Propaganda im Internet bewegt sich aber viel­fach im Vorfeld von Aussagen bzw. Positionierungen, welche auf rechtlicher Ebene hinrei­chende Grundlage für die Initiierung unmittelbarer repressiver Maßnahmen bieten, so dass zudem die Betreiber entsprechender Internetplattformen gefragt sind, wenn es um die Lö­schung betreffender Inhalte geht.

 

MMD18-10373

Beteiligte:
Markus Wagner