Kleine Anfrage 2771
des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD
Bestand und Verbreitung von giftigen Pflanzenarten: Das Jakobskreuzkraut
Das Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea), auch Jakobsgreiskraut genannt, ist sowohl heimische Grünlandpflanze als auch Giftpflanze, die – wie die Auswertung der Vegetationsaufnahmen der landwirtschaftlichen Standortkartierung Nordrhein-Westfalen des letzten Jahrhunderts belegen – schon immer in unserem Bundesland verwurzelt war.1 Demnach sollte das Jakobskreuzkraut und seine Giftigkeit – anders als bei der Beifuß-Ambrosie als invasivem Neophyt – schon lange bekannt sein und sein Bestand stetig unter der arttypischen Schadschwelle gehalten werden.
Stattdessen nahm die Verbreitung des Jakobskreuzkrautes in Nordrhein-Westfalen neue Dimensionen an: Das Jakobskreuzkraut hat sich teilweise so stark verbreitet, dass es bereits lokal in allen Regionen von Nordrhein-Westfalen zu schwerwiegenden Bewirtschaftungs- und Vermarktungsproblemen gekommen ist. Gründe für die Ausbreitung der Art sind die Zunahme von Brachflächen auf dem Acker, die nicht aufwuchsangepasste Extensivierung auf Dauergrünland sowie die Einbringung nicht heimischer Genotypen mit dem Saatgut zur Begrünung von Wildäckern und Brachen.2
Genau wie andere Senecio-Arten enthält auch das Jakobskreuzkraut in allen Pflanzenteilen giftige Pyrrolizidin-Alkaloide, die chronische Leberschäden verursachen können.3 Die Pyrrolizidin-Alkaloide werden im Körper zu Schadstoffen verstoffwechselt, die sich vor allem in der Leber ansammeln, wobei die wiederholte Aufnahme von kleinen Mengen zu einer Vergiftung mit tödlichem Verlauf führen kann.4 Hauptsächlich sind Weidetiere gefährdet, vor allem Pferde, die die Giftpflanze nicht verlässlich meiden, weil das Grünland überweidet ist oder weil sich in der jungen Pflanze noch nicht genügend Bitterstoffe gebildet haben. 40 bis 80 Gramm der frischen Pflanze pro Kilo Körpergewicht können bereits tödlich für Pferde enden. Ein zusätzliches Problem liegt in der Heunutzung, denn die vor Verbiss verhindernden Bitterstoffe bauen sich zwar beim Konservierungsprozess ab, jedoch werden die giftigen Alkaloide auch nach der Heu- und Silagebereitung nicht abgebaut.5
Laut dem Direktor des Pharmazeutischen Instituts der Universität Bonn besteht eine Gefahr für die menschliche Gesundheit, weil das Jakobskreuzkraut, anders als früher, inzwischen überall verbreitet ist und demnach damit gerechnet werden muss, dass die Pyrrolizidin-Alkaloide in unsere Nahrungskette gelangen. Laut Wiedenfeld könnten Kühe, die selbst resistent gegen die Gifte der Kreuzkräuter sind, diese an die Milch weitergeben. Außerdem könnten die Pollen von Kreuzkräutern, die in der Nähe von Äckern stehen, das Getreide kontaminieren.6 Des Weiteren können die Pyrrolizidin-Alkaloide über Kräutertees oder Honig in die menschliche Nahrungskette eingetragen werden.7
Auf dem Grünland tritt das Jakobskreuzkraut zunehmend bei nicht aufwuchsangepasster Bewirtschaftung und mangelnder Pflege auf. Eine Unter- oder Übernutzung der Grünflächen, die zu Narbenauflockerung führt, ermöglicht das zahlreiche Auflaufen der Samen dieser Giftpflanze. Die erhöhten Deckungsgrade sind nicht nur ein Problem auf Pferdeweiden, sondern können mittlerweile auch vermehrt auf wenig gepflegten Rinderweiden beobachtet werden.8
Außerhalb landwirtschaftlich genutzter Grünlandflächen tritt das Jakobskreuzkraut vermehrt an Straßenrändern und Böschungen sowie auf Brach- und Stilllegungsflächen auf. Die Zunahme lässt sich hierbei auf das Mähregime zurückführen. Aus Kostengründen und aus Gründen des Artenschutzes findet das Mähen oft nur einmal zwischen Jahresmitte und Spätherbst statt, so dass die spätblühende Pflanze dann optimale Bedingungen zum Blühen und Fruchten vorfindet und sich die 150.000 Samen pro Pflanze durch die Anemochorie verbreiten können.9 Eine Schweizer Studie (SIGRIST-MAAG et al. 2008) kam zu dem Ergebnis, dass intensiv genutzte Wiesen und Weiden, die eine dichte Narbe haben und gut mit Sticksoff versorgt sind, ein signifikant geringeres Jakobskreuzkraut-Vorkommen aufweisen als extensiv genutzte Grünlandflächen. Auf lückigen Wiesen steigt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens im Vergleich auf das Fünffache an.10 Demzufolge werden wenig intensiv genutzte Weiden von besonders starken Zunahmen betroffen sein. Rationalisierungs- und Extensivierungsmaßnahmen sowie die Rekultivierung selbst begrünter Ackerbrachen haben zu einer Ausdehnung von extensiv bewirtschafteten Flächen und somit auch zu einer deutlichen Zunahme der Kreuzkrautdichte geführt.11
Vor diesem Hintergrund frage ich:
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über ökonomische und gesundheitliche Auswirkungen, wie beispielsweise schwerwiegende Bewirtschaftungs- und Vermarktungsprobleme, die aus der Verbreitung des Jakobskreuzkrautes resultieren?
- Wie viele Vergiftungsfälle (chronischer Verlauf, akuter Verlauf) gab es bei Weidetieren seit 2008 in Nordrhein-Westfalen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Ort und Tier)
- Wie hat sich der Bestand der des Jakobskreuzkrautes seit 2008 entwickelt?
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Ausbreitung des Jakobskreuzkraut einzudämmen?
- Wie lässt sich die GAP-Konditionalitäten-Verordnung mit seiner Grundpflicht von mindestens 4 % Stilllegung von Ackerflächen, die der Selbstbegrünung überlassen werden oder sogar aktiv begrünt werden, mit Maßnahmen zur notwendigen Eindämmung des Jakobskreuzkrautes vereinbaren?
Zacharias Schalley
1https://www.lanuv.nrw.de/publikationen/details?tx_cartproducts_products%5Bproduct%5D=913&cHa sh=b1d926e0aaa81de365ba6bdd3b3be106 2https://www.lanuv.nrw.de/publikationen/details?tx_cartproducts_products%5Bproduct%5D=913&cHa sh=b1d926e0aaa81de365ba6bdd3b3be106
4 https://www.landwirtschaftskammer.de/riswick/pdf/jakobskreuzkraut.pdf
5https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/gruenland/jakobskreuzkraut.htm#Ver breitung
6 https://www.welt.de/regionales/koeln/article109692522/Die-Gefahr-einer-heimischen-Pflanze.html
7 https://core.ac.uk/download/pdf/235688724.pdf
8 https://www.landwirtschaftskammer.de/riswick/pdf/jakobskreuzkraut.pdf
9 https://www.jakobs-kreuzkraut.de/Steckbrief
11 https://core.ac.uk/download/pdf/235688724.pdf
Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2771 mit Schreiben vom 7. November 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über ökonomische und gesundheitliche Auswirkungen, wie beispielsweise schwerwiegende Bewirtschaftungs- und Vermarktungsprobleme, die aus der Verbreitung des Jakobskreuzkrautes resultieren?
Hierzu liegen der Landesregierung keine systematischen Informationen vor. Bei sach- und fachgerechter Bewirtschaftung von Grünlandflächen besteht die Möglichkeit, das Vorkommen von Jakobskreuzkraut zu verringern und weitgehend zu vermeiden. Insofern sollten Vermarktungsprobleme durch kontaminiertes Futter vom Bewirtschafter einer Grünlandfläche in Eigenverantwortung vermieden werden.
- Wie viele Vergiftungsfälle (chronischer Verlauf, akuter Verlauf) gab es bei Weidetieren seit 2008 in Nordrhein-Westfalen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Ort und Tier)
Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Vergiftungsfälle bei Weidetieren werden nicht systematisch erhoben und liegen nach hiesiger Kenntnis auch an anderer Stelle nicht vor.
- Wie hat sich der Bestand des Jakobskreuzkrautes seit 2008 entwickelt?
Jakobskreuzkraut ist eine heimische Grünlandpflanze und war auch in Nordrhein-Westfalen immer Bestandteil des Grünlandes. Neu ist die teilweise starke Ausbreitung im Verlauf der letzten zehn bis fünfzehn Jahre. Landesweite Auswertungen zur regionalen Entwicklung von Jakobskreuzkraut seit 2008 liegen nicht vor.
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Ausbreitung des Jakobskreuzkrautes einzudämmen?
Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 der Kleinen Anfrage 4281 vom 3. September 2020 (Drucksache 17/11119) verwiesen.
- Wie lässt sich die GAP-Konditionalitäten-Verordnung mit seiner Grundpflicht von mindestens 4 % Stilllegung von Ackerflächen, die der Selbstbegrünung überlassen werden oder sogar aktiv begrünt werden, mit Maßnahmen zur notwendigen Eindämmung des Jakobskreuzkrautes vereinbaren?
Im Rahmen der Konditionalität ist die chemische und auch die mechanische Bekämpfung von Unkräutern wie z.B. Stumpfblättriger Ampfer oder Distelarten nicht zulässig. Problemunkräuter, bei denen potenziell „eine Gefahr für Mensch und/oder Tier“ (z.B. Jakobskreuzkraut, Herkulesstaude) besteht, können dagegen auf Antrag mechanisch oder chemisch bekämpft werden.