Bochum: Angriff auf Sicherheitskräfte vor Bundesliga-Spiel – Wer sind die Verantwortlichen?

Kleine Anfrage
vom 15.07.2024

Kleine Anfrage 4144

der Abgeordneten Markus Wagner und Andreas Keith AfD

Bochum: Angriff auf Sicherheitskräfte vor Bundesliga-Spiel Wer sind die Verantwortlichen?

Bereits am 11. November 2023 kam es vor dem Fußballspiel zwischen dem VfL Bochum und dem 1. FC Köln zu brutalen Ausschreitungen von mehreren Fans der Kölner Mannschaft, bei denen Polizisten, Ordner und andere Einsatzkräfte beleidigt, geschlagen, getreten und sogar mit Gegenständen beworfen wurden. Nach den Angriffen an der Castroper Straße in Bochum übernahm die „EG Castrop“1 die Ermittlungen und veröffentlichte über ein halbes Jahr später Fahndungsfotos von an den Ausschreitungen beteiligten Zuschauern.

Mindestens zwei der gesuchten Männer sollen sich bereits der Polizei gestellt haben. Überdies kam es schon am 11. April dieses Jahres zu insgesamt sieben Wohnungsdurchsuchungen in Köln, wobei insgesamt fünf Mobiltelefone sowie Tatbekleidung als Beweismittel sichergestellt wurden und ein Haftbefehl vollstreckt werden konnte: Ein 26-jähriger Kölner wurde unter anderem wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzung sowie eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs verhaftet.2

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang sowie Straftatbestände aufschlüsseln.)
  2. Wie viele Beteiligte konnten bislang identifiziert werden? (Bitte nach Tätermerkmalen, wie Alter, Nationalität und Geschlecht aufschlüsseln.)
  3. Welche sonstigen polizeilichen Erkenntnisse sind über die identifizierten Tatverdächtigen bekannt?
  4. Wie oft kam es seit 2015 bis heute bereits zu gewalttätigen Ausschreitungen bei Bundesligaspielen in NRW?
  5. Bei wie vielen dieser Ausschreitungen wurden Sicherheitskräfte oder anderes Personal attackiert?

Markus Wagner
Andreas Keith

 

MMD18-9999

 

1 https://m.bild.de/regional/nordrhein-westfalen/polizei-sucht-koelner-hooligans-randale-vor-bundesliga-spiel-gegen-bochum-667029de0068ba320cb36a7b.

2 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4144 mit Schreiben vom 12. August 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang sowie Straftat­bestände aufschlüsseln.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Bochum hat dem Ministerium der Justiz unter dem 18.07.2024 unter anderem berichtet, dass bei der Staatsanwaltschaft Bochum derzeit 66 Er-mittlungs- und Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Körperver­letzung, versuchter schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruchs – auch in besonders schweren Fällen –, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie tätlichen Angriffs auf Voll­streckungsbeamte im Zusammenhang mit dem Vorfall anhängig seien. Demnach liegen den Verfahren im Kern die in der Kleinen Anfrage geschilderten Angriffe auf Polizeibeamte und Ordner zugrunde.

Zum Geschehensablauf hat die Leitende Oberstaatsanwältin im Wesentlichen weiter ausge­führt, aus Köln angereiste Personen hätten versucht, ohne Eintrittskarten gewaltsam ins Sta­dion zu gelangen, etwa 300 von ihnen mit Erfolg. Ein Teil von diesen, der der sogenannten „organisierten Fußballszene“ Kölns zugerechnet werde, habe sich später auf Betreiben der Rädelsführer auf den Weg vom Stadionbereich zu einem Busparkplatz in der Nähe der Ver­anstaltungshalle „Starlight Express“ in Bochum begeben. Die beim Eindringen in das Stadion begonnenen Angriffe auf Polizei und Sicherheitspersonal seien im Stadioninnenbereich und auf dem Weg zum Busparkplatz fortgesetzt worden, wobei in diesem letzten Abschnitt des Geschehens Polizeibeamte auch mit gezündeten Seenotfackeln, sogenannten Bengalos, und Rauchkörpern beworfen worden seien.

In sieben Fällen seien Durchsuchungsbeschlüsse und in einem Fall sei ein wegen versuchter schwerer Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und weiterer Vorwürfe erlassener Haftbefehl des Amtsgerichts Bochum vollstreckt worden. In diesem Fall sei zwi­schenzeitlich Anklage zum Landgericht Bochum erhoben und das Hauptverfahren eröffnet worden. In weiteren Fällen sei Anklage zum Amtsgericht Bochum erhoben worden, und es seien Strafbefehle wegen Beleidigung in Rechtskraft erwachsen.

Aktuell richteten sich 31 Verfahren gegen Unbekannt, in denen die Ermittlungen andauerten.

  1. Wie viele Beteiligte konnten bislang identifiziert werden? (Bitte nach Tätermerk­malen, wie Alter, Nationalität und Geschlecht aufschlüsseln.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Bochum hat dem Ministerium der Justiz unter dem 18.07.2024 auch berichtet, dass bislang 35 Beschuldigte identifiziert worden seien.

  1. Welche sonstigen polizeilichen Erkenntnisse sind über die identifizierten Tatver­dächtigen bekannt?

Über die gegenständlichen Ermittlungen hinaus sind 23 der 35 Tatverdächtigen (TV) in der Vergangenheit wie folgt kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten:

TV 1 – Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs – Wiederholt gemeinschädliche Sachbeschädigung
TV 2 – Körperverletzung

– Ladendiebstahl

– Betrug

TV 3 – Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz
– Ladendiebstahl
TV 4 – Ladendiebstahl
TV 5 – Wiederholt besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs – Verstoß gegen das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe – Gefährliche Körperverletzung

– Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz

TV 6 – Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs

– Landfriedensbruch

– Gefährliche Körperverletzung

  – Körperverletzung
– Nötigung
TV 7 – Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs

– Wiederholt Landfriedensbruch

– Verstoß gegen das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe

– Wiederholt Beleidigung

– Ladendiebstahl

TV 8 – Landfriedensbruch
TV 9 – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
– Körperverletzung
TV10 – Gefährliche Körperverletzung
TV 11 – Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte

– Wiederholt besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs

– Landfriedensbruch

TV 12 – Trunkenheit im Straßenverkehr
TV 13 – Körperverletzung
TV 14 – Landfriedensbruch

– Wiederholt Sachbeschädigung

– Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz

TV 15 – Gefährliche Körperverletzung
TV 16 – Landfriedensbruch

– Wiederholt Sachbeschädigung

TV 17 – Gefährliche Körperverletzung
TV 18 – Wiederholt Landfriedensbruch
TV 19 – Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs

– Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz

– Betrug

TV 20 – Freiheitsberaubung

– Raub

– Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte

– Verbotene Kraftfahrzeugrennen

– Häusliche Gewalt

– Wiederholt Körperverletzung

– Diebstahl

– Wiederholt Hausfriedensbruch

– Wiederholt Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz

TV 21 – Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte
– Körperverletzung
TV 22 – Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs

– Verstoß gegen das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe

– Gefährliche Körperverletzung

TV 23 – Diebstahl

 

  1. Wie oft kam es seit 2015 bis heute bereits zu gewalttätigen Ausschreitungen bei Bundesligaspielen in NRW?

Der Begriff „gewalttätige Ausschreitungen“ ist polizeilich nicht definiert, eine entsprechende automatisierte Auswertung der polizeilichen Datensysteme kann insofern nicht erfolgen. Er­fasst werden jedoch „gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Fangruppen aus der Fuß­ballszene“. Hierbei handelt es sich um Gewaltdelikte (Körperverletzungsdelikte und Landfrie­densbruch) unter Beteiligung von mindestens drei Personen.

Im Rahmen des polizeilichen Informationsaustauschs zu Sportveranstaltungen werden grund­sätzlich die Spielzeiten der ersten vier Spielklassen ausgewertet. Aufgrund einer bundesweit systemischen Umstellung im polizeilichen Informationsaustausch zu Sportveranstaltungen Ende des Jahres 2017 kann für die Spielzeiten 2015/16, 2016/17 und 2017/18 auch für das Land Nordrhein-Westfalen retrograd keine Auswertung gemäß der Fragestellung innerhalb der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwal­tungsaufwand erfolgen. In den Spielzeiten 2018/2019 bis heute kam es in Nordrhein-Westfalen bei Spielen der Bundesliga zu insgesamt 115 gewalttätigen Auseinandersetzungen, die sich wie folgt auf die Spielzeiten verteilen:

Spielzeit Anzahl Auseinandersetzungen
2018/19 30
2019/20 21
2020/21 4
2021/22 19
2022/23 26
2023/24 15

 

  1. Bei wie vielen dieser Ausschreitungen wurden Sicherheitskräfte oder anderes Per­sonal attackiert?

Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste des Landes Nordrhein-Westfalen (LZPD), gleichzeitig auch Landesinformationsstelle Sporteinsätze (LIS) für Nordrhein-Westfalen, sammelt, analysiert und bewertet jeweils die Da­ten einer gesamten Saison. Die entsprechenden Berichte der vergangenen 20 Jahre für Nord­rhein-Westfalen und den Bund sind frei im Internet zugänglich (https://lzpd.polizei.nrw/arti-kel/zis-jahresbericht). Die Zahlen zu verletzten Personen, auch aufgeschlüsselt nach Polizei­vollzugsbeamtinnen und -beamten sowie Ordnerinnen und Ordnern, sind den vorgenannten Jahresberichten zu entnehmen. Eine separate Erfassung von attackierten Personen im Zu­sammenhang mit gewalttätigen Auseinandersetzungen erfolgt

 

MMD18-10284