Bonn: Messerattacke auf einen Jungen wegen Kopfhörern – Wie weit sinkt die Hemmschwelle noch?

Kleine Anfrage
vom 12.04.2024

Kleine Anfrage 3645

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Bonn: Messerattacke auf einen Jungen wegen Kopfhörern Wie weit sinkt die Hemmschwelle noch?

Die Messergewalt nimmt in Deutschland immer weiter zu. Wie Zahlen des Bundesinnenministeriums darlegten, gab es im vergangenen Jahr 1.160 Fälle von Messergewalt. Dies entspricht einem Anstieg von mehr als 30 Prozent um Vergleich zu 2022. Besorgniserregend ist vor allem die Tatsache, dass in mehr als zwei Drittel dieser Gewalttaten tatsächlich auch mit einem Messer zugestochen wurde.1

So ereignete sich am Freitagabend, den 22. März 2024, ein solcher Fall, als ein 15-jähriger Junge mit einem Freund um 20:39 Uhr an der Uni-Mensa in Bonn vorbeilief. Ein Mann mit schwarzer Corona-Maske und dunklem Jogginganzug kam auf ihn zu und riss ihm unvermittelt seine Kopfhörer vom Kopf. Nach Angaben eines Polizeisprechers ging der 15-Jährige auf den Angreifer zu, der daraufhin mit einem Messer auf den Jungen einstach. Als der Begleiter des Opfers diesem zu Hilfe eilte, lief der unbekannte Tatverdächtige in Richtung der Adenauerallee davon.2

Der schwerverletzte Junge wurde in ein Krankenhaus gebracht und liegt seitdem auf der Intensivstation. Eine sofort eingeleitete Fahndung nach dem Angreifer blieb bisher ohne Erfolg. Allerdings konnten Zeugen, die auf einer Bank saßen, das Tatgeschehen verfolgen und beschrieben den Tatverdächtigen wie folgt:

„Er soll 19 bis 23 Jahre alt, etwa 1,80 bis 1,90 Meter groß und schlank sein. Er hat helle Haut und dunkle Augenbrauen, sein Gesicht war durch eine Kapuze und eine schwarze FFP2-Maske teilweise verdeckt. „Der Tatverdächtige trug einen dunklen Jogginganzug mit roten Streifen auf den Ärmeln. Er führte eine dunkle Umhängetasche mit sich“3

Bei den Kopfhörern soll es sich um Apple „AirPods Max“ handeln, die mehr als 500 Euro kosten. Diese soll der mutmaßliche Angreifer auf seiner Flucht verloren haben.4

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wie viele Gewaltdelikte gab es seit 2015 bis heute pro Jahr in Bonn?
  3. Welches Alter haben die für die in Frage 2 abgefragten Gewaltdelikte verantwortlichen Tatverdächtigen?
  4. Welches Geschlecht haben die für die in Frage 2 abgefragten Gewaltdelikte verantwortlichen Tatverdächtigen?
  5. Welche Nationalität haben die für die in Frage 2 abgefragten Gewaltdelikte verantwortlichen Tatverdächtigen? (Bitte bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Markus Wagner

 

MMD18-8831

 

1 Vgl. https://www.bild.de/regional/nordrhein-westfalen/regional/nrw-junge-15-fuer-apple-kopfhoerer-niedergestochen-lebensgefahr-87624386.bild.html.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3645 mit Schreiben vom 8. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Als Datenbasis für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung dient die Poli­zeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfas­sung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskrimi­nalamt Nordrhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssicherungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten derzeit bis zum Berichtsjahr 2023 qualitätsgesichert vor.

Der Begriff „Gewaltdelikt“ ist in der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen nicht normiert. Im Folgenden fasse ich als „Gewaltdelikte“ jene Fälle zusammen, die mit einem Straf-tatenschlüssel des Summenschlüssels „892000 Gewaltkriminalität“ oder mit dem Straftaten-schlüssel „224000 (vorsätzliche einfache) Körperverletzung § 223 StGB“ erfasst wurden. Der Summenschlüssel „892000 Gewaltkriminalität“ umfasst die nachstehenden Straftatenschlüs-sel:

–           Mord

–           Totschlag und Tötung auf Verlangen

–          Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschließlich mit Todesfolge

–           Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer

–           Körperverletzung mit Todesfolge

–           Gefährliche und schwere Körperverletzung, Verstümmelung weiblicher Genitalien

–           Erpresserischer Menschenraub

–           Geiselnahme

–           Angriff auf den Luft- und Seeverkehr

Unabhängig von der Anzahl der begangenen Straftaten wird eine tatverdächtige Person in dem jeweiligen Statistikzeitraum je Deliktsart nur einmal gezählt.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vor­namen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn hat dem Ministerium der Justiz unter dem 17.04.2024 im Wesentlichen berichtet, dass der mit der Kleinen Anfrage angesprochene Sachverhalt Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bonn gegen einen 19-jähri­gen Tatverdächtigen mit deutscher und afghanischer Staatsangehörigkeit sei. Der Beschul­digte befinde sich seit dem 28.03.2024 wegen des Tatverdachts des schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft.

Der Tathergang entspreche im Wesentlichen dem in Absatz 2 der Kleinen Anfrage dargestell­ten Geschehen. Der Beschuldigte habe darüber hinaus von dem Opfer die Herausgabe der Ladeeinheit für die Kopfhörer verlangt. Die Ermittlungen dauerten an.

Mit Blick auf den besonderen Schutz des heranwachsenden Beschuldigten, den Erziehungs­gedanken des Jugendstrafrechts und die Wertung des § 48 Absatz 1 Jugendgerichtsgesetz wird von Angaben zu etwaigen Vorstrafen abgesehen. Dem parlamentarischen Informations­interesse, das nicht der konkreten Strafverfolgung einzelner Personen gilt, sondern der Regie­rungskontrolle und Gesetzgebung dient, wird durch die weiteren Angaben zum Sachstand ent­sprochen.

  1. Wie viele Gewaltdelikte gab es seit 2015 bis heute pro Jahr in Bonn?
Gewaltdelikte – KPB Bonn Fallzahlen
Berichtsjahr Fälle
2015 3 954
2016 4 070
2017 4 046
2018 3 964
2019 3 946
2020 4 011
2021 3 834
2022 4 985
2023 5 973

 

  1. Welches Alter haben die für die in Frage 2 abgefragten Gewaltdelikte verantwort­lichen Tatverdächtigen?

Die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen aufgeschlüsselt nach Altersgruppen bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen.

Gewaltdelikte – KPB Bonn – Tatverdächtige nach Altersgruppe
Berichts- jahr insge-
samt
unter 14 14 – unter 18 18 – unter 21 ab 21
2015 3 348 74 327 325 2 622
2016 3 541 117 357 318 2 749
2017 3 481 86 318 335 2 742
2018 3 410 86 295 350 2 679
2019 3 230 100 333 299 2 498
2020 3 278 87 301 281 2 609
2021 3 097 85 299 214 2 499
2022 3 948 146 405 302 3 095
2023 4 099 174 421 321 3 183

 

  1. Welches Geschlecht haben die für die in Frage 2 abgefragten Gewaltdelikte ver­antwortlichen Tatverdächtigen?

Die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen aufgeschlüsselt nach Geschlecht bitte ich der fol­genden Tabelle zu entnehmen.

Gewaltdelikte – KPB Bonn – Tatverdächtige nach Geschlecht
Berichtsjahr insgesamt weiblich männlich
2015 3 348 595 2 753
2016 3 541 599 2 942
2017 3 481 612 2 869
2018 3 410 631 2 779
2019 3 230 621 2 609
2020 3 278 629 2 649
2021 3 097 611 2 486
2022 3 948 787 3 161
2023 4 099 925 3 174

 

  1. Welche Nationalität haben die für die in Frage 2 abgefragten Gewaltdelikte verant­wortlichen Tatverdächtigen? (Bitte bei Deutschen eine Mehrfachstaatsangehö­rigkeit extra ausweisen.)

Der Anlage 1 bitte ich die Nationalitäten der ermittelten Tatverdächtigen zu entnehmen. Ermittelte Tatverdächtige mit Mehrfachstaatsangehörigkeiten, welche auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, werden auf Grundlage bundesweiter Regelungen als „deutsch“ erfasst.

 

MMD18-9207

Beteiligte:
Markus Wagner