„Brexit“ – Unterstützt die Landesregierung die Strafpläne der Bundesregierung?

Kleine Anfrage
vom 15.12.2017

Kleine Anfrage 624
des Abgeordneten Sven W. Tritschler AfD

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Der Ausschuss für Europa und Internationales traf im Rahmen einer Brüsselreise von 6. bis 8. Dezember 2017 mit Vertretern verschiedener Dienststellen der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Nordrhein-Westfalen zusammen. Alle Fraktionen des Landtags waren mit mindestens einem Vertreter vor Ort.

Während des Besuchs der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union referierte Ralph Müller, Leiter der Abteilung Finanzpolitik, über das Thema Brexit. Dabei brachte er einige bemerkenswerte Dinge zur Sprache:

  • Der Brexit dürfe „kein Erfolgsmodell“ werden.
  • Man werde die Briten mit jeder Idee, mit jedem Kompromissvorschlag „komplett nach Hause schicken“.
  • Die Verhandlungen über den Brexit sollen nicht erleichtert werden.

Ein Vertreter der CDU im Ausschuss äußerte im Rahmen derselben Diskussion, dass man die Briten „in die Defensive drängen“ müsse. Auch die übrigen Teilnehmer aus den Regierungsfraktionen äußerten sich zustimmend oder zumindest gleichgültig.

Während eines Abendessens referierte der Leiter des WDR-Hörfunkstudios Brüssel, Ralph Sina ebenfalls zum Brexit. Auch er äußerte sich abfällig über Großbritannien und verstieg sich sogar zu der Aussage, man müsse diese jetzt erziehen „wie in der Behindertenpädagogik“. Widerspruch aus den Reihen der anwesenden Abgeordneten erhob sich nicht.

CDU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag die besonderen Beziehungen Nordrhein-Westfalens zum Vereinigten Königreich betont. Wörtlich heißt es:

„Die Freundschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und Großbritannien ist heute – nach dem Brexit – wichtiger denn je. Wir werden die engen und vertrauensvollen Beziehungen zu Großbritannien deshalb weiter pflegen und intensivieren.“

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Ist die Landesregierung ebenfalls der Auffassung, man müsse an den Briten ein Exempel statuieren und ihnen möglichst ungünstige Austrittsbedigungen auferlegen, um andere EU-Mitgliedstaaten davon abzuhalten, dem Beispiel des Brexit zu folgen?
  2. Falls die Landesregierung nicht dieser Auffassung ist, wie macht sie ihren Einfluss geltend, um faire Austrittsbedingungen zu erwirken?
  3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass es einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt nur geben kann, wenn gleichzeitig vollständige Personenfreizügigkeit gewährt wird?
  4. Das Vereinigte Königreich ist nach den Vereinigten Staaten und Frankreich das drittwichtigste Exportland für die deutsche Wirtschaft. Ist die Landesregierung gewillt, negative Auswirkungen auf den Zugang zu diesem Markt in Kauf zu nehmen, nur um die Dogmen der bisherigen EU-Politik (z.B. Personenfreizügigkeit) durchzusetzen?
  5. Wie bewertet die Landesregierung die oben zitierten Aussagen grundsätzlich?

Sven W. Tritschler

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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 624 im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisie­rung und Energie wie folgt:

Frage 1      

Ist die Landesregierung ebenfalls der Auffassung, man müsse an den Briten ein Exempel statuieren und ihnen möglichst ungünstige Austrittsbedigungen auferlegen, um andere EU-Mitgliedstaaten da­von abzuhalten, dem Beispiel des Brexit zu folgen?

Die Austrittsfragen waren Gegenstand der ersten Phase der Verhand­lungen. Die Landesregierung begrüßt die diesbezügliche Einigung zwi­schen den Verhandlungsteams der Europäischen Union und des Verei­nigten Königreichs, die die Entscheidung des Europäischen Rates am 15. Dezember ermöglicht hat, ausreichende Fortschritte festzustellen und zur zweiten Phase der Verhandlungen überzugehen.

Die Landesregierung vertritt ihre Position in den Brexit-Verhandlungen gemeinsam mit den weiteren Ländern über den Bundesrat, zuletzt im Beschluss 373/17 vom 15. Dezember 2017.

Frage 2

Falls die Landesregierung nicht dieser Auffassung ist, wie macht sie ihren Einfluss geltend, um faire Austrittsbedingungen zu erwir­ken?

Siehe Antwort auf Frage 1.

Frage 3

Ist die Landesregierung der Auffassung, dass es einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt nur geben kann, wenn gleichzeitig vollständige Personenfreizügigkeit gewährt wird?

Die Personenfreizügigkeit ist eine der vier konstitutiven und nicht teilba­ren Grundfreiheiten des Binnenmarktes. Ein Land, das Mitglied im Bin­nenmarkt ist, muss also auch die Personenfreizügigkeit umsetzen.

Frage 4

Das Vereinigte Königreich ist nach den Vereinigten Staaten und Frankreich das drittwichtigste Exportland für die deutsche Wirt­schaft. Ist die Landesregierung gewillt, negative Auswirkungen auf den Zugang zu diesem Markt in Kauf zu nehmen, nur um die Dog­men der bisherigen EU-Politik (z.B. Personenfreizügigkeit) durch­zusetzen?

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Integrität des Bin­nenmarktes auch im Interesse unserer Wirtschaft gewahrt bleiben muss.

Frage 5

Wie bewertet die Landesregierung die oben zitierten Aussagen grundsätzlich?

Zu nichtöffentlichen Äußerungen einzelner Personen nimmt die Landes­regierung grundsätzlich nicht Stellung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner

Beteiligte:
Sven Tritschler